Frankreich: Vehementer Widerstand gegen EU-Mercosur-Freihandel
Die großen Konzerne schweigen diskret, Bauern und Umweltschützer empören sich. Im Zentrum der Kritik steht die brasilianische Regierung unter Bolsonaro
Zwar hat sich der französische Präsident Macron prinzipiell für das Abkommen der EU mit dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur ausgesprochen - und dessen Gegner in die Ecke der "Neo-Protektionisten" gestellt -, aber der Widerstand gegen die Handelsvereinbarung (Kernpunkte hier) in Frankreich nimmt an Stärke zu.
Dass die Ratifizierung in Frankreich dauern könnte und sich Paris erstmal dagegen sperrt, wurde schon vor zwei Tagen gemeldet. Heute blättert Le Monde eine ganze Reihe von Kritikpunkten auf, die aus der Agrarwirtschaft, von Tierschutz- und Umweltschutzverbänden mit Vehemenz geäußert werden. Demgegenüber würden sich die Gewinner des Abkommens "diskret zurückhalten", so die Zeitung.
Die größte und lauteste Empörung gibt es erwartungsgemäß bei den Vertretern der Fleischproduzenten, die durch das Freihandelsabkommen eine Bevorteilung der "ultrakompetitiven" Konkurrenz der Züchter aus den Mercosurländern (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) sehen.
Nach der Ratifizierung der Vereinbarung ist vorgesehen, dass für die Einfuhr von 99.000 Tonnen Schlachtgewicht Rindfleisch pro Jahr schrittweise über den Zeitraum von fünf Jahren niedrigere Einfuhrzölle (7,5 %) eingeführt werden, für Hähnchenfleisch ist eine Freihandelsmenge von 180.000 Tonnen Schlachtgewicht vorgesehen. Le Monde erwähnt dazu noch eigens 60.000 Tonnen "viande bovine", die künftig völlig zollfrei eingeführt werden (die Abgrenzung zu "bœuf" ist nicht ganz klar - auch "viande bovine" wird häufig mit "Rindfleisch" wiedergegeben, in deutschen Fachblättern wird "hochwertiges Rindfleisch" als Produkt mit eigenen Zollerleichterungen erwähnt). Dazu kommen laut der französischen Zeitung Zollerleichterungen für die Einfuhr für Geflügel in Höhe von 500.000 Tonnen Schlachtgewicht.
Le Monde macht darauf aufmerksam, dass die Menge des eingeführten Rindfleisches in der Relation zu den 8 Millionen Tonnen jährlichem Rindfleischkonsum in der EU nicht sonderlich groß ist (bei der deutschen Fachpublikation ist von einem 1,25 Prozent-Anteil zu lesen).
Mehr Pestizide und Hormone, weniger Kontrollen
Aber, so wird neben der Wettbewerbsfähigkeit von einem Vertreter eines großen französischen Dachverbandes von Gewerkschaften und Bauernvereinigungen vorgebracht: "Warum soll es diese Erleichterungen geben, wenn die Produktion in den südamerikanischen Ländern nicht den Bestimmungen untergeordnet ist, denen wir in Europa folgen müssen?"
Erwähnt werden in diesem Zusammenhang Korruptions- und Lebensmittelhygieneskandale des brasilianischen Fleischunternehmens JBS, in die auch die Linksregierungen verwickelt waren. Vor allem aber die Verwendung von Hormonen und Antibiotika (Brasilien sei hier weltführend), die in den südamerikanischen Ländern anderen Regelungen unterworfen sei. Die Kontrollen seien mangelhaft und es würde zuvor Bescheid gegeben, wie Vertreter von Tierschutzverbänden anmerken.
Generell wird von mehreren Seiten kritisiert, dass die "intensive Landwirtschaft" in den Mercosur-Ländern ganz anderen Standards bei der Verwendung von Pestiziden unterliege. Erwähnt wird dazu, dass die Regierung Bolsonaro in Brasilien seit Januar dieses Jahres 239 Pestizid-Produkte für den Markt freigegeben habe, Nutznießer ist unter anderem Bayer.
Agrarprodukte, Autos und Menschenrechte
Mit dem brasilianischen Präsidenten Bolsonaro hat auch die Kritik in Frankreich am EU-Freihandelsabkommen mit Mercosur ein Ziel gefunden, das größere öffentliche Aufmerksamkeit findet. Vorgebracht wird, dass das Abkommen die Abholzung des Regenwaldes fördert oder begünstigt, dass die EU einerseits Menschenrechte hochhält und andererseits mit Bolsonaro einen Politiker unterstützt, der für Menschenrechte nicht viel übrig hat.
Kritisiert wird im Nachbarland wie auch hierzulande, dass Konzerne - insbesondere aus der kriselnden Automobilbranche und der Pharmaindustrie - die Profiteure sind ("Tausche Agrarprodukte gegen Autos").
Man habe aus Gründen einer ideologischen Export-Ideologie die Zeichen der Zeit nicht erkannt, merkte man schon vor zwei Jahren auf Makroskop zum Freihandel an.
"Regionalität ist doch der Boom"
"Worauf stützt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eigentlich seine Annahme, dass die deutschen Verbraucher unbedingt ganz viel mehr Agrarimporte aus Südamerika wollen, wo doch die Regionalität aktuell der Boom sei und nicht die Globalisierung der Agrarmärkte?", fragte das kritische Wirtschaftsmagazin im Sommer 2017. Erwähnt wurde, dass Deutschland viele "offensive Interessen" in Südamerika habe.
In dem Bericht wurden der Export von Milch und Milchprodukten akzentuiert. Wie es heißt, soll Milchpulver zu den EU-Gütern gehören, die über das Freihandelsabkommen mit Mercosur erleichtert werden.
Angesicht der Kritik am Aufbau der "größten Freihandelszone der Welt" (Tagesschau) wird der Ratifizierungsprozess, der sämtliche EU-Länderparlamente durchläuft, wie anzunehmen ist, kein leichtes Spiel. Offensichtlich hat die EU aus der Kritik an TTIP nicht wirklich viel gelernt. Auch beim neuen Freihandelsabkommen wird ihr mangelnde Transparenz vorgeworfen. Bislang sind nur die oben erähnten Kernpunkte bekannt.
Dort ist zwar schnell und leicht zu erkennen, dass die Automobilexporte in die Mercosur-Zone mit einer beträchtlicher Zollerleichterung rechnen kann, aber nur mit genauer Lektüre ist zu erkennen, dass sich unter den ambitionierte Zielen zum "Umweltschutz und der Arbeitsbedingungen" nichts oder davon wenig zeigt, wie diese Ziele durchzusetzen wären. Wirklich verpflichtend ist davon so gut wie nichts.
Bolsonaro wirft den Europäern ohnehin eine "Umweltpsychose" vor.
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