Foodwatch kritisiert EU: Viele Pestizid-Zulassungen ohne Risikoprüfung verlängert

Bild: Th G auf Pixabay

Fast ein Drittel der Ackergifte in der EU sind betroffen, zeigen Recherchen. Foodwatch fordert Landwirtschaftsminister Cem Özdemir auf, sich für eine Reform des Systems einzusetzen.

Die Europäische Union pflegt einen laxen Umgang mit Ackergiften. Das zeigen die Recherchen der Organisation Foodwatch, die am Mittwoch präsentiert wurden. Bei fast einem Drittel der verwendeten Chemikalien seien die Zulassungen eigentlich abgelaufen, doch Brüssel würde die Genehmigungen regelmäßig verlängern – ohne vorgeschriebene Sicherheitsprüfung.

Betroffen seien demnach 135 von 455 Pestiziden, die in der EU zugelassen sind. Das ergab eine Auswertung der EU-Pestizid-Datenbank, wie die Verbraucherorganisation mitteilte.

Prominentes Beispiel ist Glyphosat. Erst kürzlich hatte die EU-Kommission angekündigt, dessen Verwendung bis Dezember 2023 zu verlängern. Und das, obwohl das endgültige Gutachten der zuständigen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erst im kommenden Jahr erwartet wird.

Der Unkrautvernichter steht im Verdacht, Krebs zu erregen. Auch einen Anteil am Insektensterben wird dem Stoff unterstellt. Im vergangenen Jahr hatte zumindest eine Gruppe von Wissenschaftlern der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und des National Institute of Advanced Industrial Science and Technology in Japan nachweisen können, dass Glyphosat Insekten indirekt schädigen kann.

Betroffen sind aber auch andere Stoffe, wie das Herbizid Flufenacet. Es belastet unter anderem das Grundwasser. Seine Zulassung war eigentlich 2012 ausgelaufen – genutzt wird es dennoch. Allein in Deutschland werden laut Foodwatch mehr als 830.000 Kilogramm davon verspritzt.

Auch das Insektizid Deltamethrin wird weiterhin verwendet. Bei dem Nervengift wurde die Zulassung laut Foodwatch seit 2013 immer wieder verlängert. Brisant ist das, weil der Stoff als besonders gefährlich gilt und von der EU als "Candidate for Subsitution" eingestuft wurde. Damit müsste er eigentlich eine kürzere Zulassungsdauer haben.

Den Grund für die weitere Verwendung dieser Stoffe sieht Foodwatch im Zulassungssystem der EU für Pestizide. Es habe "so viele Schwachstellen, dass eine Reform dringend notwendig ist", erklärte Lars Neumeister von Foodwatch. Er rief Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, sich in Brüssel für die Reform einzusetzen.

Bislang gilt in der Europäischen Union ein zweistufiges Zulassungsverfahren. Im ersten Schritt werden Wirkstoffe auf EU-Ebene zugelassen. Im zweiten Schritt werden die Produkte, welche den Wirkstoff verwenden, durch die einzelnen Länder zugelassen.

Die Genehmigung der Wirkstoffe gilt in der Regel für zehn Jahre, danach kann sie auf Antrag verlängert werden. In die Entscheidung müssen allerdings neue Daten einbezogen werden.

Weil die Chemikalien offenbar ohne neue Risikobewertung zugelassen werden, fordert Foodwatch, dass sie sofort vom Markt genommen werden sollen. Ferner spricht sich die Organisation für höhere Zulassungsgebühren für die Pestizidhersteller aus. Die EU-Behörden sollen damit ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung bekommen, um die Risikobewertungen rechtzeitig durchführen zu können.

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