Die unbeachteten Opfer der Corona-Pandemie: Impfgeschädigte in Deutschland

Seite 3: Was falsch läuft. Eine Einschätzung.

Moralische Pflicht und Solidarität

Moralische Pflicht, Kants Imperativ und Appell an die Solidarität der Gesellschaft. Die in der Einleitung aufgeführten Forderungen an den Einzelnen waren eindeutig und kannten keinen Zweifel.

Ohne jeden Zweifel äußerte bekanntlich auch Karl Lauterbach im August 2021, was mögliche Impfnebenwirkungen anbetrifft:

Und zusätzlich geht es darum, weshalb eine Minderheit der Gesellschaft eine nebenwirkungsfreie Impfung nicht will, obwohl sie gratis ist und ihr Leben und das vieler anderer retten kann.

Karl Lauterbach

Diese kategorische Feststellung, die sicherlich nicht ohne Folgen auf Mediziner und Gesellschaft geblieben sein dürfte und nicht unverantwortlich an der Erfahrung vieler Impfgeschädigter gewesen ist, dass ihnen weder Mediziner noch Freunde und Familie geglaubt haben, brachte den Epidemiologen und Virologen Klaus Stöhr zu einer ebenfalls sehr klaren und unmissverständlichen Beurteilung:

Ein Arzt, der so etwas sagt, sollte keine Approbation haben.

Klaus Stöhr (bei 5.30 min)

Impfschaden? Nachweis? Anerkennung?

Bis heute ist Post-Vac keine anerkannte Krankheit. Deshalb kann die Behandlung im Grunde nicht von der Krankenkasse bezahlt werden und wie gesehen, bleiben die Geschädigten so gut wie immer auf den immensen Kosten selbst sitzen.

Wie gesehen ist der Nachweis, dass der erlittene körperliche Schaden von der Impfung stammt, ausgesprochen schwierig, denn der Betroffene ist in der Beweispflicht. Wie beweist man einen kausalen Zusammenhang und dass der erlittene Schaden nicht zufällig in einem direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung steht?

In vielen Fällen reichen auch eine Handvoll von Arztbriefen und Diagnosen nicht aus. Professor Bernhard Schieffer, Direktor der Uniklinik Marburg, ist sich dieser äußerst schwierigen Situation bewusst, in der sich die schwer Impfgeschädigten befinden ::):

Wir haben in der Bundesrepublik eine intellektuelle und wissenschaftliche Patt-Situation.

Denn es fehlt an einer wissenschaftlichen, sauberen Aufarbeitung. Er forderte im Frühjahr 2023 eine Art Task-Force des Bundes, die mit einer Handvoll Experten, die die grundlegenden Fragen beantwortet: "Was ist ein Impfschaden? Wie können wir ihn diagnostizieren? Wie wird er dokumentiert?"

Dabei sollten auch Kriterien und die Diagnostik ausgearbeitet werden, die für alle gelten. Bis heute fehlt davon jede Spur.

Nach einem Artikel auf Spiegel-Online, der über die prekäre Lage von Impfgeschädigten berichtete, postete Karl Lauterbach auf Twitter:

Guter Artikel. Post-Vac-Syndrom muss besser untersucht werden. Wir empfehlen die Impfung gegen Covid und gegen Post-Covid. Der Nutzen übersteigt das Risiko in jeder Altersgruppe. Trotzdem ist Post-Vac kein Tabuthema und muss erforscht und behandelt werden.

Karl Lauterbach

Offensichtlich hat sich leider an der Lage der Betroffenen wenig geändert.

Solidarität!

Nicht nur die Impfgeschädigten betonen immer wieder, dass sie die eingeforderte Solidarität ganz bewusst aufgebracht haben (und der Hauptteil der Menschen mit schweren Impfschäden sind insbesondere junge Menschen, vor allem Frauen, also Menschen, die kaum von Covid-19 bedroht waren), aber ihnen jetzt von der Gesellschaft, die sie schützen wollten, schlicht die kalte Schulter gezeigt wird.

Sie werden mit ihrem Leiden allein gelassen. Die Berliner Zeitung zitiert eine anonymisierte Laborleiterin, die vielen Impfgeschädigte in ihrer Arbeit begegnet ist:

Diese Betroffenen wollten sich und andere schützen und deshalb sollte auch der Staat dafür aufkommen und dafür sorgen, dass eine Behandlung der Patienten kassenfähig wird.

Laborleiterin K.

Prof. Schieffer, der mit der Uniklinik Marburg mehr oder minder die einzige Anlaufstelle in Deutschland leitet, die Impfgeschädigte ernst nimmt und ihnen zu helfen versucht, hat eine sehr deutliche Forderung an Politik und Gesellschaft:

Wir dürfen die Menschen, die betroffen sind, nicht alleine lassen. Wir dürfen die Menschen, die sich aus Loyalität für unsere Elterngeneration und für unsere Patienten haben impfen lassen, nicht alleine lassen und wir brauchen einen Masterplan, wie das funktioniert.

Bernhard Schieffer, Direktor der Uniklinik Marburg (bei 4.00 min)

Die vielleicht deutlichste Kritik, die deshalb auch eine ausführliches Zitat verdient, stammt von der Journalistin Ruth Schneeberger, die in der Berliner Zeitung sich wiederholt dieses Themas angenommen hat:

Man muss sich das mal vorstellen: Da gibt es Menschen, die kaum noch aufstehen können. Manche sitzen im Rollstuhl, andere kommen gar nicht mehr aus dem Bett. Sie werden geplagt von starken Herzbeschwerden, komplizierten neurologischen Problemen, Brennen, Schmerzen und Muskelzuckungen, Taubheit von Fingern oder Zehen bis zur Lähmung. Viele von ihnen sind sehr verzweifelt. Aber anstatt ihnen zu helfen, wurde vielen von ihnen abgesprochen, dass sie überhaupt Beschwerden haben.

Seit Ende 2021, verstärkt seit Anfang 2022, hatten sich in Deutschland Impfgeschädigte zusammengetan, um auf ihr Schicksal und ihre Beschwerden hinzuweisen und um Hilfe zu bitten. In Brandbriefen an Redaktionen, Ärztevertreter und Politik bettelten sie geradezu um Aufmerksamkeit für das Thema.

Denn von Ärzten wurden sie meist abgewiesen, spätestens wenn einfache Blutuntersuchungen keine Ergebnisse brachten. Impfgeschädigte sind daher, psychologisch gesehen, noch schlimmer dran als Long-Covid-Patienten, obwohl sich das Krankheitsbild auffallend ähnelt. Denn sie haben sich impfen lassen in der Annahme, sich solidarisch zu verhalten, sich und andere zu schützen, sie haben vertraut und wollten alles richtig machen.

Dass sie nur kurz darauf derart fallen gelassen würden, sich nicht mehr öffentlich äußern könnten, ohne in die Schmuddelecke gedrängt zu werden, dass sich Ärzte von ihnen abwenden, einige auf Social Media mit dem Tode bedroht, andere gar von ihren Familien verlassen würden, weil man ihnen ihre Symptome nicht glaubte – mit dieser traumatischen Erfahrung hätten die Betroffenen niemals gerechnet. Sonst hätten sie sich wohl nicht impfen lassen. Viele Impfgeschädigte berichten davon, das Vertrauen in die gesamte Gesellschaft verloren zu haben, nicht nur in staatliche Institutionen, auch in Medizin und Wissenschaft.

Ruth Schneeberger

Diese Impfung galt, wie gesehen, als moralische Pflicht, als Imperativ im Sinne von Kant, als Akt der Solidarität. Nicht nur moralisch wurde ein enormer Druck aufgebaut. Durch massive Grundrechtseinschränkungen, die Menschen aufgebürdet wurden, die sich nicht impfen ließen, wurde faktisch eine Art von indirekter Impfpflicht verordnet.

Über diese Maßnahmen sollte und muss man diskutieren und ihre objektive Berechtigung analysieren, um für die Zukunft zu lernen. Viele Menschen haben sich, meist aus moralischer Pflicht, manche aus Druck, zur Impfung entschlossen und massive körperliche Schäden erlitten. Daher bleibt eine letzte Frage:

Ist es wirklich nötig, dass es eines solch ausführlichen Artikel bedarf, um Solidarität mit Impfgeschädigten einzufordern?

In Deutschland scheint das heute der Fall zu sein.
Leider.
Solidarität ist offensichtlich eine Einbahnstraße.