Erzrivalen Iran und Saudi-Arabien: Not verbindet
"Angriff auf Riad", Screenshot eines Videos von Ahvaz Voice (YouTube) aus dem Jahr 2017 - siehe: Propaganda-Duell zwischen Iran und Saudi-Arabien
Geheimes Treffen in Bagdad und die mÀrchenhafte Vorstellung, dass sich im Nahen Osten etwas zum Bessern verÀndern könnte. Iran braucht Zugang zu Corona-Impfstoffen
ErregungszustĂ€nde versperren den nĂŒchternen Blick. Zum Ende der Amtszeit Trump kam die Hoffnung auf, dass auch Saudi-Arabien ein Normalisierungsabkommen mit Israel schlieĂen könnte.
In der Hitze der Diskussionen ĂŒber die politische Bilanz des US-PrĂ€sidenten, der nicht nur die WĂ€hler in den USA polarisierte, sondern auch Streitigkeiten hierzulande befeuerte, ĂŒbersahen diejenigen, die Trump gerne einen solchen Triumph gegönnt hĂ€tten, dass Saudi-Arabien aus innen- wie auch auĂenpolitischen GrĂŒnden fĂŒr einen solchen Schritt mit hoher Symbolkraft noch nicht bereit ist.
Aktuell haben Saudi-Arabien und Iran fĂŒr eine Ăberraschung gesorgt. Es kam zu einem direkten Treffen angeblich zwischen Delegationen aus beiden LĂ€ndern [1] in der irakischen Hauptstadt Bagdad. Das ist eine kleine Sensation, da beide LĂ€nder konkurrierende RegionalmĂ€chte sind, das Klima zwischendrin ziemlich angeheizt war (Versagen der amerikanischen und saudischen Luftabwehr [2]), beide auf unterschiedliche Weise im Jemen-Krieg verstrickt sind, in der Konfliktzone Libanon und auch im syrischen Konflikt auf unterschiedlichen Seiten stehen. Seit Jahren gab es einen Austausch von Feindseligkeiten, aber seit fĂŒnf Jahren keinen diplomatischen Kontakt.
Das Treffen in Bagdad könnte der Auftakt zu einer Phase der AnnĂ€herung zwischen den "Erzrivalen" (Tagesschau [3]) sein. FĂŒr Elijah Magnier, dem belgischen Journalisten mit gutem Draht und einer gewissen Sympathie zu iranischen Kreisen, liegt die Hoffnung darin, dass die beiden LĂ€nder ihre Differenzen ordnen können [4] und die AnnĂ€herung "positive Auswirkungen auf die gesamte Region des Nahen Ostens haben wird, solange diese Treffen stattfinden", wie ihm eine Quelle, ein EntscheidungstrĂ€ger in Bagdad, sagte.
Nach dessen Angaben wurde das Treffen von beiden Seiten als "sehr positiv beschrieben". Zwar gab es, wie dies auch andere Berichte anzeigen, keine Erfolgsmeldungen mit konkreten Details, weil diese gar nicht besprochen wurden, aber eine Vereinbarung, wonach "der wichtigste Schritt die Wiedereröffnung von Konsulaten und Botschaften in beiden LĂ€ndern sein wird". Und die Hoffnung, dass die Wiederherstellung der Beziehungen ermögliche, "ĂŒber den Libanon, Syrien, Irak, Bahrein und Jemen zu sprechen".
Beide LÀnder haben eine AnnÀherung nötig
Was daraus nicht hervorgeht, aber Nahost-Beobachtern schon in den Sinn kommt, ist, wie nötig beide LĂ€nder eine solche AnnĂ€herung haben. Iran geht es wirtschaftlich sehr schlecht. Zwar gibt es hierzulande immer wieder Berichte, die die Nöte thematisieren. Oft geschieht dies in einem Rahmen, der die Repression des Regimes in den Mittelpunkt rĂŒckt und aus diesem Fokus heraus die Wirkung der US-Sanktionen relativiert.
Doch gibt es, selbst wenn man inneriranische und weltwirtschaftliche Faktoren fĂŒr die Wirtschaftsmisere heranzieht, etwa die wirtschaftliche Macht der Revolutionsgarden oder die seit Jahrzehnten bedeutende AbhĂ€ngigkeit vom US-Dollar, gröĂte HĂ€rten, die direkt mit den US-Sanktionen verbunden sind.
Ein drastisches Beispiel dafĂŒr ist, dass Iran wegen der US-Sanktionen enorme Schwierigkeiten hat, an Corona-Impfstoffe zu gelangen [5]. Iran ist das Land, das in der Region am stĂ€rksten von der Corona-Pandemie betroffen ist, und das ist auch eine Bedrohung fĂŒr die FĂŒhrung.
Ausweg aus der Isolation
So liegt der Gedanke nahe, dass sich Iran mit einer AnnĂ€herung an Saudi-Arabien einen Ausweg aus einer Isolation sucht, die vital notwendige Lieferketten betrifft. Auf lĂ€ngere Frist könnte eine AnnĂ€herung zwischen den beiden regionalen Rivalen auch Kosten senken, die Iran mit der Finanzierung von Milizen hat. Der durchschnittliche Mediennutzer erfĂ€hrt wenig ĂŒber die Stimmung in der iranischen Bevölkerung darĂŒber, wie dort angesichts der wirtschaftlichen Nöte ĂŒber das Engagement der FĂŒhrung im Jemen, in Syrien, im Libanon und in palĂ€stinensischen Gebieten gedacht wird.
Einzeln aufblitzende EindrĂŒcke, wonach es da Unzufriedenheiten in der Bevölkerung gibt, sind von auĂen schwer zu bewerten, da die iranischen Nachrichtenagenturen da aus Fahnentreue sehr zurĂŒckhaltend sind und andere Medienberichte immer dem Verdacht ausgesetzt sind, tendenziell ĂŒberzubetonen, was in eine westliche Agenda passt.
Saudi-Arabien: Weniger Einnahmen, teurer Jemen-Krieg
Auch Saudi-Arabien steht finanziell nicht mehr so popanzmĂ€Ăig gut da wie frĂŒher. Der Aramco-Börsengang spielt nicht ein, was man sich in Riad versprochen hat [6]. Bei der groĂzĂŒgigen Subventionspolitik, die die Bevölkerung zufriedenstellen soll, wurde an ein paar Stellschrauben gedreht. Der Jemen-Krieg kostet viel Geld und er ist fĂŒr Saudi-Arabien kein Erfolg.
So ĂŒberschneiden sich ein paar Interessen zwischen den beiden LĂ€ndern, sollten sie eine gemeinsame Verhandlungsbasis finden, um Konflikte zu entschĂ€rfen, wĂ€re das hilfreich fĂŒr eine Politik in der kriegs- und krisengeschĂŒttelten Region, die auf mehr Verhandlungen setzt, statt auf militĂ€rische Lösungen und das Prinzip "Zuschlagen, um empfindlich zu treffen".
Schaut man auf die Achtung der Menschenrechte, so ist in beiden LĂ€ndern viel zu tun, eine Aufgabe von Generationen.
Es geht nicht um eine Versöhnung aus einem Bilderbuch. Iran hat MachtansprĂŒche in der Region. Die ersten ĂuĂerungen [7] zum Treffen, die die iranische Nachrichtenagentur Irna vom iranischen Botschafter Iraj Masjedi (deutsche Transkription Iradsch Masdschedi) ĂŒbermittelt, gelten der US-PrĂ€senz im Irak und der Einflusszone Irak.
Masjedi sagte in einem exklusiven Interview mit IRNA, dass die US-MilitĂ€rprĂ€senz im Irak nicht im Interesse der Nationen in der Region sei und die im letzten Jahr im irakischen Parlament verabschiedete Resolution eindeutig den RĂŒckzug der USA aus dem Irak fordere. Masjedi betonte, dass der Iran auch den Ausbau der Beziehungen zwischen dem Irak und der arabischen Welt unterstĂŒtzt, da Bagdad es verdient, seinen politischen Status unter den arabischen Staaten wiederherzustellen.
Iranische Nachrichtagentur Irna
Zur Erinnerung: Nach der Ermordung des iranischen Generals Suleimani durch eine US-Drohne beim Flughafen Bagdad machte Irans FĂŒhrung in mehreren Botschaften klar, dass es ihr Ziel sei, der US-PrĂ€senz in der Region ein Ende zu setzen.
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[1] https://ejmagnier.com/2021/04/22/iran-saudi-arabien-es-ist-zeit-die-differenzen-zu-ordnen/
[2] https://www.heise.de/tp/features/Versagen-der-amerikanischen-und-saudischen-Luftabwehr-4534319.html
[3] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-saudiarabien-101.html
[4] https://ejmagnier.com/2021/04/22/iran-saudi-arabien-es-ist-zeit-die-differenzen-zu-ordnen/
[5] https://www.middleeasteye.net/news/iran-conservatives-pressure-negotiating-team-leave-vienna-nuclear-deal
[6] https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/saudi-aramco-legt-groessten-boersengang-aller-zeiten-hin-a-1299914.html
[7] https://en.irna.ir/news/84302537/Iran-welcomes-Iraqi-mediation-to-de-escalate-regional-tensions
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