EU-Kriegswirtschaft 2.0: Wenn Panzer die Wirtschaft retten sollen
Die EU-Kommission will den Draghi-Report umsetzen. Eine neue Task Force soll konkrete Gesetze erarbeiten. Doch der Plan birgt eine brisante militärische Dimension.
Kommen nun die Dinge ins Rollen? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Freitag eine Task Force an, um die Vorschläge des Draghi-Reports umzusetzen.
Konkrete Gesetzesvorschläge sollen erarbeitet werden, das Team im Generalsekretariat der Europäischen Kommission angesiedelt werden.
Der Draghi-Report muss stärker im Zusammenhang mit der Militarisierung der Europäischen Union betrachtet werden. Der EU wie auch Deutschland und anderen EU-Ländern wird, so die hier vertretene These, das magische Dreieck aus Schuldenbremse, Militarisierung und Rest-Sozialstaat allmählich zu eng.
Militärische Aufrüstung wird gleichwohl als Mittel erprobt, um alte neoliberale Spardogmen infrage zu stellen und die politische Spaltung innerhalb der EU zu kompensieren.
Wirtschaft und Militär im Draghi-Report: Ross oder Reiter?
So bemüht das Kapitel "Verteidigung" des Draghi-Berichts die Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeiten als Teil umfassender Bemühungen, Wettbewerbsfähigkeit und Autonomie zu sichern. Seit 1960 seien die Verteidigungsausgaben im Verhältnis zum BIP in den EU-Staaten von 3 Prozent auf Werte unter 2 Prozent gefallen.
Den behaupteten Mangel an militärischer Verteidigungsfähigkeit verbindet der Bericht mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber den USA und China. Militarisierung solle zu einem Investitionsmotor werden, indem Rüstungsinitiativen mit industriellen und technologischen Zielen verknüpft werden sollen.
Was – auch dank der Schuldenbremse – auf zivilem Wege nur unzureichend gelang, soll durch Verbindung mit den Verteidigungsressorts nun aufgeholt werden: Schlüsselbereiche wie künstliche Intelligenz, Halbleiter und die Erschließung kritischer Rohstoffe sollen mit militärischen Mitteln und Zwecken verbunden werden.
Hierfür sollen EU-weite Finanzierungsmechanismen und vereinfachte Verwaltungsstrukturen zur Unterstützung dieser Ziele eingerichtet werden.
Neues Bindemittel EU-weiter Wirtschaftsbemühungen soll eine einheitliche Verteidigungsstrategie werden. Fragmentierte, gar ineffiziente nationale Politiken sollen angesichts militärischer Bedrohungslagen überwunden werden. Die wirtschaftliche und technologische Erneuerung erscheint da beinahe als positiver Nebeneffekt dieser Anstrengung.
Alternativen zur rüstungsbasierten Erneuerung der EU
Den Umweg über Rüstungsausgaben muss die EU nicht unbedingt gehen. So plädierte der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze anlässlich des Draghi-Berichts für umfangreiche Investitionen in Innovation und Infrastruktur und für einen Bruch mit der konservativen Austeritätspolitik.
Durch eine Förderung von Spitzenbranchen wie KI und Elektromobilität einerseits, von vernachlässigten Branchen wie Telekommunikation und Raumfahrt andererseits könne die EU ihre Arbeitsproduktivität und Innovationskapazitäten steigern.
Auch der Wirtschaftsjournalist Eric Bonse zeigt Alternativen auf: Mit einem industriellen Investitionsprogramm in Höhe von etwa 750 Milliarden Euro nach dem Vorbild des Corona-Aufbaufonds könnten die Nachfrage erhöhen, Abhängigkeiten von internationalen Märkten verringern und die Wettbewerbsfähigkeit wieder stärken.
Letztlich müssten die Disparitäten und Konflikte innerhalb der EU direkt adressiert und bearbeitet werden, um eine Bündelung wirtschaftlicher Kräfte für ausreichende Investitionen zu ermöglichen. Umgekehrt könnte ein gemeinsames Investitionsprogramm helfen, Disparitäten auszugleichen und Konflikte zu klären.
Ob es über den militärischen Umweg dieses Mal klappen wird, bleibt fraglich. Eine Task Force der EU-Kommission ersetzt noch keine handlungsfähige Regierung – und Papier ist geduldig.