Durchbruch in der Quantenphysik
Forscherteam gelingt die erste Teleportation mit Atomen
Die Idee, Objekte von a nach b zu transportieren, ohne den Weg zwischen a und b tatsächlich zurückzulegen, galt lange Zeit als Hirngespinst phantasiebegabter Science Fiction-Autoren. Doch seit Charles H. Bennett vom IBM-Forschungslabor im amerikanischen Yorktown Heights 1993 überzeugend nachweisen konnte, dass eine Teleportation auch physikalisch realisiert werden kann, rissen die Meldungen über Aufsehen erregende Forschungsergebnisse nicht mehr ab. Nur vier Jahre nach Bennetts theoretischer Initialzündung gelang einer Gruppe um den Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger die erste Teleportation eines Photons. Anschließend vermeldete Jeff Kimble vom California Institute of Technology die Versendung eines Lichtfeldes, während das Los Alamos National Laboratory den Drehsinn eines Atomkerns übertragen konnte.
Quantenphysikern der Universität Innsbruck und des neugegründeten Akademie-Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation ist nun offenbar ein weiterer entscheidender Durchbruch gelungen. Wie die Wissenschaftler in Nature berichten, konnte das Forscherteam um Rainer Blatt erstmals den Quantenzustand eines atomaren Teilchens über eine Entfernung von 10 Mikrometern kontrolliert übertragen. Diesen Erfolg, den die Wissenschaftler selbst als "sensationell" einstufen, verdanken sie einem Phänomen, das 1935 Gegenstand eines berühmt gewordenen Gedankenexperiments wurde. Seinerzeit gingen Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen davon aus, dass Teilchen, die einmal miteinander in Wechselwirkung stehen, auch dann noch ein gemeinsames System bilden können, wenn sie räumlich getrennt werden. Ihre Zustände sind weiterhin voneinander abhängig oder miteinander "verschränkt", wie es Erwin Schrödinger fast zeitgleich formulierte. Einstein verwarf diese Idee, weil sie der Relativitätstheorie zu widersprechen schien, doch mittlerweile gilt die "spukhafte Fernwirkung" als wissenschaftlich bewiesen und halbwegs erklärbar. "
Verschränkung ist, wenn man das eine Teilchen kitzelt und das andere lacht.
Jeff Kimble
In Innsbruck verschränkten die Wissenschaftler zwei Atome miteinander, deren Quantenzustände exakt kontrolliert wurden. Eines von ihnen verschränkten sie anschließend mit einem dritten, dessen Zustand auf das verbleibende Atom durch eine Messung des Atompaares und eine Reihe von Laserimpulsen dann tatsächlich teleportiert werden konnte. Für ihr Experiment verwendeten die Quantenphysiker ionisierte Kalziumatome, die auf wenige Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt waren.
Rainer Blatt sieht in der Verschränkung von einzelnen elementaren Informationsträgern den entscheidenden Baustein für den Quantencomputer der Zukunft:
Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, dass sich die theoretischen Ansätze der Quantenwelt - deren Verhalten Phänomene erzeugt, die wir aus unserem Alltagsleben nicht kennen - in Experimenten in die Wirklichkeit umsetzten lassen. Das aktuelle Experiment zeigt überdies die Möglichkeit für eine zukünftige hochmoderne technologische Nutzung von Quanteninformationsverarbeitung auf. Durch geschicktes Anwenden der grundlegenden Eigenschaften quantenmechanischer Systeme kann diese Technologie wesentlich leistungsfähiger Daten verarbeiten und kommunizieren, als dies zurzeit mit den modernsten Supercomputern möglich ist.
Blatt weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass seinem Team erstmals die Entwicklung kleiner Prototypen von Quantencomputern gelungen ist, ohne die weitere Fortschritte im Bereich der Teleportation kaum möglich gewesen wären.
Die Innsbrucker Ergebnisse, die von vergleichbaren Untersuchungen des National Institute of Standards and Technology bestätigt werden, können nun genutzt werden, um weitere Atome und demnächst wohl auch Moleküle zu übertragen. Dem alten "Enterprise"-Traum vom Beamen ist die Menschheit damit allerdings noch kein Stück näher gerückt. Bei der aktuellen Form der Teleportation wird die Originalvorlage zerstört. Die berühmten "Heisenberg-Kompensatoren", die eine "Quanten-Auflösung" der zu verschickenden Objekte bewerkstelligen könnten, existieren eben doch nur in der Phantasie der Star Trek-Autoren. Und bekanntlich antwortete deren technischer Berater Michael Okuda auf die Frage, wie diese Kompensatoren denn funktionieren: "Gut, danke!"
Dass die Quantenphysik die Mobilität des Menschen eines Tages in ungeahnter Weise revolutionieren wird, glauben selbst die Meister ihres Faches nicht. "If you want to be teleported to New York for dinne"", rät Raymond Laflamme, "you shouldn't expect that to happen."