Ein Kolonialbeamter im Stillstand der Zeit
Seite 2: Der Platz der Macht
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Diese von Benoît Magimel gespielte Politiker-Figur ist das Tollste in diesem tollen Film. Ein Mann, der die Technik, immer am richtigen Ort zu sein und trotzdem freundlich-passiv zu wirken, perfektioniert hat, der fortwährend sich selbst und uns erklärt, wie Politik funktioniert, der zugleich höflich und bestimmt ist.
Auch wenn wir nie genau wissen, was er wirklich denkt oder fühlt, so bewirkt die Art und Weise, wie er versucht, diesen Platz der Macht, den er einnimmt, zu inszenieren, durchsetzt mit einer persönlichen und menschlichen Dimension in den Begegnungen, dass wir Zuschauer uns nie völlig distanziert von ihm verstehen.
Pacifiction spielt auch auf sehr kluge Weise mit einigen Codes des Spionagekinos und großen politischen Plots, ohne dass wir jemals wissen, ob die Figuren tatsächlich in einer Erzählung leben, die diese Aspekte beinhaltet, oder ob sie sich nur einbilden, an einer solchen teilzunehmen.
Es ist ein Film, der mit großer Intelligenz und Selbstbewusstsein mit der Idee des "Exotismus" umgeht, die so sehr die Art und Weise bestimmt, wie wir uns heute sehen, und uns selbst leicht untersagen, einen unbefangenen, neugierigen und aneignenden Blick auf den Großteil der Welt zu werfen, etwa auf Geografie und Menschen der polynesischen Region. Serra macht nie einen Hehl daraus macht, dass er den fremden Blick seiner Figuren auf diese Region teilt.
Mythos des "Lost Paradies"
An Fassbinders Film Querelle wird man ebenso denken wie an Claire Denis' filmische Wanderungen auf den Spuren von Joseph Conrad ("La folie Almeyer") und Rudyard Kipling, vor allem aber an Francis Ford Coppola, Chantal Akerman und Lucrezia Martels Zama, in dem auch ein Kolonialbeamter im Stillstand der Zeit im Zentrum stand: Exotistische Fantasie und lüsterner Tagtraum mischen sich in Pacifiction mit kühler Analyse.
Pacifiction taucht in den Mythos des "Lost Paradies" ein. Dessen Entmystifizierung interessiert ihn nicht. Eher übernimmt er ihn.
Geheime Agenda
De Roller will in Polynesien eigentlich nur seine Ruhe haben, aber er hat auch seine Prinzipien und als einerseits die Einheimischen mehr Unabhängigkeit fordern, andererseits merkwürdige Aktivitäten des französischen Militärs in seinem Terrain zu beobachten sind, bei denen es um Atom-U-Boote geht, versucht er sich selbst ein Bild zu machen.
Schnell versteht er: Jeder hier hat eine zweite geheime Agenda. So wird Pacifiction zu einem romantischen Politthriller.
Albert Serra gelingt in seinem bisher narrativsten Film ein Märchen, eine koloniale Fantasie – ein wunderbarer Film, der aus der einzig möglichen, der europäischen Perspektive auf den globalen Süden blickt, und in sinnlicher Form klarmacht, dass alle Vorstellungen von Unschuld und Paradies nur unsere Konstruktionen sind.
Und ewig ruft das Meer ...
An diesem Donnerstag und Freitag finden mehrere Filmpremieren in Anwesenheit des Regisseurs statt:
Hamburg: Zeise Kinos Hamburg-Premiere mit Albert Serra, moderiert von Matthias Elwardt (2.2., 19.30 Uhr in OmeU)
Berlin: Kino International Premiere mit Albert Serra, moderiert von Lilith Stangenberg (3.2., 17 Uhr in OmeU)
Berlin: Filmrauschpalast mit Albert Serra, moderiert von Anna Bitter (3.2. 19 Uhr in OmeU)
Berlin: Wolf Kino mit Albert Serra, moderiert von Mark Peranson (3.2. 20.30 Uhr in OmeU)