"Er ist klein, aber nicht so klein"

In der Mordanklage gegen Phil Spector steht nach Ansicht der Verteidigung der Schuldige fest. Es ist Arnold Schwarzenegger.

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Am Montagmorgen beginnt die Jury mit ihrer Beratung: Ist Phil Spector des Mordes schuldig? Der 67jährige Musikproduzent ist angeklagt, am frühen Morgen des 3. Februar 2003 die 40jährige Schauspielerin Lana Clarkson in seinem Haus in Alhambra bei Los Angeles erschossen zu haben.

Die Staatsanwaltschaft behauptet, Spector habe Clarkson einen Revolver in den Mund gerammt und abgedrückt, weil sie auf seine sexuellen Avancen nicht eingehen wollte. Anschließend sei er mit der blutigen Tatwaffe in der Hand von seinem Chauffeur gesehen worden, zu dem er angeblich sagte: "Ich glaube, ich habe jemanden getötet."

Die Verteidigung hingegen beharrt darauf, dass die Beweislage für Spectors Unschuld spreche und dass Clarkson, die von einigen Zeugen als alkohol- und tablettenabhängig und deprimiert durch Finanz- und Karriereprobleme geschildert wurde, Spectors Villa als Kulisse für ihren Selbstmord gewählt habe: Spector sei davon überrascht worden, dass sein Gast plötzlich einen Revolver aus ihrer Handtasche zog, diesen küsste und sich dann damit in den Mund schoss.

"Die Regierung wollte diesen tragischen Tod zu einem Mordfall machen! Niemand wollte diese Dampfwalze aufhalten!", sagte Spectors Anwältin Linda Kenney-Baden in ihrem Schlussplädoyer. In Anspielung auf die Freisprüche in den Mordprozessen gegen O.J.Simpson und Robert Blake sprach sie von "der ersten Prominenten-Kerbe im Pistolengurt der Regierung", für die Spectors Verurteilung sorgen soll. Chef der angesprochenen Regierung ist der Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien, "Terminator" Arnold Schwarzenegger.

Die Aussage des brasilianischen Chauffeurs sei zweifelhaft, weil dieser des Englischen nur unvollkommen mächtig sei und er überdies von seiner Aussage direkt profitiert habe - damit er bis zum Prozess in den USA bleiben durfte, hatte die Staatsanwaltschaft die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis arrangiert.

Tatsächlich verfügt die Anklage gegen Spector über wenig handfeste Beweise. Auf der Tatwaffe, einem Colt Cobra Revolver Kaliber 38, fanden sich weder Fingerabdrücke noch genetische Marker von Spector, dafür jedoch Gen-Spuren von Clarkson.

Das elfenbeinfarbene Dinner-Jackett, das Spector in der Tatnacht trug, ist für seine Verteidigerin "das wohl wichtigste Beweisstück", es sei "der Beweis für Spectors Unschluld".

Die Staatsanwaltschaft hatte vorgebracht, dass die 18 kleinen Blutstropfen auf der rechten Seite des Kleidungsstücks ein Beweis dafür seien, dass Spector nur einen Meter von Clarkson entfernt stand, als der Schuss in Clarksons Mund losging. Kenney-Baden hingegen erklärte, unter Berufung auf die Zeugenaussagen mehrerer Forensik-Experten, die Entladung hätte "wie eine Bazooka" Blut und Gewebe aus Mund und Nase des Opfers geschleudert. Wenn Spector tatsächlich den Revolver in Clarksons Mund gerammt hätte, als er losging, wären Ärmel und Manschette viel stärker vollgespritzt worden.

"Diese Bereiche waren völlig unbefleckt."

Der Winkel des Schusskanals nach oben deute ebenfalls auf Spectors Unschuld hin: Clarkson saß in einem Sessel im Foyer von Spectors Villa, als sie starb."Spector hätte zwischen ihren Beinen knien müssen, um aus diesem Winkel schießen zu können."

"Er ist klein, meine Damen und Herren, aber er ist nicht so klein." Freilich überragte die erschossene Schauspielerin den 160 Zentimeter messenden Spector um Haupteslänge und war mehr als 20 Jahre jünger - wäre der Angeklagter körperlich überhaupt in der Lage gewesen, sich gegen sie durchzusetzen? Auch die Tatsache, dass unter Clarksons abgebrochenem Fingernagel kein Genmaterial von Spector gefunden wurde, macht einen Kampf weniger wahrscheinlich.

Die Anklagevertretung hatte während der viermonatigen Beweisaufnahme, in deren Verlauf fast 80 Zeugen ausgesagt hatten, vorwiegend auf Aussagen alter Freunde und Bekannter über Spectors Vorleben gesetzt.

Da war der Ex-Cop aus New York, der sich erinnerte, Spector in zwei Jahren hintereinander bei derselben Weihnachtsparty rausgeschmissen zu haben, weil er seine damalige Freundin Dorothy Melvin bedrohte: Beide Male sei Spector bewaffnet gewesen, habe Melvin als "Votze" beschimpft und schwadroniert, alle Frauen verdienten "eine Kugel durch den Kopf".

Und da war Melvin selbst, sowie vier weiter Zeuginnen der Anklage: Jede hatte eine Story, in der Phil Spector ihr eine Waffe gegen den Kopf drückte, weil sie ihm nicht zu Willen war. Wenn das alles zutrifft, dann hatte Spector seit gut 30 Jahren die Angewohnheit, sich mit Frauen zu treffen, sich zu betrinken und dann eine Waffe auf sie zu richten, sobald sie das Zusammensein beenden wollen.

Staatsanwalt Alan Jackson griff in seiner Schlussdarstellung ausführlich die Entlastungsindizien an, die Spectors Team präsentiert hatte. Er sprach von einer "Scheckbuch-Verteidigung": "Wenn man genug Anwälte beauftragt, die genug Experten beauftragen, denen genug bezahlt wird, dann kriegt man sie dazu, so gut wie alles zu sagen."

Phil Spector kam in den frühen 60er Jahren als "First Tycoon of Teen" zu Berühmtheit, als er mit seiner "Wall of Sound"-Aufnahmetechnik innerhalb von drei Jahren 23 Top-50-Hits für die US-Pop-Charts produzierte. Später arbeitete er unter anderem mit den Beatles, den Rolling Stones, den Ramones und Starsailor zusammen, war im Musikgeschäft weithin respektiert, konnte aber die Höhen des Erfolges vom Anfang seiner Karriere nie wieder wirklich erreichen.

Lana Clarkson spielte in B-Movies wie "Barbarian Queen" und "Amazonen auf dem Mond" und begeisterte die Teilnehmer auf Fankongressen für solche Filme, doch den Sprung zum Star auf den Massen-Markt schaffte sie nie. Aus Mangel an Rollenangeboten arbeitete sie am Ende ihres Lebens für neun Dollar pro Stunde als Hostess im V.I.P.-Raum des "House of Blues" am Sunset Strip. Dort hatte sie in ihrer Todesnacht Phil Spector kennen gelernt. Nach Feierabend war sie in Spectors Limousine gestiegen und hatte sich zu seiner Villa fahren lassen.

Im Falle eines Schuldspruchs droht Spector eine Gefängnisstrafe zwischen 15 Jahren und lebenslänglich.