"Dieses neue SETI-Programm stellt alles Bisherige in den Schatten"!

Seite 2: Größte Finanzspritze aller SETI-Zeiten führt zu Paradigmenwechsel

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Doch nunmehr zeigt sich, dass es auch Nachahmer von Paul Allen gibt, die bisweilen sogar bereit sind, noch mehr Geld in das SETI-Abenteuer zu investieren, dabei aber konträr zum Vorgänger einen klaren Plan vor Augen haben.

Wie gestern in London während eines Treffens der Royal Society in Anwesenheit von Stephen Hawking, Martin Rees, Frank Drake, Geoff Marcy, Ann Druyan und den Internet-Investoren Yuri Milner bekannt gegeben wurde, bekommt SETI nunmehr die bislang größte Finanzspritze ihrer Geschichte verabreicht.

Yuri Milner. Bild: Breakthrough Initiatives

Dank des Engagements des russischen Milliardärs und Zalando- sowie Facebook-Investors Yuri Milner stellt seine Stiftung, die Milner Global Foundation, der SETI-Forschung binnen zehn Jahre insgesamt 100 Millionen Dollar (92,31 Millionen Euro) an Fördermittel zur Verfügung.

Für die Abwicklung ist die von ihm gegründete "Breakthrough Prize Foundation" zuständig. Deren Arbeit wird darin bestehen, primär das angedachte Projekt "Breakthrough Listen" zu initialisieren und zu verwalten.

Ungewohnt viel Teleskopzeit

Wenn "Breakthrough Listen" im Juli 2016 startet, beginnt zugleich das umfangreichste, intensivste und leistungsstärkste Such-Programm aller SETI-Zeiten. Es zielt primär auf außerirdische Funksignale, sekundär auf extraterrestrische Laserblitze ab. Und es handelt sich um ein limitiertes SETI-Programm, das für ihre Lauschangriffe auf künstliche Radiosignale ausgerechnet zwei leistungsstarke Teleskope in Beschlag nimmt, die in der Vergangenheit fast ausschließlich für klassische astronomische Observationen angemietet wurden.

Doch wenn das "Robert C. Byrd Green Bank Telescope" in West Virginia/USA mit seinen 100 Metern Durchmesser und das 64-Meter große "Parkes Telescope" in New South Wales/Australien in den Horchmodus gehen, sind mehr als 20 Prozent der gesamten Teleskopzeit ausschließlich für SETI-Suchläufe eingeplant. Ein einmaliger und ungewohnt hoher Wert für SETI-Forscher:

"Wir haben früher in der Regel 24 bis 36 Stunden Teleskopzeit pro Jahr bekommen. Aber nun stehen uns 1000 Stunden pro Jahr mit den besten Instrumenten zur Verfügung", freut sich einer der Projektleiter, Andrew Siemion, der Direktor des Berkeley SETI Research Center der University of California. "Es ist eine Revolution."

Parkes Teleskop in Australien. Bild: CSIRO/ John Sarkissian

Empfindlicher, tiefgreifender und schneller

Es ist die größte Zäsur in der Geschichte der SETI-Forschung, der Paradigmenwechsel schlechthin. Es ist in der Tat eine Revolution, die sich auf eine einfache, auf eine rein Zahlen orientierte Formel reduzieren lässt: Das "Breakthrough Listen"-Projekt soll 50-mal empfindlicher operieren als alle bisherige SETI-Programme und dabei einen 10-mal größeren Himmelsabschnitt abdecken als bisher; es soll einen 5-mal größeren Bereich des Radiospektrums simultan abhören und dies alles 100-mal schneller als jemals zuvor.

Und anstatt nur einige Tausend erdnahe Sterne sollen fortan mindestens eine Million Sterne in der Galaxis durchforstet und darüber hinaus sogar die nächsten 100 Galaxien abgehorcht werden. In den Annalen der SETI-Forschung sind derlei extragalaktische Abenteuer als Rarität verbucht. "Wir planen endlich, 100 nahe Galaxien abzutasten - darunter natürlich auch die Andromeda-Galaxie", so Dan Werthimer gegenüber Telepolis, der ebenfalls an der University of California in Berkeley forscht und lehrt und mit SERENDIP den bislang längsten SETI-Suchlauf leitete.

Sein Kollege Andrew Siemion gerät angesichts der sich auftuenden Perspektiven ins Schwärmen: "Unsere Suche wird mehr als 100-mal besser sein als alles, was wir zuvor getan haben. Das ist mehr, als ich in meinen wildesten Träumen erwarten konnte." Man sei nunmehr in der Lage, auch den ganzen 'ruhigen Bereich' des Radiospektrums abzusuchen, der für uns vom Erdboden aus zugänglich sei.

Wir decken einen Bereich ab, der sich von einigen hundert Megahertz, auf denen unseren TV-Stationen senden, bis hin zu 10 Gigahertz, auf denen wir mit erdnahen Raumfahrzeugen kommunizieren, erstreckt. Was die Bandbreite angeht, ist dies ein dramatischer Sprung nach vorne. Es eröffnet uns erstmals die besten Chancen, hochstehende Lebensformen jenseits der Erde zu finden.

Andrew Siemion

Die Sensibilität des "Breakthrough Listen"-Programms ist einzigartig. Besäße eine fremde Intelligenz, die auf einen der erdnächsten 1000 Sternsysteme wohnt, eine ähnlich empfindliche Anlage, könnte diese sogar Radarsignale eines irdischen Flugzeugs auffangen.

Pekuniäres Wunder

Der aktuelle Geldsegen sprengt bisher alles Dagewesene. Dies weiß auch Lewis Ball, der Direktor von der Astronomy and Space Science Division der CSIRO, zu würdigen: "Wir sind alle angetan, Teil dieser großen Anstrengung zu sein, die von den großen Fortschritten profitieren wird, die im Computerwesen und der Signalverfolgung gemacht worden sind - seit Menschen erstmals nach den Extraterrestren jagen."

Nicht minder enthusiasmiert ist der SETI-Pionier und ehemalige Direktor des SETI-Instituts in Mountain View/Kalifornien Frank Drake. Von einem Korrespondenten der New York Times wird er mit den dramatischen Worten zitiert: "Es ist wie ein Wunder."

Gegenüber den anwesenden Journalisten präzisierte Drake seinen Standpunkt:

In den letzten Jahren belief sich die gesamte weltweite Unterstützung auf ungefähr eine halbe Million Dollar, die größtenteils aus den USA und von privaten Spendern stammten. Nur aber bekommen wir 100 Million Dollar. Das nenne ich wahren Fortschritt.

Francis Drake

Von dem Projekt angetan ist auch der omnipräsente englische Physiker Stephen Hawking, der letzte Woche noch den Erfolg der "New Horizons"-Mission mit lobenden Worten bedachte. "Ich unterstütze die 'Breakthrough Initiative' und die Suche nach außerirdischem Leben mit besonderem Nachdruck", so Hawking am Montag bei der Veranstaltung in London. "In einem unendlichen Universum muss es anderes Leben geben. Es gibt keine größere Frage. Es ist an der Zeit, um hierauf eine Antwort zu finden."

Wie Dan Werthimer Telepolis bestätigt, kann die Bedeutung dieser Initiative nicht hoch genug geschätzt werden. "Dieses neue SETI-Programm stellt alles in den Schatten, was wir bisher gemacht haben."