Einsatz von Spitzel Mark Kennedy als rechtswidrig eingestuft
Der britische Polizist bespitzelte anlässlich der G8-Proteste auch im Auftrag eines deutschen LKA Linke. Das Schweriner Verwaltungsgericht traf dazu nun eine Feststellung. Betroffene im Ausland erstritten bereits Schmerzensgeld.
Der Einsatz des britischen Polizeibeamten Mark Kennedy als Vertrauensperson beziehungsweise als verdeckter Ermittler des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommern war mangels Richtervorbehalt objektiv rechtswidrig. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichts Schwerin ist Jason Kirkpatrick sehr wichtig. Schließlich hat der langjährige Klimaaktivist und zeitweilige Vizebürgermeister von Arcata in Kalifornien dafür gekämpft.
Es war ein Schock für ihn, als sich der angebliche Freund und Genosse als Spitzel der britischen Polizei herausstellte. Er gab sich als linker Aktivst mit guten Kontakten in die außerparlamentarische Szene verschiedener Länder aus. Nach seiner Enttarnung war die Empörung bei vielen Linken groß.
Kirkpatrick, der für die breite Protestbewegung gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm Pressearbeit gemacht hatte, setzte sich besonders aktiv für die Aufklärung der Spitzelaffäre ein, nachdem Kennedy im Oktober 2010 enttarnt wurde.
Mit dem vor Gericht geschlossenen Vergleich zeigt er sich zufrieden: "Wir haben unser Ziel erreicht. Mit dieser Erklärung, dass das Ausspionieren durch Mark Kennedy in Deutschland illegal war, ist klar, dass der Staat Aktivistinnen und Aktivisten nicht mehr so ins Visier nehmen kann wie er das getan hat".
Kirkpatrick hofft vor allem, dass Klimaaktivisten in Zukunft von diesem Kampf gegen die staatlichen Eingriffe profitieren werden. Hierin bestand das zentrale Anliegen von Kirkpatricks langen Kampf um Gerechtigkeit. Finanzielle Kompensationen für die erlittene Menschenrechtsverletzung hatte er nie angestrebt. Andere machten von dieser Möglichkeit Gebrauch – Kennedy hatte unter falscher Flagge sogar intime Beziehungen mit Aktivistinnen geführt.
Behörden waren kaum an Aufklärung interessiert
In dem Verfahren zeigte sich auch, wie die zuständigen staatlichen Behörden in Großbritannien und Deutschland eine vollständige Aufklärung über die Ausmaße der Bespitzelung behinderten. "Akten wurden vernichtet oder aus angeblichen Sicherheitsgründen gesperrt", beschrieb Kirkpatrick, wie die Aufklärung des Spitzel-Einsatzes erschwert wurde.
So kam er auch nicht an die Daten, die in geheimen Sitzungen von Untersuchungsausschüssen verhandelt wurden. Die deutschen Behörden waren auch nicht bereit, die Akten aus Großbritannien hinzuziehen.
Weil die Staatsapparate in Deutschland und Großbritannien die Aufklärung boykottierten, konnte das Schweriner Verwaltungsgericht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob der Spitzel persönliche Informationen über Kirkpatrick an britische Polizeibehörden oder die Landespolizei von Mecklenburg-Vorpommern weitergegeben hat.
Das gilt auch für Informationen, über Aktivitäten anderer G8-Gegner, die Kirkpatrick mit seinem vermeintlichen Freund und Genossen Mark Kennedy geteilt hat. Das Gericht sah es nach Lage der Dinge als sehr wahrscheinlich an, dass diese Daten von dem Spitzel weitergeleitet wurden, konnte aber den letzten Nachweis nicht erbringen. In der Erklärung des Verwaltungsgerichts Schwerin heißt es dazu:
"Dem Gericht lagen dabei kaum Unterlagen vor. Nach Auskunft des Beklagten gegenüber dem Kläger im Jahre 2011 seien über den Kläger keine Daten gespeichert gewesen. Es blieb unklar, ob überhaupt Daten über den Kläger vorlagen und gegebenenfalls aufgrund gesetzlicher Vorschriften gelöscht worden waren. Darüber hinaus verweigerte der Beklagte die Vorlage von Aktenbestandteilen an das Gericht aus Geheimschutzgründen, weil weite Teile des Verwaltungsvorgangs sogenannten Sperrerklärungen unterlagen."
Für Kirkpatricks Richtanwälten Anna Luczak ist es keine Überraschung, dass die Behörden nicht besonders kooperativ bei der Aufklärung des Spitzelfalls waren. Dem Verwaltungsgericht Schwerin aber bescheinigt sie, dass es gute Arbeit geleistet hat.
Wie ihr Mandat sieht auch Luczak den Vergleich als Erfolg. Wäre er nicht zustande gekommen, hätte es eine Entscheidung des Gerichts gegeben, die völlig offen gewesen wäre. Luczak spricht hier von juristischem Neuland. Eine für Kirkpatrick positive Entscheidung wäre dann auch den durch die nächsten gerichtlichen Instanzen geprüft worden. Diesen zeitraubenden Weg habe ihr Mandant vermeiden wollen.
"Ich habe nicht genügend Zeit und auch nicht genügend Geld für Gerichtskosten, um hier noch weitere Aufklärung zu betreiben", so das Resümee von Kirkpatrick. Für ihn ist der lange Kampf um Gerechtigkeit beendet. In Großbritannien laufen noch zwei Verfahren wegen des Spitzeleinsatzes, der dort für großes Aufsehen auch in der linken und linksliberalen Öffentlichkeit gesorgt hatte. Untersuchungsausschüsse wurden eingerichtet. Mehrere Frauen, mit denen der Spitzel als vermeintlicher Genosse Beziehungen eingegangen war, bekamen Schmerzensgeld.
Weitere Polizeispitzel
Er war nicht natürlich nicht der einzige Untercover-Agent, der auf Linke angesetzt wurde. So wurde durch die Aussagen des Whistleblowers Peter Francis bekannt, dass er gemeinsam mit dem Spitzel Bob Lambert in den 1990er-Jahren in der antifaschistischen Szene Bayerns unterwegs war. Bekanntgeworden ist auch ein Polizeiagent mit dem Tarnnamen "Marco Jacobs", der den Protest gegen das G8-Treffen in Heilgendamm infiltriert hatte.
In den 1980er und 1990er-Jahren war Manfred Schlickenrieder auf die antiimperialistische Linke in verschiedenen westeuropäischen Ländern angesetzt. Dafür gründete er sogar eine Organisation, die sich "Gruppe 2" nannte. Die Enttarnung dieser Spitzel sorgte vor allen in der kleinen linken Szene für Aufregung, hatte aber keine gesellschaftlichen Folgen. Jason Kirkpatrick hat mit seiner Klage vor dem Schweriner Verwaltungsgericht daher Geschichte geschrieben.