Während Deutschland plant, überholt uns die Welt

Ein Stapel Akten auf einem Schreibtisch - Sinnbild für Deutschlands Bürokratie.

(Bild: Fevziie / Shutterstock.com)

Deutschland will eine Billion Euro in Infrastruktur und Militär investieren. Doch bürokratische Hürden bremsen. Ob das Geld rechtzeitig fließt, bevor andere Länder uns abhängen?

Deutschland steht vor einem gewaltigen Investitionsschub. Der vermutlich nächste Bundeskanzler, Friedrich Merz, hatte sich vor wenigen Wochen die politische Unterstützung für einen großangelegten Plan zur Erhöhung der Investitionen in die Infrastruktur und das Militär gesichert. Bis zu einer Billion Euro sollen in den kommenden Jahren fließen, 500 Milliarden Euro davon aus einem Sonderfonds für die Infrastruktur.

Schuldenbremse gelockert, Geld ist da – aber der Staat ist zu langsam

Doch jetzt muss Merz das Geld auch ausgeben. Und das sei in einem Land, das oft Schwierigkeiten habe, Dinge zu erledigen, nicht einfach, heißt es bei Bloomberg. Auch wenn die mühsamen Koalitionsgespräche in den kommenden Wochen abgeschlossen sind, wird es danach nicht einfach für Merz, Projekte umzusetzen.

Nicht nur das Parlament hat seine Augen darauf, was mit den Sonderschulden getan wird. Es folgen auch bürokratische Entscheidungen über die Umsetzung, die alle durch begrenzte Kapazitäten verlangsamt werden. Werner Gatzer, ehemaliger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, warnt laut Bloomberg: "Das Geld ist jetzt verfügbar. Der nächste Schritt muss die Reform des Staates selbst sein."

Druck wächst: Gelder müssen schnell fließen

Die Zeit drängt für das politische Berlin: US-Präsident Donald Trump will aus dem Krieg in der Ukraine aussteigen und Deutschland stärker in die Pflicht nehmen, die Sicherheit in Europa zu gewährleisten. Und dafür sind nur fünf bis sieben Jahre Zeit. Davon gehen zumindest Militärplaner aus, nach deren Meinung bis dann eine glaubwürdige Abschreckung gegen Russland stehen muss. Ob sie wirklich benötigt wird, steht auf einem anderen Blatt.

Auch wirtschaftlich kann sich Deutschland kein Weiterso leisten. Schon heute hinkt das Land in einigen Branchen bei Technologien hinterher. Der Glaube an die Globalisierung hat die Bundesrepublik anfällig für äußere Schocks gemacht. Das wird nicht nur beim Handelsprotektionismus der USA deutlich, welcher der deutschen Volkswirtschaft wohl 200 Milliarden Euro kosten wird. Auch bei Medikamenten und bei erneuerbaren Energien kann Deutschland längst nicht mehr auf eigenen Beinen stehen.

Gelingt es der künftigen Bundesregierung nicht, die bürokratischen Hürden abzubauen, könnte aus der finanziellen Sintflut ein Rinnsal werden. Und das könnte dazu führen, dass die rechtspopulistische AfD weiteren Zulauf erhält.

Langsamer Start: Volle Wirkung erst 2027 erwartet

Ökonomen erwarten laut Bloomberg, dass die Konjunkturmaßnahmen erst 2027 ihre volle Wirkung entfalten werden – wenn die bis zu vierjährige Amtszeit von Merz zur Hälfte abgelaufen sein wird. Die Deutsche Bank schätzt demnach, dass die Infrastrukturausgaben im Jahr 2026 insgesamt 30 Milliarden Euro betragen werden. Sie würden sich dann 2027 auf 60 Milliarden Euro verdoppeln, bevor sie 2028 wieder auf 40 Milliarden Euro sinken würden.

Ein Grund für die Verzögerungen sind die langwierigen Beschaffungs-, Genehmigungs- und Planungsprozesse in Deutschland, die oft viel mehr Zeit in Anspruch nehmen als der eigentliche Bau. Das Land ist an jahrzehntelange Bauprojekte gewöhnt, wie den Bau des Flughafens Berlin-Brandenburg und die noch immer nicht abgeschlossene Modernisierung des Stuttgarter Bahnhofs.

Flüssiggas-Terminals als Vorbild für schnelles Handeln?

Dass Deutschland schnell handeln kann, wenn es will, zeigt etwa das Beispiel der Errichtung von LNG-Terminals in Rekordzeit. Doch das wird nur als ein Sonderfall angesehen, der durch eine Notlage zustande kam. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurde der Gasfluss aus Russland gestoppt, was einen erheblichen Anstieg der Gaspreise in Deutschland zur Folge hatte.

Was Gatzer jetzt vorschlägt, könnte zwar das Tempo für den Bau von Infrastruktur beschleunigen. Aber demokratische Mitbestimmung wäre dann kaum noch möglich; das Volk würde dann kaum noch gehört. Man solle sich laut Gatzer, berichtet Bloomberg, darauf konzentrieren, Einsprüche zu begrenzen; Verfahrensprozesse außerkraftsetzen; und den Druck von Verbänden und Protesten zu beschränken.

Arbeitskräftemangel bremst Ausgaben

Ein weiteres Problem ist der Arbeitskräftemangel, insbesondere in der Bauindustrie. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, warnt:

Wenn wir uns die Bauindustrie ansehen, so ist sie derzeit voll ausgelastet. Es gibt Bedenken, dass mehr Geld, das in die Branche gesteckt wird, die Preise in die Höhe treiben wird.

Flexiblere Arbeitszeiten und die Priorisierung der Digitalisierung in der öffentlichen Infrastrukturverwaltung könnten laut Stefan Kolev, Direktor des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft, dazu beitragen, einige Engpässe zu beseitigen, heißt es bei Bloomberg. Auch wachstumsfreundliche Reformen wie eine arbeitsmarktorientierte Zuwanderung oder Anreize für ältere Menschen zu arbeiten, werden von Ökonomen gefordert.