Es droht erneut die Frühjahrsdürre

Viel Sonne und wenig Regen: Auch in diesem Jahr droht wieder eine Dürre in manchen Regionen Deutschlands. Foto: Myriams-Fotos auf Pixabay (Public Domain)

Nie zuvor wurden in Deutschland so viele Sonnenstunden im März registriert, wie in diesem Jahr. Was positiv klingt, hat drastische Konsequenzen für die Landwirtschaft

"Im Märzen der Bauer, die Rösslein anspannt", heißt es im Kinderlied, weil er den Boden "pflüget" und "egget und sät". Was aber, wenn sich das Anspannen gar nicht mehr lohnt?

Schon wieder droht ein Frühjahr, dass den Bauern jegliche Anstrengung vergällt! In Berlin und Brandenburg fielen im März nicht einmal 3 Liter Regen pro Quadratmeter, wo doch sonst hier zehnmal mehr im März "normal" sind: 36 Liter in Brandenburg, 37 Liter in Berlin. An der Mecklenburgischen Seenplatte, in der Uckermark und in Vorpommern registrierte der Deutsche Wetterdienst (DWD) sogar weniger als 1 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Auch andere Regionen leiden schon früh im Jahr unter einer extremen Dürre – Schleswig, Süddeutschland und der Harz im Oberboden (bis 25 cm Tiefe), die Altmark, Teile der Pfalz, Niedersachsens und Badens im Unterboden (bis zu 1,8 m).

Grund für den frühen Wassermangel ist ein neues Extremwetter, das der abgelaufene Monat Deutschland beschert hat. "In diesem März gab es mehr Sonne, als sonst normalerweise in einem durchschnittlichen Juli", erklärt DWD-Sprecher Andreas Friedrich. Im Juli steht an klaren Tagen die Sonne wohlgemerkt vier Stunden länger am Himmel als im März. Mit über 235 Stunden überragte die Sonnenscheindauer im abgelaufenen Monat ihr Soll von 111 Stunden (Periode 1961 bis 1990) um mehr als das Doppelte, der Märzmonat 2022 war damit der mit Abstand sonnenscheinreichste seit Messbeginn 1951. Und wo viel Sonne ist, können naturgemäß keine Wolken sein, ergo kein Regen.

"Darunter leiden Wintergetreide, Raps und auch die Frühjahrskulturen, die ausgesät worden sind, wie zum Beispiel Sommergerste oder Zuckerrüben", erklärt der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied. Auch die Kartoffeln kämen so "nicht richtig in die Gänge". Die Lebensmittelversorgung sieht der Bauernpräsident in Deutschland aber bis zum Frühjahr 2023 gesichert, "auch wenn der Ukrainekrieg Auswirkungen auf die globalen Märkte hat". Allerdings könne es bei einzelnen Kulturen bei ausbleibendem Regen zu geringeren Ernten kommen.

2018, 2019, 2020 - der dreijährige Trockenstress der Böden habe in vielen Regionen zu einem deutlichen Rückgang beim Grünlandertrag geführt, erläutert Tobias Fuchs, Leiter des Geschäftsbereichs "Klima und Umwelt" beim Deutschen Wetterdienst: "Die Zunahme der Frühjahrestrockenheit ausgerechnet in einem Zeitraum, in dem die Vegetation 'erwacht' und einen hohen Bedarf an Wasser hat, führt zu erheblichen Beeinträchtigungen bei der Pflanzenentwicklung." Und DWD-Sprecher Andreas Friedrich ergänzt: "Unsere Daten zeigen, dass die Trockentage im Frühling in den letzten Jahren bereits deutlich zugenommen haben."

Trockenheit doppelt so schlimm wie angenommen

Auch vielen Wäldern setzt die Trockenheit zu, vor allem die Fichtenbestände, aber auch Buchen und Kiefern macht der Wassermangel zunehmend zu schaffen. Zudem kletterte die Gefahr von Wald- oder Flächenbränden bereits im März auf die zweithöchste Stufe 4, wie die Waldbrandgefahrenkarte des Deutschen Wetterdienstes zeigt. Vielerorts sind die Feuerwehren in Alarmbereitschaft, ausrücken musste sie etwa im Südschwarzwald, wo eine Hektarfläche in Brand stand, bei Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz oder im Landkreis Passau, dort schon zum zweiten Mal.

Eine Studie internationaler Forscher kommt zu dem Schluss, dass die negativen Auswirkungen von Trockenheit auf das Funktionieren von Ökosystemen doppelt so groß sind, wie bislang angenommen. Das Forschungsteam um den Ungarn György Kröel-Dulay untersuchte, wie gut Experimente die Auswirkungen von Dürre abbilden und verglich dies mit den Folgen real aufgetretener Dürreereignisse. Ergebnis: Experimente zeigen deutlich schwächere Effekte von Dürre für die oberirdische Biomasse als dies tatsächlich im natürlichen Umfeld der Fall ist.

Das Ausmaß der Produktivitätsverluste bei Dürre werde im Vergleich zu Experimenten "um durchschnittlich etwa 50 Prozent unterschätzt wird", erklärt Michael Bahn, Leiter der Forschungsgruppe Funktionelle Ökologie" der Uni Innsbruck und an der Studie beteiligt. Das ist vor allem wichtig für Zukunftsprognosen, denn die Zahl der Dürren wird weltweit zunehmen. Eine andere Studie zeigt: Erwärmt sich die Erde um drei Grad, wären in Mitteleuropa 40 Prozent mehr Gebiete von Dürre betroffenen als bei 1,5 Grad Erwärmung.

Es wird für die Bauern also immer schwerer. "Eine Möglichkeit ist die Bewässerung, da werden wir zukünftig investieren müssen", sagt Bauernpräsident Rukwied. "Aber um das realistisch einzuschätzen: Wenn wir die heutige Bewässerungsfläche verdoppeln können, dann sind wir ökonomisch an den Grenzen." Eine andere Möglichkeit seien Pflanzenzüchtungsverfahren wie etwa die molekularbiologische CRISPR/Cas-Methode, um Sorten gezielt gegen Trockenstress anzupassen. Die dritte Möglichkeit: "Auf Regen hoffen."

"Bringt der April viel Regen, so deutet der auf Segen", lautet eine Bauernregel, die in der "Bauern- Praktik" veröffentlicht wurden. 1508 erstmals in Augsburg erschienen, wird in der "Praktik" das beschrieben, was wir heute "Best Praxis" nennen, mindestens 60 weitere Auflagen folgten, das erfolgreichste meteorologische Buch aller Zeiten. Und tatsächlich sieht es so aus, als ob der Landwirtschaft "Segen" bevorsteht: Nächste Woche könnte nach Prognose des Deutschen Wetterdienstes "ausgreifender" Regen folgen.

Regen allein hilft nicht

Andreas Marx sieht deshalb aber noch keine Entwarnung: "In großen Teilen Deutschlands ist ein Dürrezustand im Oberboden erreicht". Der Hydrologe betreut am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig den sogenannten Dürremonitor, der täglich aktualisiert und im Internet für jedermann einsehbar anzeigt, wie feucht oder trocken die Böden in Deutschland sind.

Anfang Februar 2020 zum Beispiel waren weite Flächen der Deutschlandkarte tiefrot eingefärbt, die Signalfarbe für die höchste von fünf Trockenstufen. "Eine außergewöhnliche Dürre", sagt Marx, "in einer Bodentiefe bis zu 1,80 Metern war dort praktisch kein Wasser mehr vorhanden." Und das nach einem Winter – also jener Jahreszeit, während der hierzulande üblicherweise viel Niederschlag fällt und die Böden gründlich durchfeuchtet.

Deshalb könnte der Regen, den sich der Bauernpräsident erhofft, jetzt auch nicht zur Entspannung führen: "Ausgedörrte Böden sind in der Regel selbst nach einem starken Regenguss staubtrocken", sagt Andreas Marx. Zwar sehe die Oberschicht nach einem Platzregen oft nass aus, und sie fühle sich manchmal auch so an. Doch bis in die tieferen Schichten dringt der Regen nicht mehr vor. Andreas Marx vergleicht das mit dem Kuchenbacken: "Schüttet man Milch auf trockenes Mehl, vermengt sich beides kaum. Ein feuchter Teig hingegen nimmt Flüssigkeit sehr leicht auf." Ausgedörrte Tiefenschichten also können Wasser nicht mehr aufnehmen, es perlt an ihnen ab, verbleibt in den höheren Bodenschichten oder fließt gleich an der Erdoberfläche ab.

Dürre ist jedenfalls mehr als die Regenmenge, es geht auch um die Bodenbeschaffenheit, die hydraulischen Leitfähigkeit der Erde, um die Verdunstung, die bei starken Winden anzieht. "April windig und trocken, macht alles Wachstum stocken", lautet eine andere Bauernregel. "Die Landwirtschaft guckt im Moment ziemlich gespannt darauf, was im Oberboden passiert", sagt Andreas Marx. Ab Mitte kommender Woche prognostiziert der Deutsche Wetterdienst starke westliche Winde mit stürmischen Böen.

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