Die organisierte Verantwortungslosigkeit
Seite 3: Keiner hätte sterben müssen
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Auch da hatten sich die für den zuständigen Katastrophenschutz nicht ausreichend um die frühzeitigen Warnungen der Meteorologen gekümmert und die Bevölkerung viel zu spät gewarnt. Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Rheinland-Pfalz beschäftigen sich inzwischen Untersuchungsausschüsse mit dem Behördenversagen. In Mainz sagte kürzlich Jörg Kachelmann aus, der einen privaten Wetterdienst betreibt.
Nach Angaben des Südwestrundfunks gab er an, am 14. Juli 2021 sei um 14 Uhr vollkommen klar gewesen, dass es im Ahrtal eine Sturzflut geben würde. Am späten Abend trat sie dann ein.
Eine Flut käme nie plötzlich, zitiert der Sender den Meteorologen weiter. Vielmehr müsse es vorher viele Stunden regnen, weshalb immer genügend Zeit sei, "das Richtige zu tun".
Niemand habe sterben müssen. Alle Wettermodelle hätten schon seit mehreren Tagen das hohe Risiko von extremem Starkregen für die Eifel vorhergesagt. Die Behörden hätten daher schon zwei Tage vor der Flutwelle Evakuierungen planen und die Bevölkerung vorwarnen können.
Dass dies nicht geschehen ist und auch anderenorts im Rheinland und im Ruhrgebiet die Behörden hilflos agierten, zu spät warnten und schlecht kommunizierten, erinnert an den Umgang mit der Pandemie.
Marktgläubigkeit
Obwohl die WHO seit zehn oder mehr Jahren vor schweren Pandemien warnte, obwohl entsprechende Katastrophen-Szenarien seit 2013 in den Schubladen Staub ansetzten, hatte es weder entsprechende Übungen gegeben, noch gab es Vorratshaltung an Schutzkleidung und Masken, noch waren für die diversen Ebenen Katastrophenschutzpläne erstellt worden.
Stattdessen schließt man weiter Krankenhäuser und ist auch zwei Jahre nach dem Ausbruch der Pandemie nicht in der Lage, für ausreichende Laborkapazitäten und die Produktion einer ausreichenden Zahl von Tests zu sorgen, oder durch attraktivere Bezahlung und Arbeitsbedingungen das Personal in den Krankenhäusern zu halten und aufzustocken.
Ob Pandemie oder Klimakrise: Das Problem ist, dass Gesellschaft und vor allem nahezu alle Parteien bis jenseits der Grünen ganz tief vom festen Glauben an den schlanken Staat und die vermeintlichen Selbstheilungskräfte des Marktes durchdrungen sind.
Im Ergebnis werden staatliche Institutionen ausgeblutet und notwendige Investitionen aufgeschoben, sodass an allen Ecken und Enden Planer, Kontrolleure, Labore, Juristen, Logistiker, Ärztinnen und Ärzte, Gesundheitspersonal, Pflegekräfte, Facharztpraxen, Busfahrerinnen und Busfahrer, Lehrerinnen und Lehrer sowie andere für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbare Einrichtungen und Fachkräfte fehlen.
Am Ende ist dann nicht einmal mehr sichergestellt, dass Unwetterwarnungen die Verantwortlichen vor Ort erreichen und diese auch in der Lage sind, deren Bedeutung zu erfassen.
Mut macht hingegen, dass im Ahrtal die Bürgerinnen und Bürger inzwischen die Bürgermeisterin von Altenahr und einigen Nachbargemeinden, Cornelia Weigand, zur Landrätin gewählt haben, wie der Berliner Tagesspiegel berichtet. Die parteilose Lokalpolitikerin hatte in den Wochen nach der Flut unermüdlich für mehr Unterstützung für die Flutopfer gekämpft.
Nun möchte sie das Ahrtal klimagerecht wieder aufbauen und zur Modellregion machen. Schon 2030 soll 100 Prozent des verbrauchten Stroms von erneuerbaren Energieträgern bereitgestellt werden. Der öffentliche Personennahverkehr soll verdichtet und für den Rest-Autoverkehr Ladestationen aufgebaut werden.