Die Graue Eminenz
Wie das erzkatholische Medienimperium des polnischen Redemptoristen "Vater Rydzyk" Politik macht
Eines kann man den Kaczynski-Zwillingen sicherlich nicht nachsagen: Dass sie für Kritik nicht empfänglich wären oder Beleidigungen einfach über sich ergehen ließen. Als die TAZ ihre zugegebenermaßen unappetitliche Satire über Polens Premier und Präsident Ende Juni 2006 veröffentlichte, löste dies ernsthafte diplomatische Spannungen zwischen beiden Ländern aus. Die Warschauer Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den TAZ-Autor wegen der „Beleidigung des Staatsoberhaupts“ , Polens Außenministerin Anna Fotyga verglich die liberale Tageszeitung mit dem NZ-Hetzblatt „Der Stürmer“ (Warum Polen die TAZ braucht).
Ganz anders, viel zurückhaltender und vorsichtiger fielen hingegen die Reaktionen der jähzornigen Zwillingsbrüder aus, als die heimlich mitgeschnittenen Beleidigungen des einflussreichen Redemptoristen „Vater Rydzyk“ durch das Wochenmagazin Wprost Anfang Juli publiziert wurden. Gegenüber den Kommentaren, die Rydzyk vor Schülern seiner katholischen Lehranstalt machte, nimmt sich die „Kartoffelsatire“ der TAZ geradezu harmlos aus. So bezeichnete der Redemptorist die Präsidentengattin als eine „Hexe“, die man der Euthanasie zuführen sollte. Zudem sei der Präsident ein Betrüger, der vor der „jüdischen Lobby“ kusche. Für den erzkatholischen Medienzar stehen die liberalen Medien des Polens, wie die „Gazeta Wyborcza“, ebenfalls unter jüdischen Einfluss.
Auf den Audioaufnahmen, die Wprost veröffentlichte, vermischte Rydzyk seinen pathologischen Antisemitismus mit Beschimpfungen der Kaczynskis. In der an Wahnvorstellungen grenzenden Weltanschauung des „Vater Rydzyk“ wird die Welt von einer allmächtigen jüdischen Verschwörung gelenkt, die sich auch die polnische Regierung untertan gemacht habe. Dieses geschlossene, antisemitische Weltbild sei einer der schockierendsten Aspekte dieser Affäre, so Stanislaw Janecki, der Chefredakteur der als „thalmudisch“ von Rydzyk diffamierten „Gazeta Wyborcza“.
Die Samthandschuhe der PiS
Die Kaczynskis hingegen wollten diese Affäre anfangs in bester Kohlscher Tradition aussitzen. Anfangs erklärte Premier Jaroslaw Kaczynski gegenüber der Presse, er werde abwarten, bis geklärt sei, was genau Rydzyk gesagt habe. Nachdem die Echtheit der Aufnahmen feststand, folgten vorsichtige Mahnungen der PiS in Richtung des Redemptoristenordens, sich doch bitte zu entschuldigen. Am 13. Juli erklärte Jaroslaw Kaczynski, dass die ganze Angelegenheit „von den Medien aufgebauscht wurde“.
Die polnische Staatsanwaltschaft nahm nur schleppend Ermittlungen gegen Rydzyk auf, obwohl er eindeutig das polnische Staatsoberhaupt beleidigt hat und antisemitische Aussagen sozusagen am laufenden Band produziert hat. Die Ermittlungen, die seitens des polnischen Episkopats und der Redemptoristen gegen den offiziell als gewöhnlichen Mönch geltenden Rydzyk initiiert wurden, verliefen im Sande. Die Führung des Redemptoristenordens behauptete gar, die Bänder seinen manipuliert gewesen und eine „Provokation“.
Auf Drängen des israelischen Botschafters und des nach dem berühmten Nazijäger benannten „Simon Wiesenthal Zentrums“ erklärte Polens Justizminister Zbigniew Ziobro nur, dass solche Aussagen „sehr zu kritisieren sind“, doch es herrsche nun mal Redefreiheit in Polen. Am 24. Juli teilte schließlich Michal Kaminski, der Sekretär des Präsidenten, den Medien mit, dass der Präsident eine lustlose Entschuldigung des „Vater Rydzyk“ annehme und man froh sei, dass die „Worte des Bedauerns“ gefallen seien.
Der katholische Berlusconi
Was Rydzyk derzeit so unangreifbar macht, ist sein Medienimperium, die in die Hunderttausende gehende, blind gehorchende Anhängerschaft, sowie die aktuell höchst angespannte Lage innerhalb der rechtspopulistischen Regierungskoalition Polens, die den klerikalen Medienmogul zum Königsmacher avancieren lassen könnte. Würde man all die Medien, die der offiziell dem Armutsgelöbnis verpflichtete Rydzyk kontrolliert, als seinen Besitz deklarieren, wäre er die Nummer 87 auf der Liste der 100 reichsten Polen, die die Wochenzeitung Wprost in regelmäßigen Abständen veröffentlicht.
Das wichtigste Medium, mit dem Rydzyk seine zahlreiche, größtenteils aus älteren Menschen bestehende Anhängerschaft erreicht, ist das bereits 1991 gegründete Radio Maryja. Der Sender vermischt religiöse Sendungen mit nationalistischer Propaganda und einem erzkonservativen Weltbild. Unterschiedlichen Umfragen zufolge hören zwischen einer und zwei Millionen Polen regelmäßig diesen Radiosender, wobei nur ein Prozent der Hörerschaft als jugendlich eingestuft werden kann – mehr als 70 Prozent der Radio Maryja-Hörer sind über 60 Jahre alt.
Des weiteren kontrolliert Rydzyk die katholisch-nationalistische Tageszeitung Nasz Dziennik, die nach Eigenangaben eine Auflage von über 150.000 Exemplaren erreicht. In dieser Tageszeitung kommen auch Aktivisten verschiedener nationalistischer und konservativer Gruppierungen zu Wort, die gerade die Gunst des katholischen Medienmoguls genießen. Als drittes, mediales Standbein dieses katholischen Medienimperiums wurde ab 2003 die Fernsehstation Trwam aufgebaut. Hier finden sich neben den aus Radio Maryja bekannten Programmbausteinen auch „christliche Musikvideos“ und moralisch erbauliche Spielfilme.
Eingebettet sind diese Medien in ein weit verzweigtes Umfeld von Stiftungen und Lehreinrichtungen, mit denen konservativ-katholischer Nachwuchs gezüchtet werden soll. In der Höheren Schule der Öffentlichen und Medialen Kultur können Nachwuchsjournalisten sich auf eine Karriere bei Radio Maryja, Trwam oder Nasz Dziennik vorbereiten. Bei Vorlesungen Rydzyks in dieser „Hochschule“ sind seine besagten skandalösen Äußerungen gefallen. Die mit Radio Maryja eng zusammenarbeitende Stiftung Unsere Zukunft gibt die Monatszeitschrift „Familie Radio Maryja“ heraus, sie verschreibt sich zudem der Verbreitung katholischer „Literatur“, sowie sonstiger Medien wie CDs oder Videos.
Schließlich gründete Rydzyk die Lux Veritatis-Stiftung, welche anfangs „erbauliches“ Videomaterial herstellte und die nun hauptsächlich mit dem Betrieb des Fernsehprogramms Trwam beauftragt ist. All die Medien dieses Redemptoristenkonzerns ergehen sich immer wieder in antisemitischen oder nationalistischen Hetzreden, ohne dass die polnische Kirchenhierarchie jemals ernsthaft dagegen vorgegangen wäre.
PiS gegen LiS
Diese weit verzweigte Medienmacht und eine populistische Armenfürsorge der Redemptoristen führten zu einer unverbrüchlichen Treue der hauptsächlich aus armen Rentnern bestehenden, in die Hunderttausende gehenden Anhängerschaft des „Vater Rydzyk“ führen. Egal, welche Eskapaden sich der machtbewuste Mönch leistet, seine als Mocherowe Berety (Angorawolle-Beretts) bezeichnete, äußerst religiöse Gefolgschaft hält eisern zu ihm. Die Entscheidung Rydzyks, eine betagte „Armee der Angorawolle-Beretts“ während des letzten Wahlkampfs im Herbst 2005 dazu aufzurufen, die Kaczynski-Partei PiS zu wählen, gilt als entscheidender Beitrag zum Wahlsieg der konservativen Zwillinge. Von daher verwundert es nicht, dass die PiS den launischen Rydzyk mit Samthandschuhen anfasst, disponiert der redemptoristische Hirte doch über eine gehorsame Herde von ca. einer Million Schäfchen, die er als Stimmvieh bei den nächsten Wahlen gegen möglichst großen, politischen Einfluss tauschen möchte.
Die Querelen in der polnischen Regierungskoalition lassen die Rückendeckung Rydzyks sogar noch wertvoller erscheinen. Am 16. Juli schlossen sich die beiden kleineren Koalitionspartner der rechtskonservativen PiS zu einem Bündnis zusammen, das die Übermacht der Konservativen im rechten Parteienspektrum brechen soll. Die neue politische Kraft aus populistischer „Selbstverteidigung“ (SO) und rechtsradikaler „Liga der Polnischen Familien“ (LPR) nennt sich sinnigerweise „Liga und Selbstverteidigung“ (LiS). Die Anführer des LiS, der Vorsitzende der LPR und „Bildungsminister“ Roman Giertych, sowie der jüngst als Vizepremier entlassene SO-Chef Andrzej Lepper, verloren keine Zeit: Am 17. Juli wurde bekannt, das Lepper mit sich mit „Vater Rydzyk“ traf, um von ihm den „Segen für die neuen Bewegung“ zu erbitten. So verwundert es nicht, wenn zumindest im Fall des „Vater Rydzyk“ autoritäre Politiker der PiS - wie Justizminister Ziobro - plötzlich die Meinungsfreiheit entdecken.