"Digitales Vermummungsverbot"
Österreich plant eine Klarnamenshinterlegungspflicht für Foristen und Deutschland könnte Uploadfilter durch eine Enthaltung im EU-Rat verhindern
Der für Kunst, Kultur und Medien zuständige österreichische Kanzleramtsminister Gernot Blümel von der ÖVP hat dem Ministerrat gestern seinen Entwurf für ein Bundesgesetz über Sorgfalt und Verantwortung im Netz vorgelegt. Nun haben die anderen Minister sechs Wochen Zeit, diesen Entwurf zu begutachten.
Die Vorschrift ist mit "digitales Vermummungsverbot" zweitbetitelt - eine Framing-Formulierung, die Assoziationen mit gewalttätigen Extremisten bei Demonstrationen weckt. Sie fordert ab 2020 von Diensteanbietern mit mehr als 100.000 registrierten österreichischen Nutzern oder mehr als 500.000 Euro Umsatz in Österreich die Feststellung und Überprüfung der tatsächlichen Namen und Adressen von Nutzern, bevor diese etwas in Foren posten oder Foren anlegen dürfen. Explizit ausgenommen sind "Diensteanbieter, bei denen nur für den Online-Verkauf oder -Tausch oder für die Online-Vermittlung von Waren oder Dienstleistungen, insbesondere mit Bewertungs-Möglichkeit oder Support-Funktion, ein Forum eingerichtet oder betrieben wird".
Auch Privatleute sollen Klarnamen und Adressen abfragen dürfen
Damit die Klarnamen und Adressen nicht nur von Behörden, sondern auch von Privatleuten abgefragt werden können, müssen "nicht in Österreich ansässige Diensteanbieter" wie Facebook oder Twitter einen "verantwortlichen Zustellbevollmächtigten" benennen, der "unverzüglich" erreichbar ist. Dieser Beauftragte ist auch Adressat von Bußgeldern, die die Regulierungsbehörde KommAustria verhängen darf, wenn sie Verstöße feststellt. Im Wiederholungsfall können diese bis zu einer Million Euro hoch werden.
Zur Begründung der Vorschrift heißt es in der Vorlage, eine "gefühlte Distanz in der digitalen Welt" könne "Auswüchse annehmen, die nicht akzeptabel sind". Deshalb wolle man "Grenzüberschreitungen, Herabwürdigungen, Demütigungen und Übergriffen im digitalen Raum […] wirksame rechtliche Maßnahmen entgegensetzen" und verhindern, dass sich jemand "in der Anonymität des Internets versteckt". Das fördere den "respektvollen Umgang der Poster in Online-Foren miteinander" und erleichtere die "Verfolgung von Rechtsansprüchen im Falle […] rechtswidriger Postings". Dieser Meinung ist nicht nur Blümel, sondern auch dessen Chef Sebastian Kurz, der auf Twitter ergänzte, das Internet dürfe "kein rechtsfreier Raum sein" und man brauche dort "Rahmenbedingungen für mehr Verantwortung".
Vereinbar mit EU-Recht?
Anders sieht man das beim österreichischen Internetbranchenverband ISPA. Dessen Generalsekretär Maximilian Schubert vergleicht die geplante Regelung mit einer "Ausweispflicht im Internet", die "mit den Verhältnissen der physischen Welt nichts zu tun" habe: "Schließlich", so Schubert, "muss ich mich nicht ausweisen, bevor ich mich offline zu einem Thema äußere". Außerdem warnt der Lehrbeauftragte für IT-Recht vor einer Unvereinbarkeit mit den Regeln des Europäischen Binnenmarkts.
Die sieht auch der vom Standard konsultierte IT-Rechtsexperte Lukas Feiler von der Kanzlei Baker McKenzie vorliegen. Er verweist dazu auf die E-Commerce-Richtlinien, in denen steht, dass für Internet-Dienstanbieter das Recht des europäischen Hauptstandorts gilt - und nicht das des Landes, in dem ein Kunde lebt.
Blümel dagegen hält seinen Plan für vereinbar mit Europarecht und verweist dabei auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das zwar einen Zustellbevollmächtigten, aber keine Adressüberprüfungen fordert. Letztere sind dem österreichischen Kanzleramtsminister nach "durch die technischen Möglichkeiten, die es am Markt gibt, relativ leicht machbar". Als Beispiel hierfür nennt er die Lichtbildausweisauthentifizierung beim Freischalten von Sim-Karten.
Inkrafttreten des neuen EU-Urheberrechts hängt an deutscher Bundesregierung
Über einen anderen umstrittener Internetkontrollplan - die vor zwei Wochen vom EU-Parlamentsplenum verabschiedete neue EU-Urheberrechtsrichtlinie - soll der EU-Ministerrat am 15. April ein letztes und entscheidendes Mal abstimmen. Das Abstimmungsrecht, das dabei gilt, ähnelt dem im Bundesrat, weshalb auch Enthaltungen dazu führen können, dass keine ausreichende Mehrheit zustande kommt.
Ob sie zustande kommt, hängt an der deutschen Bundesregierung: Die Regierungen Italiens, Polens, Finnlands, Schwedens, der Niederlande und Luxemburg haben nämlich bereits angekündigt, mit "Nein" zu stimmen. Bundesjustizministerin Katharina Barley von der SPD möchte das Vorhaben aber nicht zu blockieren und stattdessen eine unverbindliche Erklärung dazu abgeben, dass man Uploadfilter wenn möglich vermeiden will.
Die Fotoplattform Flickr richtet sich angesichts dieser Aussicht bereits auf eine "automatisierte Überprüfung von Bildern im Internet" ein und ist deshalb eine "strategische Partnerschaft" mit dem Legal-Tech-Unternehmen Pixsy eingegangen. Die Kooperation sieht vor, dass "Urheber bei jeder Verletzung [ihrer] Bildrechte benachrichtigt" werden und danach "juristische Schritte über Pixsy einleiten" können, um einen "Anspruch auf entgangene Lizenzeinnahmen und Schadensersatz geltend zu machen". Dabei arbeite das Unternehmen "mit 26 Rechtsanwaltskanzleien weltweit zusammen".
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