Ein Libertärer im "Sozialismus des 21. Jahrhunderts"?

In der FDP plädiert bislang nur eine Minderheit für ein Asylangebot an den NSA-Whistleblower Edward Snowden - dabei deuten alte Chat-Protokolle darauf hin, dass er der Partei wirtschaftspolitisch deutlich näher stehen könnte als den Regierungen von Venezuela, Nicaragua und Bolivien

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Von den Vertretern der deutschen Bundesregierung sprach sich nicht nur Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) klar gegen eine Aufnahme des NSA-Whistleblowers Edward Snowden aus, sondern auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP): Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die USA "enge Verbündete", "Freunde" und ein "Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz" seien. Außerdem würden sich die "dunklen Wolken der Abhöraffäre wieder vom Himmel verziehen".

Im Bundesvorstand der FDP ist man da teilweise anderer Meinung: Als erster an die Öffentlichkeit wagte sich letzte Woche Lasse Becker, der Vorsitzende der FDP-Nachwuchsorganisation Junge Liberale. Becker verlautbarte, er halte Asyl für den Whistleblower für "durchaus angemessen", weil die US-Regierungen ihre "Freunde [...] nicht wie Terroristen behandeln" dürften. Ihm folgte der hessische Justizminister Jörg Uwe Hahn, der einen "sicheren Aufenthalt" für Snowden forderte, den man beispielsweise als Zeugenschutz gestalten könne. Dieser Meinung schloss sich am Wochenende auch der Bundestagsabgeordnete Hartfrid Wolff an.

Lasse Becker. Foto: Marcus Gloger.

Dass diese Position im Bundesvorstand der FDP zur Mehrheit wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Das könnte relativ kurz vor der Bundestagswahl eine Regierungskrise auslösen, an der auch eher überwachungskritische FDP-Führungskräfte wie die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wenig Interesse haben. Die Äußerungen der Minderheit könnten jedoch dafür sorgen, dass die FDP bei den Wählern an Sympathie gewinnt: Immerhin ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Emnid unlängst, dass Edward Snowden für die Hälfte der Deutschen ein "Held" ist und dass 35 Prozent von sich behaupten, sie würden ihn in ihrer Wohnung verstecken, wenn es darauf ankäme.

Auch alle anderen europäischen Regierungen lehnten das Asylgesuch Snowdens ab oder ließen es unbeantwortet. Eine klare Zusage bekam der Whistleblower bislang nur aus Venezuela. Nicaragua und Bolivien äußerten zwar einen grundsätzlichen Willen zur Aufnahme, betonten aber gleichzeitig (ohne ins Detail zu gehen), dass es Umstände geben könne, die ihr entgegenstehen.

Dabei würde Snowden möglicherweise wesentlich besser zur FDP passen, als nach Venezuela, wo ein "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" propagiert wird. Das legen zumindest alte Web-Postings und Chat-Protokolle nahe, in denen sich der Elektrospion Snowden als Anhänger von Ron Paul und dem Goldstandard gibt. Von der staatlichen US-Rentenversicherung hielt er diesen Protokollen nach sehr wenig. Diese Rente führt seiner Ansicht nach nur dazu, dass alte Leute passiv werden und nicht mehr für sich selbst sorgen. Als Beleg für die Richtigkeit seiner Sicht nennt er seine Großmutter, die 83 Jahre alt sei und sich mit einem Friseursalon selbst versorge. Außerdem zeigt er sich als Verfechter des 2. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten, der das Tragen von Waffen erlaubt.

Allerdings könnte Snowden seine Meinung auch geändert haben. Andere Chat-Exzerpte legen nahe, dass solch ein Wandel zumindest in der Haltung zum Whistleblowing geschah: Noch im Januar 2009 schimpfte er öffentlich gegen WikiLeaks und das Veröffentlichen geheimer Dokumente, das andere User damals eher kalt ließ. Die Informanten, so Snowden damals, sollte man "in die Eier schießen". Gleichzeitig zeigte er Verständnis für George W. Bushs Abhöranordnungen ohne richterliche Genehmigung und wünschte der New York Times den Bankrott an den Hals.

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