Droht ein russischer Cyberkrieg gegen Deutschland?
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Cyberkriegs-Experte Sandro Gaycken sieht deutsche Infrastrukturen schlecht vorbereitet auf mögliche russische IT-Angriffe. Er empfiehlt Hackbacks zur Verteidigung
Unlängst warnte US-Präsident Joe Biden vor bevorstehenden russischen Cyberattacken auf die US-amerikanische Infrastruktur. Derweil spitzt sich in Deutschland die Debatte um einen Stopp von Energieimporten aus Russland zu, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin deren künftige Bezahlung in Rubel verlangt hat.
In dieser Lage stellt sich die Frage, ob den Infrastrukturen in Deutschland, darunter die für die Energieversorgung, russische Cyberangriffe drohen. Telepolis befragte dazu Sandro Gaycken, einen Fachmann für Cyberkrieg.
Er ist Direktor des Digital Society Institute an der Berliner Hochschule ESMT und berät unter anderem die Bundesregierung, die Nato und DAX-Konzerne in Fragen der Informationstechnik und des Cyberkriegs. Seit Jahren warnt er davor, dass die Infrastrukturen in Deutschland schlecht gegen Cyberangriffe geschützt sind.
Wie realistisch schätzen Sie die Gefahr eines russischen Cyberkriegs gegen deutsche Infrastrukturen ein?
Sandro Gaycken: Die Russen könnten das tun, wollen aber wohl zurzeit im Ukraine-Krieg nicht gegen den Westen eskalieren, denn Putin will nicht, dass die Nato eingreift.
Lesen Sie zu diesem Thema auch das parallel erschienene Telepolis-Interview "Hackbacks: 'Man muss sich klarmachen, was das in der Praxis bedeutet'" mit Hauke Gierow.
Außerdem sind wir Kunden und die greift man nicht an. Dazu kommt, dass ein Cyberangriff als kriegerische Handlung gewertet werden kann. Das gilt zwar nicht juristisch, aber politisch. Die russische Entscheidung über einen Cyberkrieg kann sich aber von Woche zu Woche ändern.
Welche russischen Cyberangriffe gab es in den vergangenen Monaten?
Sandro Gaycken: In den letzten Wochen haben die Russen viele Cyberattacken gegen die Ukraine ausgeübt, zum Beispiel gegen deren Medien, Banken und Ministerien. Damit waren sie aber nicht sehr erfolgreich, da die USA die ukrainischen IT-Fachleute ausgebildet hat.
Es wurde eine Entkopplung von technischen Systemen in der Ukraine vorgenommen. Geräte waren zum Beispiel nur sende-, aber nicht empfangsbereit, so dass sie nicht angegriffen werden konnten. Auch die Russen nahmen die Hälfte ihrer Infrastrukturen in den ersten Stunden nach der Invasion am 24.2.2022 vom Netz.
Welche Zwecke könnte Russland mit einem Cyberkrieg verfolgen?
Sandro Gaycken: Zur Abschreckung, als taktische Gegenmaßnahme, für Erosionsstrategien und strategische Spionage oder zur Unterwanderung von Sanktionen. Cyberangriffe könnten andere Maßnahmen begleiten.