Eine Liebeserklärung an die Natur

Im Videospiel "Ökami" wird der Pinsel geschwungen

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Entwickler von Action-Adventures, die nicht den Blick über den Tellerrand wagen, produzieren meist öde Games. Dass in dem Genre zugleich noch Potenzial steckt, beweist das Clover Studio. Ihr Videospiel "Ökami" verblüfft mit einem simplen, aber imposanten Ansatz: Malen.

Die Kämpfe in den ersten Stunden sind keine große Herausforderungen. Auch später lassen sich die Gegner mit den geeigneten Mitteln ziemlich flott ins Jenseits befördern.

Die Kraft der Baumgöttin Sakuya hat im Lauf der Zeit nachgelassen. Nun, da eine dämonische Macht den Himmel über dem Land Nippon hat dunkel werden lassen, erweckt Sakuya eine aus Legenden bekannte Wölfin aus ihrem Tiefschlaf. Schließlich haust in dem Körper des Tieres der Ursprung alles Guten: Amaterasu, die Sonnengöttin. Leider kann sie sich nicht artikulieren. Umso besser, dass Issun, ein kleines grünes Etwas, das von sich behauptet, ein wandernder Künstler zu sein, dem Vierbeiner von jetzt an nicht mehr von der Seite weicht und nicht auf den Mund gefallen ist.

Gemeinsam macht sich das ungleiche Duo auf den Weg, um wieder Licht in die Welt zu lassen. Das klingt altbacken, ist jedoch in puncto Gameplay etwas ganz besonderes. Ein Beispiel: Im Dorf Kamiki, das direkt nach der ausgiebigen Einleitung erkundet wird, will eine alte Frau leckeren Kirschkuchen backen, weil man ihre Wäsche getrocknet hat. Alles, was der Spieler dafür getan hat, war nicht mehr als das Zeichnen einer Stange und einer Sonne. Das geschieht, indem man die Spielumgebung via Schultertaste des Controllers in eine sepiafarbene Leinwandzeichnung verwandelt, auf der mit einem Pinsel Punkte, Striche und Kreise gemalt werden.

Soll der Baum wieder blühen und Früchte tragen, kommt der Pinsel zum Einsatz: Mit einem gezeichneten Kreis um die Baumkrone wird wieder alles bunt.

So lassen sich mit dem Pinsel sowohl Hindernisse wie Steinwände überwinden, effektive Feuerwerksbomben kreieren als auch gegnerische Angriffe abwehren. Was nach einem digitalen Malkurs klingt, fügt sich kongenial ins Geschehen ein und macht "Ökami" zum Schönsten, was man seit langem gezockt hat. Das ausgefallene Action-Adventure bietet ein buntes Meer aus japanischer Zeichenkunst und Mythologie. Im Grunde geht es nämlich darum, mit insgesamt 13 zu erlernenden Techniken die Landschaft zum Blühen zu bringen - grüner war der Daumen nie.

Wenn man sieht, wie plötzlich ein Sturm aus bunten Blättern Wege, Wiesen und Felder wieder in satten Farben erstrahlen lässt, erinnert es an jene magischen Momente, die Hayao Miyazaki in seinen Animationsfilmen ("Die letzten Glühwürmchen", "Prinzessin Mononoké", "Chihiros Reise ins Zauberland", u.a.) hat aufleben lassen. Somit liefert auch das Clover Studio eine Liebeserklärung an die Natur und ihre Pracht. Doch allein das wäre zu eindimensional. Also dringt ab und zu sogar verdeckte Kritik durch. "Es scheint, die Götter sind so schwach geworden, dass Menschen sie nicht mehr sehen können", sagt Issun kurz nach dem Amaterasu ein paar Monster zur Strecke gebracht hat. Diese Äußerung lässt sich gut auf unsere technikgeile Welt übertragen. Zwischen Handy, iPod und YouTube bleibt für Götter wohl kaum noch Zeit. Stattdessen treten wir die Natur mit unseren Füßen.

Typisch japanisch: Je weiter das Heldenduo vorankommt, desto größer und resistenter werden die Gegner.

Ohne den Charakter Issun wäre "Ökami" längst nicht so unterhaltsam, wie es ist. Denn irgendwann, wenn Amaterasu wieder einmal etliche Gegner aus dem Weg geräumt hat, liefert Issuns Kommentar die nötige Portion Humor mit: "Du wirst ganz schön wild, wenn du wütend wirst, oder?". Und dies ist nicht das einzige Mal, dass der Spieler schmunzeln muss. Auch andere Figuren wie etwa Susano sorgen für Lacher. Susano behauptet von sich, dass er ein mutiger Krieger ist. In Wahrheit versteckt er sich jedoch vor der Bedrohung. Damit sein Selbstbewusstsein nicht vollends den Bach hinuntergeht, hilft Amaterasu mehrmals nach.

Sicher, nach einigen Stunden hat man sich an das Game mit seiner ungewöhnlichen Grafik zwischen Aquarellmalerei und Comic sowie dem künstlerischen Ansatz gewöhnt. Nervig kann daneben sein, dass die Charaktere ihre Dialoge nicht wirklich sprechen, sondern jeder Satz wie ein fremd gemachtes japanisches Gelaber klingt, wie es von so vielen Nintendo-Games her bekannt ist. Allerdings bindet die epische Geschichte den Spieler so rasch ein, dass er weiterzocken will. Allein dafür muss man den Entwickler dankbar sein. Irgendwie scheint es, als wären die Götter am Ende doch wieder stärker geworden. Und sei es bloß auf dem Bildschirm...