Eine Mehrheit der Europäer glaubt nicht, in einer Demokratie zu leben
Seite 2: Der massive Einfluss der Reichen auf die Politik
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Das entspricht den Werten von vielen westeuropäischen Ländern wie Frankreich. Demgegenüber würden 32 Prozent einen autoritären Führer und 19 Prozent eine Militärregierung akzeptieren.
Man sieht an den Studienergebnissen, dass die Bindung der Bürger:innen an das demokratische System schwindet, je stärker der Eindruck entsteht, dass Parlamente und Regierungen nicht für die Bevölkerung arbeiten, sondern primär für Lobbys und Eliten mit Machtzugang. Das ist eine Gefahr, insofern es den Wunsch befördert, dass jemand kommen sollte, um das Land autoritär anzuführen, damit es wieder "funktioniert". Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch, siehe Donald Trump, in den USA.
Der Grund für das wachsende Misstrauen gegenüber der real-existierenden Demokratie ist durchaus nachvollziehbar und besitzt eine Basis. So hat der Politikwissenschaftler Martin Gilens mit einem Team von der Princeton University für die Vereinigten Staaten herausgearbeitet, dass die unteren 70 Prozent der Bevölkerung keinerlei Einfluss auf die Politik haben, während der Einfluss zunimmt, je höher man die Einkommensleiter aufsteige. Eine Untersuchung für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat 2016 ähnliche Ergebnisse für Deutschland ergeben.
Danach hatten die oberen zehn Prozent auf der Einkommensskala massiven Einfluss auf die politischen Entscheidungen im Untersuchungszeitraum 1998 bis 2013, wohingegen das Votum des unteren Zehntels praktisch keine Rolle spielte. Ihr Votum ist sogar, wenn ein Meinungsstreit mit dem obersten Zehntel besteht, negativ mit Gesetzesvorhaben korreliert:
Das für die USA nachgewiesene Muster von systematisch verzerrten Entscheidungen trifft auch auf Deutschland zu.
Die empirischen Ergebnisse der Forscher:innen zeigen, dass die Europäer einen wesentlichen Punkt treffen, wenn sie das Gefühl ausdrücken, nicht in einer Demokratie zu leben. Damit sich die real-existierenden Demokratien wiederbeleben können, muss sich also zuerst einmal die Politik ändern: weg von den Spezialinteressen der oberen Schichten, hin zu den gemeinwohlorientierten Bedürfnissen einer Mehrheit der Bürgerinnen. Das würde Vertrauen schaffen.
Die Alternative wäre eine weitere Erosion nicht nur des Vertrauens ins politische System, sondern auch in die Idee der Demokratie insgesamt. Und wo das enden könnte, dafür gibt es in der Geschichte genügend Anschauungsmaterial.