Erneutes Gerichtsverfahren gegen ukrainischen Kriegsdienstverweigerer
Ruslan Kotsaba: Er hat das Pech, beim Bündnispartner der EU, in der Ukraine, verfolgt zu werden. Wäre er Russe, wäre das Interesse größer
Aktuell ist das Interesse am Schicksal des rechtsgerichteten russischen Oppositionellen Nawalny vor allem in Deutschland groß. Wesentlich weniger Schlagzeilen macht der erneute Gerichtsprozess gegen den ukrainischen Pazifisten Ruslan Kotsaba, der am vergangenen Freitag in der westukrainischen Stadt Kolomyjo stattfand.
Auf dem Weg zum Gerichtssaal wurde Kotsaba von ukrainischen Ultranationalisten bedroht, die in den sozialen Medien bereits angekündigt hatten, Kotsaba durch eine "Straße der Schande" zu jagen.
Den Zorn der ukrainischen Rechten hat sich der christliche Pazifist Kotsaba zugezogen, als er im Januar 2015 in einem Beitrag auf YouTube seine Kriegsdienstverweigerung so erklärte:
"Ich weiß, dass die Mobilisierung unter Kriegsrecht erklärt wird. Ich gehe lieber ins Gefängnis als jetzt in den Bürgerkrieg, um meine Landsleute, die im Osten leben, zu töten."
Ukraine: Rechte haben noch immer viel Einfluss
Einige Wochen später wurde er festgenommen und wegen "Landesverrats" sowie "Behinderung der rechtmäßigen Aktivitäten der Streitkräfte der Ukraine" angeklagt. Nach 16 Monaten Untersuchungshaft unter erschwerten Bedingungen verurteilte ihn das Gericht zu dreieinhalb Jahren Haft. Das Berufungsgericht sprach ihn kurze Zeit später frei. Ein Spezialgericht für Zivil- und Kriminalfälle hatte bereits im Jahr 2017 den Freispruch aufgehoben und eine Wiederholung des Verfahrens angeordnet. Der Prozess hat nun begonnen.
Mit seiner Weigerung, sich an der militärischen Auseinandersetzung zu beteiligen, stellte sich Kotsaba gegen die Politik des rechten ukrainischen Blocks, der seit 2014 auch in Teilen der Staatsapparate fest verankert ist. Sie wollen auch mit militärischen Mitteln die mit Hilfe Russlands abgespaltenen Gebiete in der Ostukraine und am liebsten auch die Krim zurückerobern.
Die ukrainischen Nationalisten sind in ihrer Aktionsbereitschaft eingeschränkt, weil auch die Verbündeten der Ukraine in den USA und der EU trotz aller militärischen Rhetorik kein Interesse an einem Krieg mit Russland in Osteuropa haben.
Doch in der ukrainischen Innenpolitik haben die Rechten noch immer viel Einfluss, was der erneute Prozess und die nationalistischen Drohungen gegen Kotsaba zeigten.
Solidaritätsaktionen in Deutschland
Am vergangenen Freitag gab es in Berlin und einigen anderen Städten kleine Solidaritätsaktionen für Kotsaba. Lothar Eberhard von der Berliner Initiative Freiheit für Ruslan Kotsaba hat die Solidaritätsaktionen unter dem Motto "Kriegsdienstverweigerung ist kein Verbrechen" wesentlich organisiert. Daneben haben in mehreren Städten christliche und pazifistische Initiativen Solidaritätsaktionen mit Kotsaba organisiert.
2019 sollte Kotsaba den Aachener Friedenspreis bekommen. Doch der Vereinsvorstand, der den Preis vergibt, entschied sich kurzfristig dagegen, nachdem ein Video von 2012 bekannt geworden war, in dem Kotsaba die Juden mit für den Holocaust verantwortlich machte. Von dieser Passage, die aus dem Video rausgeschnitten wurde, hat sich Kotsaba mittlerweile klar distanziert.
Im Fall von Nawalny ist es kein Solidaritätshindernis, dass der russische Oppositionelle noch vor einigen Jahren offen gegen Migranten aufgetreten ist und sich auch an rechten Aufmärschen beteiligt hat. So drängt sich eher der Eindruck hat, die Unterstützung für den ukrainischen Pazifisten ist deshalb so bescheiden, weil er in einem Land als Oppositioneller agiert, das historisch und aktuell eng mit Deutschland verbunden ist. Wäre er in Russland in der Opposition aktiv, hätte man über die rechten Untertöne in einem fast 10 Jahre alten Video großzügig hinweggesehen?