Ebola: "Protokoll-Fehler"
Der Fall einer amerikanischen Krankenpflegerin, die sich mit dem Virus infiziert hat, macht auf Fehlerquellen bei der Behandlung von Ebola-Patienten auch in westlichen Krankenhäusern aufmerksam
Es sei nicht einfach und sehr unangenehm, eine Stunde lang im Schutzanzug zu stecken, sagt der Leiter eines chinesischen Ärzte-und Helferteams, das seit Anfang Oktober in Sierra Leone hilft, Ebola-Patienten zu versorgen. Die Krankenstation funktioniere gut, so Doktor Jinsong Mu, doch gebe es ein Problem: Zwar würden die Patienten, bei denen das Virus festgestellt wurde, streng dazu angehalten, in ihrem Zimmer zu bleiben, aber sie würden dem nicht Folge leisten und herumspazieren, was für die anderen Patienten "schlecht ist".
An der Aussage ist einiges abzulesen. So verweist der Ausdruck "andere Patienten" nicht nur auf unbestätigte Ebola-Fälle, die beunruhigende Krankheitssymptome aufweisen, sondern auch auf die Existenz anderer Krankheiten. So ist in Westafrika Malaria verbreitet. 2012 habe Malaria zu 6.300 Toten in den drei Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia geführt, berichtet Nature und warnt, dass der Ebola-Ausbruch die Bekämpfung von Malaria gefährdet: "Nobody is doing a thing", lautet die Situationsbeschreibung.
Doch ist Malaria auch nur ein Beispiel. Laut dem niederländischen Arzt Nick Zwinkels sind in Westafrika derzeit "Millionen ohne medizinische Versorgung", weil Krankenhäuser entweder geschlossen sind oder nur mehr Ebola-Patienten versorgen.
Darüberhinaus führt der eingangs erwähnte mutige chinesische Arzt einen irritierenden Kontrast vor Augen: den zwischen medizinisch gebotenen Standards supersorgfältigster Abschottung gegen das Ebola-Virus und Regelbrüchen auf einfachster Ebene: infizierte Patienten, die im Krankenhaus herumgehen.
Nun denkt man sich im Westen weiter, fortgeschrittener, weniger nachlässig, auf einer anderen medizintechnischen und hygienischen Versorgungshöhe. Die Erkrankungsfälle einer Krankenpflegerin in Spanien (Nach Ebola-Chaos Notfallplan in Madrid) und aktuell in den USA (Zweiter Ebola-Fall in den USA) machen jedoch deutlich, dass Hybris fehl am Platz ist. Auch in den Krankenhäusern in den Industrieländern gibt es Raum für Verhalten, das im Sollzustand - nach den Regeln - nicht vorhergesehen ist.
Ein Grund dafür liegt in den Strapazen, denen das Pflegepersonal ausgesetzt ist. Nach einer Stunde im Schutzanzug dürfte, wie der chinesische Arzt erklärt, die Konzentration ziemlich angegriffen sein. Das Entfernen der Schutzkleidung ist laut Protokoll eine mehrstufige Aktion, die große Achtsamkeit erfordert, weil sie, wie der Fall der spanischen Krankenpflegerin zeigt, keine Fehler zulässt. Die Helferin, so nimmt man derzeit an, hat sich wahrscheinlich mit dem Ebola-Virus angesteckt, weil sie mit dem Schutzhandschuh ihr Gesicht berührt hat.
Ein Fehler beim Ausziehen der Schutzkleidung wird im Fall der amerikanischen Krankenpflegerin als wahrscheinliche Ursache für die Ansteckung genannt.
In den USA löst der Fall zwar keine Panik aus, wie eine Lokalzeitung aus Dallas berichtet, aber Verunsicherung, die daher rührt, dass die Bevölkerung einerseits fortlaufend mit der medizinischen Expertise beruhigt wird, wonach die Ansteckung mit dem Ebola-Virus nicht so leicht erfolgt, dazu brauche es nämlich Kontakt mit Körperflüssigkeiten des Trägers. Anderseits verfolgt die Öffentlichkeit über die Berichterstattung, wie schnell eine Ansteckung vonstatten gehen kann.
Die infizierte Krankenpflegerin hatte allerdings, worauf Medienberichte hinweisen, intensiven Kontakt mit dem Ebola-Patienten, der vergangene Woche starb. Bei dem Mann wurde zum Beispiel eine Nieren-Dialyse durchgeführt - es gab viele Gelegenheiten zur körperlichen Nähe und damit Übertragungsmöglichkeiten, wird berichtet. Laut dem Chef der Gesundheitsüberwachungsbehörde CDC, Frieden, wurde die Pflegerin rasch, nachdem sie Fieber gemeldet hatte, isoliert. Man sei nun dabei zu überprüfen, ob noch sich weitere Pfleger angesteckt haben. Ausgeschlossen sei dies nicht.
In den USA sollen nun nach dem John F. Kennedy-Flughafen in New York weitere Flughäfen - Newark, Washington, Chicago und Atlanta - die Kontrollen von Einreisenden aus westafrikanischen Ländern verstärken; hauptsächlich wird in diesem Zusammenhang Fiebermessung genannt. Geht es nach einer Studie, finanziert von der WHO, von der die LA-Times berichtet, so herrscht zwar unter den medizinischen Forscher Einigkeit darüber, dass Fieber das Signal ist, das auf jeden Fall zu beachten ist. Allerdings sei die Annahme, wonach ansteckend nur derjenige Ebola-Virusträger sei, der Fiebersymptome habe, nicht als absolut zu nehmen.