Ehemaliger US-Präsident in Kuba
James Carter traf am Sonntag in Havanna ein. Besichtigung biomedizinischer Labors geplant
Vor über 70 Jahren, am 16. Januar 1928, traf der damalige amerikanische Präsident Calvin Coolidge in Havanna ein, um auf einem Treffen der amerikanischen Staaten zu sprechen. Bis zum gestrigen Sonntag sollte ihm kein ehemaliger oder amtierender US-Präsident folgen.
Trotz der jüngsten Angriffe Washingtons gegen die kubanische Regierung ist der von 1977 bis 1981 amtierende US-Staatschef James Carter am Sonntag zu einem fünftägigen Besuch in der Hauptstadt des Inselstaates, Havanna, eingetroffen. Carter, der nach eigenen Angaben für seine Stiftung, das Carter Center, "als Privatmann" reist, wird bis zum Ende der Woche Gespräche mit Vertretern aus Politik und Wissenschaft führen. Der Besuch findet wenige Tage statt, nachdem die Bush-Regierung Kuba beschuldigt hat, an biologischen Kampfstoffen zu forschen. Die Anschuldigungen hatten in den USA selber heftigen Widerspruch provoziert.
James Carter trat schon während seiner Amtszeit für eine Lockerung des Anfang der 60er Jahre verhängten Handelsembargos gegen Kuba ein, konnte sich damals aber nicht gegen die exilkubanische Lobby im Bundesstaat Florida durchsetzen. Nach der Übernahme des Präsidentenamtes durch Ronald Reagan 1982 wurde der Kurs gegen den Inselstaat wieder verschärft, Anlass dafür war die fortgesetzte Stationierung kubanischer Soldaten in Angola.
"Seit der Unabhängigkeit Kubas ist über ein Jahrhundert vergangen", erklärte Carter vor seiner Abreise aus Washington, "und unsere beiden Länder haben es in dieser Zeit nicht geschafft, zu einer normalen, geschweige denn konstruktiven Beziehung zu finden."
In den USA hatten rechtsextreme Exilkubaner bis zum letzten Moment versucht, den Besuch zu verhindern. Exilkubanische Abgeordnete forderten von der Regierung George Bushs zuletzt sogar, dem 39. Präsidenten der Vereinigten Staaten die Ausreisegenehmigung zu entziehen. Die militanten Gegner der Regierung Castro fürchten einen Imagegewinn für dessen Regierung, wie er bereits nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II 1998 zu verzeichnen war.
Fidel Castro hatte den Ex-Präsidenten im vergangenen Oktober eingeladen, als sich die beiden Politiker bei der Beisetzung des ehemaligen kanadischen Premierministers Pierre Elliot Trudeau trafen. Carter machte die Reise jedoch von der Entscheidung Bushs abhängig, der dem Antrag auf ein Visum Anfang des Monats stattgab. US-Bürger benötigen vor einer Einreise nach Kuba aufgrund der Embargobestimmungen eine Sondergenehmigung.
Bilaterale Abkommen stehen während des Aufenthaltes Carters nicht auf dem Plan, wichtig ist die symbolische Wirkung, zumal die Beschuldigungen Washingtons, Havanna forsche an biologischen Kampfstoffen und stelle entsprechende Technik sogenannten Schurkenstaaten zur Verfügung, erst wenige Tage alt ist. Beleg dafür sei die hochentwickelte biomedizinische Industrie des sozialistischen Staates.
Der Darstellungen widersprachen renommierte US-Politiker. Der ehemalige Leiter der US-Interessenvertretung in Havanna, Wayne Smith, bezeichnete die Vorwürfe als "völlig haltlos". Jährlich durchliefen hunderte internationale Forscher kubanische Labore, so Smith. Der Vorwurf sei nicht nur politisch nicht nachvollziehbar, Entwicklungen an diesen Waffen hätten zudem kaum geheimgehalten werden können.
Auch auf dem Programm James Carters steht auch ein Besuch des Zentrums für Gen- und Biotechnik. Man werde ihm Zugang zu allen Laboren verschaffen, versprach Fidel Castro in seiner Begrüßungsrede. Carter selbst hat Zweifel an der Richtigkeit der Vorwürfe der US-Regierung geäußert, dass Kuba ein Biowaffen-Programm habe und terroristische Aktivitäten in diesem Rahmen unterstützte. Carter verlangt Beweise, US-Außenminister Powell hat die Vorwürfe allerdings schon wieder entschärft: "Wir haben nicht gesagt, dass sie wirklich Waffen haben, sondern nur, dass Kuba die Kapazitäten und die Möglichkeiten besitzt, solche Forschungen durchzuführen."
Mit Spannung erwartet wird die Rede des ehemaligen US-Präsidenten am Dienstag in der Universität von Havanna. Die Rede wird vom kubanischen Fernsehen live übertragen. Bereits im Vorfeld des Besuches hatte Fidel Castro dem bislang ranghöchsten US-Besucher nach der Revolution 1959 angeboten, auf dem "Platz der Revolution" zu sprechen: "Wir füllen den Platz mit Kubanerinnen und Kubanern, und Herr Carter kann vor ihnen sagen, was er will, denn wir haben keine Angst vor Kritik."