Extasy hilft bei posttraumatischen Belastungsstörungen
Die amerikanische Arzneimittelbehörde könnte die 1985 verbotene Substanz MDMA bald als Medikament zulassen
1985 verbot die US-Arznei- und Lebensmittelbehörde FDA die als "Extasy" bekannt gewordene Substanz MDMA mit der Begründung, sie habe keinerlei medizinischen Nutzen und berge lediglich ein Missbrauchspotenzial. 32 Jahre später muss die Behörde zugeben, dass ihre damalige Einschätzung wahrscheinlich falsch war: Bei der experimentellen Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS - vgl. Retraumatisierung und Hypervigilanzsymptome) erzielte man mit dem Mittel inzwischen so große Erfolge, dass Beobachter mit einer Wiederzulassung rechnen.
Grund dafür ist, dass die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), die sich gründete, weil viele Forscher das Verbot für Unsinn hielten, am Samstag bekannt gab, 230 Probanden für Phase 3 der klinischen Tests der Substanz als Medikament zu suchen, die die FDA genehmigt hat. Für so eine Genehmigung muss ein potenzielles Arzneimittel dem Food and Drug Administration Safety and Innovation Act von 2012 nach demonstriert haben, dass es gegenüber existierenden Therapien eine "substanzielle Verbesserung" verspricht.
Klarer Unterschied zu Placebos
Diese "substanzielle Verbesserung" konnte in den Phasen 1 und 2 der klinischen Studien nachgewiesen werden. In Phase 1, deren Ergebnisse 2012 im Journal of Psychopharmacology veröffentlicht wurden, behandelte man Opfer von Verbrechen - vor allem Frauen, die vergewaltigt oder sexuell missbraucht wurden. Ihnen gab man MDMA nicht einfach so, sondern als Begleitmedikament einer Psychotherapie. Vier Fünftel der Probanden sprachen darauf an, was man mittels der Clinician-Administered-PTSD-Scale-Werte (oder kurz CAPS-Werte) feststellte, die bei ihnen um 30 Prozent oder mehr zurückgingen. Im Durchschnitt sank der CAPS-Wert in dieser Gruppe von etwa 80 auf unter 30. Zehn der zwölf Probanden, bei denen der CAPS-Wert zu Beginn der Behandlung eine schwere PTBS signalisierte, galten nach dem Abschluss der Therapie als geheilt.
In der Kontrollgruppe, in der man zur Psychotherapie statt MDMA nur Placebos verabreichte, stellte sich lediglich bei einem Viertel der Probanden eine Besserung des CAPS-Werts um 30 Prozent oder mehr ein. Nach dem Ende der Kontrollphase entschieden sich sieben von acht Probanden in dieser Gruppe, die Behandlung mit echtem MDMA nachzuholen. Bei allen sieben stellte sich daraufhin die für ein Ansprechen geforderte Besserung ein. Nachuntersuchungen, die die Forscher nach gut eineinhalb und noch einmal nach gut sechs Jahren vornahmen, zeigten, dass die Gesundung bei 14 von 16 erfolgreich behandelten Probanden von Dauer war.
Zu geringe Dosis kann kontraproduktiv sein
Danach testete man die Kombination aus Extasy und Psychotherapie an 21 traumatisierten Veteranen aus dem Irak- und dem Afghanistankrieg, drei Feuerwehrleuten und einem Polizisten. Die Ergebnisse dieser Studienphase wurden bislang noch nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, sondern lediglich der FDA zugänglich gemacht. In Phase 2 setzte man keine Placebos mehr ein, sondern dosierte das MDMA stattdessen unterschiedlich stark: Ein Teil der Probanden bekam 30, ein anderer 75 und ein dritter 125 Milligramm der Substanz verabreicht. Dabei zeigte sich Studienleiter Michael Mithoefer zufolge, dass in der Gruppe, die lediglich 30 Milligramm verabreicht bekam, kaum Fortschritte gemacht wurden - während man in den beiden anderen Gruppen mit höheren Dosierungen große Erfolge erzielte. In der 30 Milligramm-Gruppe fielen die CAPS-Werte (die anfangs zwischen 80 und 90 lagen) durchschnittlich in den Bereich zwischen 70 und 80. Besser schnitt mit einem auf unter 50 gesunkenen CAPS-Wert die 125-Milligramm-Gruppe ab. Dass die 75-Milligramm-Gruppe mit einem CAPS-Wert unter 30 noch gesünder aus der Studie hervorging, deutet darauf hin, dass die dabei verwendete Menge MDMA der Optimaldosierung für die meisten Patienten am nächsten kommt.
MAPS-Chef Rick Doblin nach können Dosen zwischen 25 und 40 Milligramm MDMA sogar einen "anti-therapeutischen Effekt" haben, weil diese Menge zwar ausreicht, um Patienten zu agitieren - aber nicht, um ihnen die Angst zu nehmen, die sie daran hindert, das nötige Vertrauen zu einem Psychotherapeuten aufzubauen und sich schrecklichen Erinnerungen mit Hilfe einer Psychotherapie zu stellen.
Verabreicht man dagegen 75 Milligramm, erzielt man Erfolge wie den im Fall des ehemaligen Marine-Corps-Soldaten Nigel M., der im Irak diente. Er litt danach jahrelang unter Schlaflosigkeit und Albträumen. Nach insgesamt zwei Jahren MDMA-unterstützter Therapie hat er seelischen Abstand zu den im Irak durchlebten Ereignissen gefunden und kann jetzt wieder regelmäßig Nächte durchschlafen. Nun teilt er seine Erfahrungen mit Kameraden, von denen seinen Worten nach "viele Selbstmord begehen, weil sie ein Leben mit PTBS nicht aushalten". Seiner Ansicht nach könnten zahlreiche traumatisierte Kriegsveteranen gerettet werden, wenn MDMA bereits jetzt regulär als PTBS-Medikament zugelassen wäre.