Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Ver.di stellt sich bei Kündigungen vor Betroffene
Die Gewerkschaft warnt vor einer Verschärfung des Pflegenotstands und plädiert für Aufklärung
Innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurde kontrovers über die einrichtungsbezogene Covid-19-Impfpflicht für medizinische Berufsgruppen diskutiert – nicht zuletzt wegen absehbarer Kündigungen, die den Pflegenotstand verschärfen könnten. Viele Pflegekräfte erwägen ohnehin wegen schlechter Personalschlüssel oder schlechter Bezahlung ihren Ausstieg aus dem Beruf.
Im ver.di-Bundesvorstand hat sich unter anderem deshalb die Auffassung durchgesetzt, dass sich die Gewerkschaft im Fall von Kündigungen durch den Arbeitgeber wegen fehlender Impfnachweise vor die Betroffenen stellen muss – obwohl sie sich selbst deutlich für Impfungen gegen das Coronavirus ausspricht.
Da es in manchen Fällen auch von Geimpften weitergegeben wird, sind regelmäßige Tests in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen ohnehin unverzichtbar.
Bei Aufklärung noch "Luft nach oben"
"Aus unserer Sicht darf wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht niemandem gekündigt werden", sagte die Gesundheitsexpertin im ver.di-Bundesvorstand, Sylvia Bühler, am Freitag den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Freitag. Niemand dürfe dem Gesundheitswesen ganz verloren gehen, hier würden alle Arbeitskräfte gebraucht. "Daher: Kündigungen dürfen nicht ausgesprochen werden. Das ist unsere politische und juristische Auffassung." Bei der Aufklärung zum Thema Impfungen sei "noch Luft nach oben", meint Bühler.
Erste juristische Auseinandersetzungen sind absehbar: Bis zum 15. März müssen Beschäftigte des Gesundheits- und Pflegebereichs nachweisen, dass sie gegen das Coronavirus geimpft oder davon genesen sind. Aus einem Informationsblatt des Deutschen Hausärzteverbandes geht hervor, dass Beschäftigte in Hausarztpraxen, die nach Inkrafttreten der einrichtungsbezogenen Corona-Impfpflicht keinen solchen Nachweis vorlegen können, müssen mit einer Abmahnung und in letzter Konsequenz mit ihrer Entlassung rechnen.
Falls Beschäftigte den Nachweis verweigerten, könne das Gesundheitsamt ihnen verbieten, die Arztpraxis zu betreten, heißt es in dem Informationsblatt auf der Internetseite des Hausärzteverbandes. "In diesen Fällen dürfte im Ergebnis für betroffene Arbeitnehmende der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen."
Impfpflicht betrifft auch Reinigungskräfte und Hausmeister
Wenn sie sich dauerhaft weigerten, einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein Attest vorzulegen, wonach eine Impfung aus medizinischen Gründen nicht angezeigt sei, könne als letztes Mittel eine Kündigung in Betracht kommen, erklärt der Verband. "Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfte hier jedoch regelmäßig zunächst eine Abmahnung erfolgen müssen."
Die Impfpflicht gilt demnach nicht nur für das medizinische Personal in den Praxen, sondern auch für alle weiteren Beschäftigten wie etwa Reinigungskräfte und Hausmeister.
Der Praxisinhaber müsse über fehlende Nachweise ab dem 15. März sofort das Gesundheitsamt informieren. Beschäftigte, die trotz Anforderung des Gesundheitsamtes innerhalb einer angemessenen Frist keinen Nachweis erbrächten, müssten mit bis zu 2500 Euro Geldbuße rechnen.
Der Hausärzteverband geht aber nicht davon aus, dass viele Beschäftigte von Abmahnungen und Kündigungen betroffen sein werden. "Der überragend große Teil der Hausärztinnen und Hausärzte und des Praxispersonals haben sich bereits früh impfen lassen - sowohl aus Selbstschutz, als auch natürlich um die Patientinnen und Patienten zu schützen», sagte der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
"Daher wird die Zahl derer, die von den neuen Regelungen zur Impfpflicht in den Praxen betroffen sein werden, eher klein sein."