Faktencheck: 5 Putin-Thesen bei Tucker Carlson – richtig oder falsch?

Seite 6: Putins These 5: Die Ukraine hat mit westlicher Unterstützung 2022 einen Frieden verhindert

In den ersten Wochen nach Ausbruch des offenen Kriegs zwischen Russland und der Ukraine fanden zwischen beiden Seiten in Istanbul Verhandlungen statt, die Kämpfe wieder zu beenden. Offen nach außen drangen von beiden Seiten vor allem Maximalpositionen, bei denen klar war, dass sie der militärische Gegner nicht akzeptieren würde.

Es gab aber auch Kompromissideen wie eine ukrainische Neutralität unter der Garantie externer Mächte verschiedener politischer Lager.

Putin schildert im Interview, die Räumung des Raums Kiew von russischen Truppen sei quasi eine Bekräftigung des eigenen guten Willens gewesen, die Ukraine habe dennoch siegesgewiss auf Druck des Westens die Verhandlungen abgebrochen.

Tatsächlich erfolgte der Rückzug aus der Region Kiew natürlich, da die zu Beginn zu klein dimensionierten russischen Invasionstruppen ihre dortige militärische Position nicht mehr halten konnten. Gräueltaten der russischen Besatzer wurden aufgedeckt, die die ukrainische Verhandlungsbereitschaft auch ohne westlichen Druck verminderten.

Ukraine beendete Verhandlungen zuerst

Tatsache ist, dass die Waffenstillstandsverhandlungen dann zuerst vonseiten der Ukraine beendet wurden. Dafür, dass andernfalls ein Kompromiss in der Luft lag, gibt es einen wichtigen, neutralen Kronzeugen, den damaligen israelischen Premierminister Naftali Bennett, der an Verhandlungen direkt beteiligt war.

Beide Seiten seien nach seiner Auskunft hinter den Kulissen zu erheblichen Zugeständnisse bereit gewesen, um den Krieg zu beenden. Doch vor allem die hinter Kiew stehenden USA und Großbritannien hätten laut Bennett den Friedensprozess gestoppt.

Was damals hinter den Kulissen alles geschah, wird wohl erst die geschichtliche Aufarbeitung ergeben, denn zahlreiche Gesprächsrunden fanden statt, auch solche ohne Bennett. Es ist jedoch klar, dass die Kiewer Beendigung der Verhandlungen ein Kriegsende in weite Ferne rückte, auch wenn sie wegen Kriegsgräueln wie in Butscha nachvollziehbar war.

Jeder zusätzliche Monat des aktiven Kriegs produziert weiteres Leid, tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der Gegenseite leben überall im Kriegsgebiet schlecht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend muss man feststellten, dass einige der von Putin angebrachten Punkte und Thesen aus russischer Sicht schon nachvollziehbar sind. Nicht nachvollziehbar ist jedoch die Ansicht, ein anderes Volk, das sich als solches definiert, einfach nicht anzuerkennen und deswegen sogar eine "Umerziehung" von Ukrainern ins Auge zu fassen.

Kein historischer Grund und keine gebrochene Zusage kann dies rechtfertigen. Das ist übrigens auch die Meinung vieler Russen, die sich deshalb insgeheim oder unter großer Gefahr offen gegen den Krieg im Nachbarland stellen. Die "Einheit der russischen Völker" wird nur von sehr linientreuen Russen anerkannt.

Dient ein solches Argument als Rechtfertigung einer bewaffneten Invasion wie bei Putin in seinem Interview, schmälert sie die Überzeugungskraft berechtigter russischer Kritik an der westlichen Politik oder abgebrochenen Verhandlungen.

Dennoch gilt: Jede Beendigung des Kriegs wird russische Interessen berücksichtigen müssen und russische Sicht ist nicht per se ein Fake.