Fliegendes Teleskop soll kosmischen Gral aufspüren
Weltgrößtes Flugzeugobservatorium SOFIA feiert nächstes Jahr definitiv Jungfernflug
Das deutsch-amerikanische Infrarot-Observatorium SOFIA soll jetzt endgültig im Herbst 2004 in die Stratosphäre eintauchen, um von dort in einem ausgemusterten und umgebauten Jumbo-Jet Ausschau nach Schwarzen Löchern und anderen obskuren Himmelskörpern zu halten. Das vielseitig einsetzbare Flugzeugobservatorium soll dem Licht im infraroten Bereich die letzten Geheimnisse entreißen.
Auf der Suche nach dem kosmischen Gral, nach den noch ungelösten Geheimnissen des Universums, könnten Astronomen bereits nächstes Jahr einen gewaltigen Sprung nach vorn machen, sofern der mehrfach verschobene Jungfernflug des deutsch-amerikanischen Infrarot-Observatoriums SOFIA (Stratospheric Observatory for Infrared Astronomy) im Herbst 2004 endlich die vielerorts erwartete kosmisch-maritime Premiere feiert.
Eigentlich sollte das deutsch-amerikanische SOFIA-Teleskop schon letztes bzw. dieses Jahr in einem ausgemusterten Jumbo-Jet seine Arbeit aufnehmen. Doch beide Termine wurden aus finanziellen Gründen verschoben. Aber nunmehr sieht alles danach aus, als könnte der 2,7 Meter Durchmesser große Hauptspiegel des SOFIA-Infrarotteleskops in absehbarer Zeit an Bord einer umgebauten Boeing 747 SP, einer verkürzten Version des Jumbo-Jets, die von 1977 bis 1995 bei den Fluggesellschaften PanAm und United Airlines im Einsatz war, in die Luft gehen und dem Licht im infraroten Bereich die letzten Geheimnisse entreißen.
Zehn Quadratmeter großes Loch im Jumbo-Heck
Wenn die ehemalige US-Linienmaschine ihre Dienstgipfelhöhe (12 bis 14 Kilometer) erreicht und damit zwei bis vier Kilometer oberhalb der regulären Verkehrsflugzeughöhe operiert, schiebt sich im hinteren Teil des Flugzeugs, wo in der Außenhaut eine rund zehn Quadratmeter große Öffnung geschnitten wurde, eine jalousieähnliche Tür nach oben. Während ein Schott die Forscher und Instrumente vor dem niedrigen Luftdruck und der Kälte schützt, starrt das Teleskop durch das künstliche Loch im linken hinteren Rumpf des Jumbo-Jets. Der Hauptspiegel hat dann einen nahezu störungsfreien Blick ins All. Vor der Landung wird die Rolltür wieder geschlossen und schützt auf diese Weise das "Fernrohr" vor Feuchtigkeit und Schmutz.
Allerdings muss das Teleskop Temperaturen von etwa minus 60 Grad Celsius, dem Fünftel des Luftdrucks am Erdboden, trotzen. Gewappnet sein muss es auch gegen die starken Luftturbulenzen, die in der Stratosphäre vorherrschen. Ein Stoßdämpfersystem sorgt dafür, dass sich die Triebwerksvibrationen des Flugzeugs nicht auf das Teleskop übertragen können.
Funktioniert alles nach Plan, dann kann das Flugzeugteleskop die empfindlichen aus dem Weltraum eintreffenden Infrarotstrahlen, deren Spektralbereich etwa zehn Mal größer ist als das sichtbare Licht, nahezu ungefiltert einfangen. Ungefiltert deshalb, weil SOFIA in seinem Operationsgebiet, in der Stratosphäre, bereits 99 Prozent des infrarotschluckenden Wasserdampfs unter sich gelassen hat.
Dass der Informationsgehalt der Wärmestrahlung für Astronomen von unschätzbarem Wert ist, hängt damit zusammen, dass viele astronomische Himmelskörper lediglich im infraroten Bereich des Lichtes emittieren. Da Wärmestrahlung problemlos dunkle Gas- und interstellare Staubwolken durchdringt, werden junge Sterne und Planetensysteme, ferne Galaxien und Staubnebel oder das Zentrum unserer Milchstraße, in dem ein Schwarzes Loch vermutet wird, mit einem Male "sichtbar".
Flexibel einsetzbar
Während bei der Satellitentechnik (vor allem bei Weltraumteleskopen) schon viele Jahre vor dem Starttermin das Instrumentenkonzept eingefroren wird - wohlwissend, dass im nächsten Jahr weitaus bessere Hard- und Software auf dem Markt sein wird, lässt sich bei einem Flugzeugobservatorium jeder Hard- und Softwarebaustein kurzfristig austauschen. Hinzu kommt, dass SOFIA auf jedem größeren Flughafen starten und landen und deshalb weltweit zur Beobachtung von kurz andauernden Ereignissen wie etwa Sonnen- und Mondfinsternissen optimal eingesetzt werden kann. Darüber hinaus können die Forscher mit dem Trägerflugzeug innerhalb der acht Stunden währenden Flugzeit die Flugbahn gezielt nutzen, um ein Objekt für mehrere Stunden anzuvisieren.
Das Herzstück von SOFIA ist das bereits weit gehend fertig gestellte Infrarotteleskop. Es besteht aus einem aus glaskeramikgefertigten 800 Kilogramm schweren Hauptspiegel von 2,7 Meter Durchmesser, der selbst extreme Temperaturschwankungen unbeschadet übersteht. Hinzu kommen zwei weitere, kleinere Spiegel.
Nach seinem Jungfernflug im Herbst 2004 soll das Observatorium bis zum Jahr 2025 jährlich 160 mal in die Stratosphäre aufsteigen und pro Einsatz dabei auch etwa 30 deutschen Forschergruppen Platz bieten. "Wir erhoffen uns davon weitreichende Erkenntnisse zum interstellaren Medium in Zwerggalaxien und zur Materie in den Randbezirken unserer Milchstraße", erklärt der Astronom und Privatdozent Dr. Andreas Heithausen, der mit Professor Dr. Ulrich Klein den Sonderforschungsbereichs (SFB) "Die Entwicklung der interstellaren Materie" an der Bonner Universität leitet.
Bilaterales NASA-DLR-Projekt
Bei dem bilateralen Projekt ist die NASA sowohl für den Kauf, Umbau und Betrieb des Flugzeugs als auch für die Infrastruktur am Boden verantwortlich. Der Beitrag des DLR beschränkt sich auf die Lieferung des Teleskops, womit 1997 die Firmen MAN Technologie und Kayser-Threde beauftragt wurden. Wissenschaftlich sind in Deutschland an dem Forschungsprojekt neben dem Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie das Physikalische Institut der Universität Köln und das Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau beteiligt.
Da das DLR mit zwanzig Prozent an den Projektkosten in Höhe von 350 Millionen Mark beteiligt ist, erhalten deutsche Wissenschaftler 20 Prozent der Beobachtungszeit mit SOFIA. Den Löwenanteil der Kosten trägt indes die NASA.
Übrigens hat nun auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) die Verlängerung des Sonderforschungsbereichs "Die Entwicklung der interstellaren Materie" für weitere drei Jahre beschlossen.. Die DFG fördert das Projekt mit insgesamt 6,6 Millionen Euro, von denen ein großer Teil in die Entwicklung des SOFIA-Projekts fließen soll.
Eine aufschlussreiche Videosimulation