Dreamcast
Ein Erfahrungsbericht
Bin ich schon drin? Ja, ich bin drin! Im Internet! Und das mit einer Spielekonsole. Dreamcast heißt der kleine graue Wunderkasten, der bei uns zumindest kurz Boris-Becker-Feeling aufkommen ließ. Seit Mitte Oktober ist das Gerät für 499 Mark erhältlich und soll für seinen Hersteller, die Firma Sega, alte Marktanteile vom Spitzenreiter Sony (Playstation) und dem ewigen Zweiten Nintendo zurückerobern. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich.
Dennoch scheint der Verkauf in Deutschland, offizielle Zahlen waren nicht zu bekommen, recht gut angelaufen zu sein. Kurzfristig gab es sogar einmal Lieferprobleme, auch wir mussten auf das zugesagte Presseexemplar gut sechs Wochen warten. Aber trotz aller aktuellen Erfolge an der umkämpften Videospielfront ist die Dominanz von Sony nicht zu übersehen. Zwar sind Dreamcast-Vorführgeräte in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser prominent platziert, aber die Regale daneben sind voll von Playstation-Spielen. Und wer derzeit nach Zubehör sucht, erlebt sein blaues Wunder.
Da das Gerät nur mit einem Controller (Steuergerät) geliefert wird, wollten wir uns einen zweiten (59,95 Mark) kaufen, dazu dann noch eine Memory Card (59,95 Mark), um die Spielstände zu speichern. Und ein Scart-Kabel, um die Dreamcast darüber mit dem TV-Apparat zu verbinden. In drei Kaufhäusern gab es weder das eine noch das andere. Und erst im vierten wurden wir fündig. Nur das Scart-Kabel war vergriffen und soll erst wieder im Januar zu bekommen sein.
Also schauten wir uns daheim notgedrungen das mitgelieferte komische Kabel genauer an und lasen dazu die etwas kryptisch formulierte Betriebsanleitung. Nach ein paar Fehlversuchen und einem ausführlichen Blick in das Handbuch unseres Fernsehers klappte es dann doch. Sogar auf dem von Sega, aus welchen Gründen auch immer, geforderten Kanal 36.
Der Rest war ein Kinderspiel. Und los ging's mit einem hübschen Autorennen: Sega Rally 2 (knapp 100 Mark). Dass die Grafikqualität bei der Dreamcast wesentlich besser ist als bei der Konkurrenz, sieht man gleich auf Anhieb. Auch die Bewegungen der Figuren und Objekte wirken runder und fast "echt". Und die Software-Entwickler haben - vor allem bei dem von uns kurz getesteten "Beat'em Up"-Spiel Soul Calibur - das Potenzial der grauen Traummaschine (200 MHz schneller RISC-Prozessor von Hitachi, Grafikchip von NEC/VideoLogic) voll ausgereizt. Vor vergleichbaren PC-Spielen müssen sich die Sega CDs also keinesfalls verstecken.
Aber noch ist das Angebot von Spielen, bis Weihnachten sollen insgesamt 40 auf dem Markt seien, relativ gering. Und der Dreamcast-Preis fast doppelt so hoch wie der der Konkurrenz. Doch dafür gibt es ja als kostenlose Zugabe ein integriertes 33,6 kbps-Modem und das Angebot über eine bundeseinheitliche Rufnummer (Viag Interkom) im Internet zum Ortstarif zu surfen. Dass der Ortstarif nirgendwo, auch nicht auf den Netzseiten genauer definiert wird, hat uns allerdings dann davon abgehalten, länger im Netz herumzuklicken.
Obwohl die Einwahlprozedur zwar zeitraubend, aber dafür zum Glück recht simpel ist: Zuerst muss man natürlich die Dreamcast mit der Telefonbuchse verbinden, was dank des ausreichend langen Kabels kein Problem ist. Danach wird die mitgelieferte CD mit dem "Dream Key"-Browser eingelegt, Land und Sprache ausgewählt - und schon ist man drin. Aber im Unterschied zu Boris Becker muss man sich dann erst einmal registrieren lassen, und das ist mit der auf dem TV-Bildschirm simulierten Tastatur ganz schön nervig.
Egal, nach gut zehn Minuten waren alle Fragen von uns beantwortet, wir hatten eine neue E-Mail-Adresse (insgesamt vier werden angeboten) und auf der TV-Mattscheibe flimmerten tatsächlich die ersten Netzseiten. Und auch der Browser erfüllt durchaus seinen Zweck, ist schnell und überaus leicht zu bedienen, nur die Bildqualität ist schlechter als auf einem PC-Monitor.
Doch wer die Internet-Möglichkeiten der Dreamcast wirklich ausnutzen möchte, muss schon wieder zum Portemonnaie greifen, sich für 59,95 Mark als Zubehör eine Tastatur kaufen. Und kann dann wesentlich entspannter in der noch im Aufbau befindlichen DreamArena mit anderen Netzbewohnern zusammen online die Welt vor Aliens, Zombies und anderen unangenehmen Spielgestalten retten. Oder auf dem TV-Gerät der Oma in Australien eine E-Mail schreiben. Vorausgesetzt auch die ist schon drin.