"Flaschenhals" Ökostrom: Warum Wasserstoff kein Wundermittel ist
Der Königsweg heißt nicht Wasserstoff, solange es an Ökostrom für dessen Herstellung mangelt. Grafik: akitada31 auf Pixabay (Public Domain)
Zum Telepolis-Artikel "Masterplan Energiewende" gab es reichlich Anmerkungen und Kommentare. Eine ausführliche Antwort des Autors
Zu meinen letzten beiden Artikeln "Die Riesenaufgabe" und "Masterplan Energiewende" haben sich einige Kommentare angesammelt, deren Verfasser auf die Rolle von Wasserstoff bei der Energiewende eingingen. Wie üblich war es eine bunte Mischung aus richtigen, halbwahren und falschen Anmerkungen. Mein Standpunkt, dass eine große Wasserstoffindustrie in eine Sackgasse führen würde, weil dafür zu viel Strom benötigt wird, soll daher umfassend begründet werden.
Beginnen wir mit den wahren Anmerkungen:
1. Die Sonne liefert unendlich viel mehr Energie als wir brauchen. Das ist richtig. In Deutschland beträgt die durchschnittliche Sonneneinstrahlung pro Quadratmeter und Jahr etwa eine Megawattstunde (Mwh). Deutschland hat ein Territorium von 357.386 Quadratkilometern, woraus sich eine Sonneneinstrahlung von etwa 357.386 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) ergibt. Benötigt werden derzeit insgesamt etwa 3.600 TWh/a, also etwa ein Prozent der eingestrahlten Energie (natürlich ohne Energiebedarf der Pflanzen zur Fotosynthese). Energie ist also genug vorhanden.
Allerdings benötigen wir nicht Energie schlechthin, sondern Strom und Heizwärme. Dazu müssen wir die regenerative Energie "ernten", umwandeln und teilweise speichern. Und die Anlagen dafür sind teuer und nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
2. Wasserstoff ist ein leicht zu erzeugender, umweltfreundlicher Energieträger und Speicher. Auch das ist richtig, wenn man grünen Strom einsetzt. Leider benötigt man dazu aber sehr viel grünen Strom, der zurzeit nicht vorhanden ist. Und ein Elektrolysewirkungsgrad von 66 Prozent, errechnet aus 33 Kilowattstunden (kWh) Energieinhalt pro Kilogramm Wasserstoff und 50 kWh, die zu seiner Erzeugung durch Elektrolyse benötigt werden, bedeutet, dass die benötigte Strommenge schon in diesem ersten Schritt der Speicherung auf die 1,5-fache Menge ansteigt.
3. Man kann den Wasserstoff relativ einfach zu energiereichen Folgeprodukten weiterverarbeiten und so die Probleme mit der Handhabung und Speicherung umgehen. Auch das ist richtig, nur hat jede weitere Umsetzung ebenfalls einen Wirkungsgrad < 1, sodass sich der Gesamtwirkungsgrad weiter verschlechtert - die Wirkungsgrade der Teilschritte multiplizieren sich. Das heißt aber, dass der Elektroenergiebedarf weiter stark steigt, da er im umgekehrten Verhältnis zum Gesamtwirkungsgrad steht.
Frage der Abwägung von Aufwand und Kosten
Wenn wir eine Ablösung der fossilen Brennstoffe beabsichtigen, müssen wir abwägen, was einfacher und billiger ist: Den gesamten Energieverbrauch hocheffizient auf Elektroenergie umstellen und dabei Akkuspeicher mit einem Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent verwenden oder teilweise die alten, auf fossilen Brennstoffen beruhenden Technologien weiterzunutzen und die benötigten Brennstoffe mit grünem Strom synthetisch herzustellen, damit das bei der Verbrennung entstehende CO2 recycelt wird. Der Vorteil hierbei ist, dass wir die alten Antriebstechnologien weiter nutzen können, aber um den Preis eines 4-6 mal größeren Elektroenergiebedarfs. Das bedeutet einen zusätzlichen extensiven Zubau bei der regenerativen Stromerzeugung, dazu den Aufbau der entsprechenden Synthesewerke und Anlagen plus die benötigte Logistik zu Transport und Speicherung der Brennstoffe.
Das ist teurer als nur die Umstellung auf Elektroenergie, zumal Autos und andere Verbraucher ja auch nur eine begrenzte Nutzungsdauer haben und dann sowieso ersetzt werden müssen. Dadurch reduzieren sich die Kosten für die Umrüstung der Endverbrauchsgeräte auf die Preisdifferenz zwischen Elektro- und alter Technologie. (Dass wir insgesamt zu viele Autos auf den Straßen haben und ihre Zahl reduzieren müssen, spielt bei dieser Betrachtung keine Rolle) Kommen wir nun zu den vielfach genannten Wasserstoff- und Folgetechnologien im Einzelnen. Da ist als erstes die direkte Speicherung und Nutzung des Wasserstoffs. Beides relativ ineffektiv und problematisch.
Natürlich hat Wasserstoff mit 33 kWh/kg Brennwert eine sehr hohe Energiespeicherdichte. Aber nur auf das Gewicht bezogen. Leider ist Wasserstoff aber ein extrem leichtes Gas. Auf das Volumen des Speichers bezogen resultiert eine geringe Speicherdichte.
Welche Speichermöglichkeiten gibt es für Wasserstoff?
1. Druckgasflaschen - Eine 20-Liter-Druckgasflasche speichert bei Raumtemperatur und 600 bar Druck etwa ein Kilo Wasserstoff. Zur Speicherung derselben Energiemenge in Form von Benzin der Diesel wird nur ein Drei-Liter-Tank benötigt.
2. Kryowasserstoff - Wasserstoff siedet bei Normaldruck bei -252,9°C. Wenn man das Gas unter diese Temperatur abkühlt, wird es flüssig. Allerdings wird für das Verflüssigen ungefähr 1/3 der Energie des eingesetzten Gases verbraucht. Außerdem stellt eine Kryospeicherung bei unter -250°C einige materialtechnische Anforderungen sowohl an das Behälter- wie auch das Isolationsmaterial. Dazu kommt der unvermeidliche boil off, da etwas Flüssiggas auch bei bester Isolation immer verdampft. Dieses Gas muss entweder sofort verbraucht oder abgefackelt werden, da sich sonst explosive Knallgasgemische bilden können.
3. Speicherung in der vorhandenen Erdgasinfrastruktur - Ist sofort möglich, solange der Wasserstoffanteil unter 20 % bleibt. Allerdings hat das Mischgas einen geringeren Brennwert als Erdgas und ist für viele Zwecke ungeeignet, da kein reiner Stoff.
4. Metallhydridspeicher - Metallhydride sind Metall-Wasserstoff-Verbindungen. Sie können als Wasserstoffspeicher genutzt werden. Dabei gibt es 2 Möglichkeiten: Entweder man verwendet Metallhydride, die beim Erwärmen in Metall und Wasserstoff zerfallen und später dann mit Druckwasserstoff wieder regeneriert werden können. Derartige MH-Speicher werden z.B. in U-Booten eingesetzt. Sie sind schwer, teuer und geheim. Die andere Variante ist, salzartige Metallhydride, zum Beispiel NaH, mit Wasser umzusetzen.
Dabei erhält man dann die doppelte Menge des im Metallhydrid gespeicherten Wasserstoff und das Metallhydroxid bzw. -oxid. Nachteil dieses Verfahrens ist, dass das Metallhydroxid nicht einfach zum Hydrid regeneriert werden kann, denn zur Herstellung des Hydrids geht man vom Metall aus. Im Fall von NaH muss man also erst Natrium durch Schmelzflusselektrolyse herstellen und dieses dann zu Natriumhydrid umsetzen. Alles sehr energieaufwändig und teuer. Als Speicher nicht praktikabel. Dazu kommt, dass Metallhydride gegenüber Wasserstoff ein relativ hohes Gewicht haben und als Gefahrstoffe auch nicht ganz einfach zu handhaben sind.
Fazit: Die Speicherung von Wasserstoff ist nicht ideal, sondern schwierig, teuer und riskant. Um die Nachteile des Wasserstoffs bei Speicherung und Handhabung zu umgehen liegt die Überlegung nahe, aus ihm besser handhabbare Energieträger herzustellen.
Die gleichen Schwachpunkte
In diesem Zusammenhang werden hauptsächlich genannt: Methan (PtG, Sabatierprozess), Synfuel (PtL, synthetischer Treibstoff nach Fischer-Tropsch), Methylformiat, Methanol und Ammoniak. Alle diese Verfahren sind bekannt, ausgereift und großtechnisch beherrschbar. Und die Produkte sind wesentlich leichter handhabbar als Wasserstoff. Allerdings haben sie alle auch die gleichen Schwachpunkte: sehr hoher Elektroenergieverbrauch bei der Herstellung, Verringerung des Gesamtwirkungsgrades durch exotherme Bildungsreaktionen und schlechter Wirkungsgrad bei der Rückgewinnung der mechanischen bzw. elektrischen Energie.
Beginnen wir mit "Power to Gas", also der Methansynthese und Synfuel. Ausgangsstoffe sind Wasser und CO2. Aus dem Wasser wird durch Elektrolyse Wasserstoff und Sauerstoff erzeugt, damit das CO2 zu Kohlenmonoxid reduziert und dann im Sabatierprozess Methan und Wasser bzw. nach Fischer-Tropsch flüssiger Treibstoff und CO2 erzeugt.
Leider funktioniert das Ganze so nicht. Man kann CO2 nämlich nicht einfach mit Wasserstoff zu CO reduzieren. Dafür muss man es zunächst mit Wasserstoff und Methanol hydrierend in Methylformiat umwandeln. Das kann man dann in Kohlenmonoxid und Methanol spalten und das Kohlenmonoxid mit weiterem Wasserstoff zu Methan oder Fischer-Tropsch-Treibstoff umsetzen. Mit einem Wirkungsgrad der Wasserelektrolyse von 66 Prozent energetisch der blanke Wahnsinn. Allerdings gibt es ein besseres Verfahren zur elektrolytischen Synthesegaserzeugung.
Die Firma Sunfire aus Dresden hat ein Membranverfahren zur Erzeugung von Synthesegas aus Wasser und Kohlendioxid entwickelt. Das Verfahren arbeitet mit sauerstoffionenleitfähigen Zirkonoxidmembranen bei 850°C und kann Synthesegas mit einem gewünschten, einstellbaren Kohlenmonoxid-Wasserstoff-Verhältnis liefern. Für das Verfahren wird ein Elektrolysewirkungsgrad von 83 Prozent angegeben. Das ist dadurch möglich, dass ein Teil der bei der Wasserelektrolyse erzeugten Wärme bei der Reduktion des Kohlendioxids genutzt wird.
Aber egal ob das Synthesegas mit 83 Prozent Wirkungsgrad erzeugt wird oder der Wasserstoff mit nur 66 Prozent, das sind nur Zwischenprodukte, die anschießend zum gewünschten Endprodukt umgesetzt werden müssen. Und egal, ob wir Methan herstellen (PtG) oder Synfuel (PtL), die Synthesen sind stark exotherm und die freigesetzte Wärme fehlt dann im Endprodukt als chemisch gespeicherte Energie. Der erste Hauptsatz lässt sich nun mal nicht überlisten.
Das Gleiche gilt für die Methanolsynthese. Da kann man von Methylformiat und Wasserstoff ausgehen, aber die Umsetzung ist ebenfalls exotherm, energetisch also ein Verlustgeschäft. Derzeit entsteht in Norwegen eine Fabrik, in der auf der Basis des Sunfire-Verfahrens ab 2023 jährlich zehn Millionen Liter Synfuel hergestellt werden sollen.
Bleibt die Ammoniaksynthese. Hier wird ein Synthesegas aus Stickstoff und Wasserstoff im Haber-Bosch-Verfahren exotherm zu NH3 umgesetzt. Den eingesetzten Stickstoff erhält man normalerweise, indem man der Luft durch Verbrennen von Erdgas den Sauerstoff entzieht und das resultierende Gas reinigt. Der benötigte Wasserstoff wird gewöhnlich durch partielle Oxidation von Erdgas bei hohen Temperaturen gewonnen.
Man kann natürlich auch den Stickstoff aus Luftzerlegungsanlagen mit Elektrolysewasserstoff umsetzen, aber das ist wegen der Wasserelektrolyse wieder extrem energieaufwändig. Es gibt zwar zumindest im Labor (und evtl. im Technikumsmaßstab?) ein mit der Ammoniaksynthese gekoppeltes effektiveres Elektrolseverfahren mit protonenleitenden keramischen Membranen (SSAS-Verfahren), bei dem Wasser und Stickstoff aus Luftzerlegungsanlagen eingesetzt werden. Damit lässt sich der Energieverbrauch stark verringern, aber auch diese Ammoniaksynthese bleibt energetisch ein Zuschussgeschäft.
Geringer Wirkungsgrad in der Praxis
Dazu kommt der geringe Wirkungsgrad bei der Energierückgewinnung, wenn wir die erzeugten Substanzen dann als Energieträger nutzen wollen. Hierfür stehen entweder Wärmekraftmaschinen (Verbrennungsmotoren, Gasturbinen) oder Brennstoffzellen zur Verfügung. Der Wirkungsgrad der Wärmekraftmaschinen wird durch den Carnotprozess auf etwa 40 Prozent begrenzt (bei GuD-Kraftwerken knapp 60 Prozent). Und die Brennstoffzellen sind auch nicht besser. In der Literatur finden sich zwar höhere Werte, aber da muss man auf die Randbedingungen schauen. Wenn ich eine Brennstoffzelle nur sehr gering belaste, quasi im Leerlauf betreibe, kann ich sehr gute Wirkungsgrade messen. In der Praxis will ich aber Leistung erzeugen.
Und in dem Moment, wo ordentlich Strom erzeugt wird, fällt Verlustleistung über den Innenwiderstand der Zelle ab und der Wirkungsgrad sinkt rapide. Die Brennstoffzelle bringt gegenüber dem Gasmotor in der Praxis meist keine Vorteile beim Wirkungsgrad und konnte sich deshalb kaum durchsetzen. Ihr Einsatz ist bisher auf einige wenige Spezialanwendungen beschränkt. Unterm Strich ergibt sich bei allen Varianten ein maximaler Over-All-Wirkungsgrad unter 25 Prozent (realistisch eher 16 bis 20 Prozent). Wir benötigen also durch diese Verfahren die vier- bis sechsfache Menge regenerativen Strom.
Das ist natürlich kein Grund, all diese Verfahren generell abzulehnen. Es gibt Einsatzgebiete, wo wir auf flüssige Treibstoffe auch in Zukunft nicht verzichten können. Beispielsweise die Luftfahrt. Flüssige Treibstoffe haben auf das Gewicht bezogen die zehn- bis 20-fache Energiespeicherdichte wie Akkus. Da muss man den schlechten Wirkungsgrad der Turbinen bei Flugzeugen eben in Kauf nehmen.
Auch Eisenerz kann man nicht rein elektrisch verhütten. Zur Reduktion des Eisenoxids benötigt man ein Reduktionsmittel. Und wenn man keine fossilen Brennstoffe einsetzen will, muss man dies Reduktionsmittel unter Einsatz von regenerativ erzeugtem Strom herstellen. Natürlich ist fraglich, ob Elektrolysewasserstoff hier das Mittel der Wahl ist? Da die Synthesegaserzeugung nach dem Sunfire-Verfahren einen besseren Wirkungsgrad hat, sollte man hier den Einsatz von Synthesegas statt Wasserstoff erwägen.
Und Ammoniak wird man in Zukunft auch brauchen - zum Beispiel als Ausgangsstoff für Stickstoffdünger. Natürlich muss man den Einsatz von Kunstdünger reduzieren, da heute viele Felder katastrophal überdüngt sind, aber auch in Zukunft wird man Stickstoffdünger in sinnvollem Maße benötigen.
Deshalb wird man alle diese Technologien in Zukunft in begrenztem Umfang sicher brauchen. Aber nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Denn was wollen wir erreichen? - Klimaschutz! Aber warum und wie?
Der Klimawandel wartet nicht
Die Temperaturmesswerte zeigen, dass weltweit die Durchschnittstemperatur in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Fast alle Wissenschaftler sind sich einig, dass die Ursache ein Anstieg der Konzentration von Treibhausgasen, vor allem CO2, in der Atmosphäre ist. Mit dieser Klimaveränderung gehen Extremwetterlagen und schnelle Veränderungen der Umweltbedingungen einher. Das gefährdet weltweit die Ökosysteme, denn Tiere und Pflanzen brauchen Zeit, um sich an veränderte Bedingungen anzupassen. Wenn die Veränderungen zu schnell gehen, kippen die Ökosysteme und brechen zusammen.
Das ist eine große Gefahr für die gesamte Menschheit, denn wir sind auf eine intakte Natur angewiesen. Sie ist unsere Lebensgrundlage; wenn wir sie zerstören, bricht unsere menschliche Zivilisation ebenfalls zusammen. Deshalb müssen wir den Klimawandel stoppen und die Emissionen so schnell wie möglich reduzieren. Aber wir können sie leider nicht einfach per Dekret verbieten. Unsere Gesellschaft ist auf die Verfügbarkeit von ausreichend Energie angewiesen und würde ohne sie ebenfalls zusammenbrechen.
Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und auf ihr Funktionieren angewiesen. Bei Strafe unseres Untergangs. "Zurück auf die Bäume" geht nicht. So bleibt uns nur die Wahl, die gesamte Energieversorgung so schnell wie möglich auf regenerative Energie umstellen. Aber das ist eine Riesenaufgabe, die alle Bereiche unserer Gesellschaft betrifft. Mit einer Hau-Ruck-Aktion ist es nicht zu schaffen. Es ist eine Aufgabe für mindestens die nächsten 20 Jahre. Dummerweise wartet der Klimawandel nicht. Deshalb müssen wir die Energiewende so schnell wie möglich schaffen.
Der "Flaschenhals" ist die Bereitstellung von genügend Ökostrom, um die fossilen Brennstoffe zu ersetzen. Deshalb müssen wir die regenerative Stromerzeugung schnellstmöglich ausbauen. Und so lange ein Mangel an Ökostrom herrscht, sollten wir ihn da einsetzen, wo die größte CO2-Einsparung pro kWh möglich ist.
Verhüttung von Eisenerz mit Wasserstoff? - Später!
Wer das durchrechnet, kommt zu dem Ergebnis, dass der Stromverbrauch für die elektrolysewasserstoffbasierten Verfahren zu hoch ist und dass man durch Umstellung des Pkw-Verkehrs auf E-Autos und den Ersatz von Strom aus fossilen Brennstoffen mit dem vorhandenen Ökostrom schnell wesentlich mehr CO2 einsparen kann. Die Erzeugung von Synfuel und die Verhüttung von Eisenerz mit Wasserstoff sollten wir uns für später aufheben. Für sehr viel später.
Beispiel: 2017 wurden in Deutschland 9,93 Millionen Tonnen Kerosin von Flugzeugen getankt. Das ergibt etwa 31 Mio t CO2. Aber für die Produktion des benötigten Synfuels, um zehn Millionen Tonnen Kerosin zu ersetzen, wird mehr Strom gebraucht als für die Umstellung des gesamten PKW-Verkehrs auf Strom. Deshalb sollten wir die Flugzeuge zunächst mit Kerosin weiter fliegen lassen und lieber die 132 Millionen Tonnen CO2 aus dem Pkw-Verkehr einsparen. Das Gleiche gilt für die Verhüttung von Eisenerz.
Und noch eine Bemerkung zum Synfuel: Bei der Nutzung einer Tonne Synfuel entsteht genau so viel CO2 wie bei der Verbrennung einer Tonne Kerosin. Das Synfuel ist also dabei genauso klimaschädlich. Der Unterschied liegt nur darin, dass das Synfuel in der CO2-Bilanz nicht auftaucht, weil bei seiner Herstellung die gleiche Menge CO2 aus anderen Quellen verbraucht und so nicht in die Atmosphäre freigesetzt wurde.
Deshalb ist die beste Möglichkeit, im Verkehr was fürs Klima zu tun, nicht der Einsatz von Synfuel, sondern der Verzicht auf nicht unbedingt notwendige Flüge, zum Beispiel durch Umstieg auf die Bahn. So wird nämlich wirklich CO2 gespart. Aber diese Entscheidung muss jeder für sich treffen. Sie durch eine CO2-Steuer erzwingen zu wollen, wird nicht funktionieren. Und CO2-Zertifikate sind nur die moderne Version des Ablasshandels.
Deutschland kann allein nicht die Welt retten? - Vorreiter war es dabei nie
Zum Schluss noch eine Anmerkung zu der in Kommentaren wiederkehrenden Aussage, dass Deutschland nur zwei Prozent der CO2-Emissionen verursacht und dass wir das Klima sowieso nicht retten können, weil unsere Einsparungen durch die anderen Länder überkompensiert würden: Natürlich stimmt es, dass Deutschland alleine nicht die Welt retten kann. Allerdings ist das ein schräges Argument, das nur als Ausrede fürs Nichtstun dient. In Deutschland lebt etwa ein Prozent der Weltbevölkerung - wir verursachen aber etwa zwei Prozent der CO2-Emissionen - also pro Kopf doppelt so viel wie der Durchschnitt der Menschen weltweit. Daher können wir uns nicht hinter anderen verstecken.
Im Übrigen ist Deutschland bisher beim Klimaschutz auch sehr selten als Vorreiter in Erscheinung getreten. Unsere Regierung hat bei den Vorgaben und Klimazielen immer gebremst, so gut sie konnte. Und wenn es sich dann mal gar nicht vermeiden ließ, irgendwelche Ziele festzuschreiben, dann wurden sie eben hinterher nicht erreicht. Schuld ist natürlich niemand - man spricht einfach nicht mehr darüber. Wird man schon vergessen, fertig, aus. So funktioniert die derzeitige deutsche Klimapolitik.
Und wenn jetzt auf EU-Ebene verbindliche Klimaziele vorgegeben werden, heißt das auch noch lange nicht, dass wir sie erreichen. Natürlich drohen der Bundesrepublik bei Nichterfüllung Strafzahlungen. Aber alles halb so schlimm. Die Bundesrepublik ist nämlich größter Nettoeinzahler in der EU. Wenn große Strafzahlungen fällig werden, kann man das sicher durch geschicktes Verhandeln bei den Beitragszahlungen kompensieren, damit alles bleibt, wie es ist. Und auf diese Weise verspielen wir unsere Zukunft. Wir sollten aber nicht vergessen: Die Natur braucht uns nicht, wir brauchen die Natur.