Faktencheck: 5 Putin-Thesen bei Tucker Carlson – richtig oder falsch?

Seite 2: Putins These 1: Die Ukraine ist traditionell und rechtmäßig russisches Land

Um diesen Punkt machte Putin die meisten Worte und sie dienen als formelle Rechtfertigung der russischen Ukraine-Invasion im Februar 2022. Putin referierte umfangreich über die Abschnitte der Geschichte, in denen die Ukraine russisch beherrscht war und bemühte sich um den Nachweis, dass die Ukrainer gar kein "natürliches" Volk seien, sondern bis zum 19. und 20. Jahrhundert als Teil der "Russischen Welt" zu sehen sind.

Doch gerade bei diesem Thema ist die Argumentation des russischen Staatenlenkers am dünnsten und soll davon ablenken, dass die Invasion vor allem einen militärstrategischen Hintergrund hatte.

Der Begriff, wann ein Volk ein Volk ist und nicht nur Teil eines anderen, ist wissenschaftlich nicht klar definiert. Keine Rolle spielt es jedoch, ob ein Volk als solches sich nun seit 1.000 oder nur 100 Jahren als solches sieht.

Oder ob es mit anderen Völkern ganz oder teilweise eine gemeinsame Sprache spricht. Als Beispiel mögen hier gerne einmal die Österreicher dienen.

Dynamische Volksentwicklung: Der Fall Österreich

Noch in den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts, auch in der NS-Zeit, betrachtete sich Deutsch-Österreich als Teil der deutschen Nation und die Idee einer Vereinigung mit Deutschland war dort populär.

Historische Entwicklungen, hier die brutale NS-Diktatur, haben diese Einstellung bis 1945 radikal geändert. Heute, weniger als 100 Jahre später, würde außerhalb des rechtsextremen Milieus niemand mehr den Österreichern ihre Volkseigenschaft absprechen, sie ist eine Selbstverständlichkeit.

Entscheidend ist hier vor allem der Punkt, dass sich die Österreicher als eigenes Volk begreifen und in einem eigenen Staat leben wollen. Das sind zwei Punkte, die unzweifelhaft ebenso auf die Ukrainer zutreffen.

Selbst im Osten des Landes – außer der Krim – war das Selbstverständnis der örtlichen Bevölkerung weit mehrheitlich ukrainisch. Auch wenn man hier bis zur Invasion wesentlich mehr Wert auf ein gutes Verhältnis zum großen Nachbarvolk legte, als im Westen des Landes.

Putin selbst hat mit seiner Invasion und den Zerstörungen, die sie anrichtete, dazu beigetragen, dass die zuvor gespaltenen Ukrainer als Volk zu einer sehr weitgehenden Einigkeit fanden – gegen Russland.

Das ist auch nachvollziehbar, denn niemand findet die Verwüstung der eigenen Heimat gut und diese findet aktuell in der russischsprachigen Ostukraine statt. Es ist ein normaler Lauf der Geschichte, dass Völker sich teilen, einen, neu gruppieren, auch wenn das für Menschen wie Putin mit einem nur nach hinten gerichteten Weltbild ein schmerzlicher Prozess ist.