Duschbewegungen im Schwimmbad
Die Coen-Brüder haben ein Remake von "The Ladykillers" versucht
Vielen galten Joel und Ethan Coen lange als die besseren Tarantinos. Mit einer ähnlichen Vorliebe für Stilbrüche, Zitate, unorthodoxen Umständlichkeiten und makaberen Humor erwies sich das schreibende, produzierende und inszenierende Brüder-Paar mit Filmen wie "Fargo", "Big Lebowski" oder "The man who wasn't there" als intellektueller, eleganter und subtiler als ihr prominenter Zeitgenosse. Doch während Tarantino sich nach "Pulp Fiction" durchaus wagemutig in die Gefahr begab, sich lächerlich zu machen, haben die Coens stets den Rückwartsgang der Ironie griffbereit gehalten. Einmal mehr haben sie nun mit "The Ladykillers" ihr Spezialgebiet "Verbrechen und Scheitern" behandelt. Dummerweise gibt es den gleichen Film schon seit 1955, und selbst die Coens haben dem nichts hinzufügen.
Die Beschwerden über ihren letzten Film "Intolerable Cruelty" mit George Clooney und Catherine Zeta-Jones waren gehörig. Da wurde vielfach übersehen, dass es weit einfacher ist, Wunderlich-Schönes wie "Big Lebowski" oder "O brother where art thou" zu konstruieren, als eine klassische Screwball-Komödie in der Tradition von "Leoparden küsst man nicht".
Und dabei haben die Coens ihren Stil keineswegs verraten, sondern eine fiese Scheidungssatire geschaffen mit allerlei Hohn und Spott auf herkömmlichen Beziehungskomödienschmonz. Doch Star-Besetzung und scheinbare Romantik (sowie der brunzdumme deutsche Titel "Ein (un)möglicher Härtefall") erweckten große Entrüstung alter Fans. Die Coens sollten lieber weiterhin Menschen zerhäckseln wie in "Fargo", absurde Ensembles kreiieren wie in "Big Lebowski" oder Surreales zusammenhalluzinieren wie in "O brother where art thou". Die Phrase "Früher waren sie besser aber dann sind sie kommerziell geworden", der Schlachtruf der Freudlosen, kam verstärkt zum Einsatz.
Um derlei konservatives Gequengel herumzukommen, ist nun bei "Ladkillers" richtig schwierig, obwohl die Coens doch schon so viel kriminelle Vorgänge, von "Blood Simple" bis "The man who wasn't there", kunstvoll vermasselten. Die britische Gauner-Farce von Alexander Mackendrick aus dem Jahre '55 gehört tatsächlich zu den unversäumbaren Komödienklassikern wie "Arsen und Spitzenhäubchen", "Leoparden küsst man nicht" oder "Manche mögen's heiß". Schon die Besetzung mit Typen wie Alec Guiness (Professor), Herbert Lom, Peter Sellers und Danny Green (als gutmütiger Mann fürs Grobe) war hinreißend.
Fünf Gangster nutzen da die Gutmütigkeit einer netten alten Dame aus. Sie tarnen sich als Streichquartett, um von ihrem Haus aus einen Raub zu begehen. Das hundsgemeine Schicksal jedoch greift rächend in die Mechanik des Plans ein und hinterlässt am Ende beim Zuschauer wohligste Zufriedenheit. Das Geld landet schließlich genau da, wo es hingehört. So was muss man nicht neu verfilmen, selbst wenn ein paar Slapstick-Einlagen und Grusel-Parodien heute etwas matt erscheinen.
Den Coen-Brüdern immerhin hätte man ein legitimes Remake zugetraut. Allein ihre Idee aus der viktorianisch gekleideten Witwe Mrs Wilberforce eine schwarze Südstaaten-Mama namens Marva Munson zu machen, wirkt zunächst reizvoll. Tom Hanks ist nunmehr nicht der englische Professor, den Alec Guinness so schleimig verkörperte, sondern ein Südstaaten-Snob alter Schule und die Nebenfiguren wurden recht beliebig ausgebaut oder reduziert. Die Story, die im Original fast nur in einer Sackgasse spielt, wurde gelüftet und die Durchführung des Coups ziemlich erweitert. Im Remake wird nun ein Tunnel in ein Casino gegraben, und die Toten landen nicht auf dem Zug, sondern auf dem Dampfer.
Der Film enthält durchaus einige Coenismen: Die wohlkomponierte Bildgestaltung; ein Hitlerbärtchen im Gesicht des asiatischen General; die Manier, verschollene Musik zu propagieren, in diesem Fall himmlischen Gospel z.B. von Sam Cooke und den Soul Stirrers; sowie viele umständliche Dialoge während der gangsterlichen Arbeit. J.K. Simmons als phrasendreschender, unfähiger Sprengstoffexperte, der ein alterndes Pfadfindermädel namens "Mountain Girl" in die Arbeit einbringt, hat da vielleicht den schönsten Part. Tom Hanks bekommt als Star zwar viel Raum, seinen Professor überzukandideln, allein der Film lässt ihm wenig Chancen. Seine mimischen Turnübungen wirken in etwa so effizient wie Schwimmbewegungen unter der Dusche, denn die Kunst der komischen Portionierung ist den Coens vorübergehend verloren gegangen.
Die Änderungen, die an der Original-Geschichte vorgenommen wurden, erweisen sich als tückisch. Die gottesfürchtige Vermieterin (Irma P.Hall) ist viel zu resolut, als dass man um sie bangen müsste, zumal der Finsterling (im Original Herbert Lom) quasi gestrichen wurde. Der Mann fürs Grobe, der asiatische Kettenraucher und der junge Obszönitäten quatschende Schwarze sind nur grobe Karikaturen. All diese Pappnasen laden nicht wirklich zum Mitfühlen ein, die Komödie wird über Gebühr aus dem Rhythmus gebracht, weshalb auch der einst umwerfende Schluss jämmerlich verplempert wirkt.
Bisher konnten sich Joel und Ethan Coen lustvoll davondelirieren in die seltsamsten Nebenhöllen ihrer bestens gestylten Welt. Da nervte ein fetter Redneck mit jüdischen Prinzipien, ein wohlerzogenes Mäderl bot überraschend den Oralverkehr an, oder ein Rudel Sirenen stand am Flussufer herum und sang Spirituals. Alles war eine Wonne. Doch in einem derart vollendeten Plot erscheinen gerade die typischen Coen-Momente, etwa die Poe-Rezitationen, die Hatz nach einem Finger und die bescheuerten Streitgespräche, nur wie ein angestrengter Versuch, persönliche Markenzeichen zu hinterlassen. Da wiederum kann man sich an Duschbewegungen im Schwimmbad erinnert fühlen.
Vom Original unbelastete Betrachter mögen aber durchaus noch ihre Freude haben an der Perfidie der Story. Und angesichts der Unzulänglichkeit dieses Remakes gleich das Ende der Coen-Kunst auszuposaunen wäre hysterisch. Es gibt nämlich durchaus Hübsches im neuen "Ladykillers" zu entdecken, etwa die Beinbehaarung von "Mountain Girl". Vielleicht aber täten den Coens ein paar Flops mal ganz gut. Dann müssten sie sich womöglich wieder auf kleine, schmierige Geschichten über Verlierer verlegen, anstatt auf neckisch schrilles Boulevard-Theater.