Frankreich (wieder einmal) am Scheideweg

Bild: Luc Legay, CC BY-SA 2.0

Erneut muss Emmanuel Macron sein Amt gegen die Rechtspopulistin Le Pen verteidigen. Das dürfte schwieriger werden als vor fünf Jahren

In Frankreich wird Amtsinhaber Emmanuel Macron wie vor fünf Jahren erneut in einer Stichwahl gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen antreten. In der ersten Runde der Wahl erhielt der EU-orientierte Amtsinhaber am gestrigen Sonntag gemäß den Hochrechnungen bis zu 29,7 Prozent der Stimmen. Le Pen kann mit bis zu 24,7 Prozent rechnen. Das Resultat der Stichwahl in zwei Wochen wird als wegweisend für die Zukunft der Europäischen Union betrachtet.

Der deutsche Dienst der französischen Nachrichtenagentur AFP schrieb in einer ersten Zusammenfassung am Abend, ein Wahlsieg Le Pens würde in den Augen "vieler gemäßigter Europäer (…) ein drittes politisches Erdbeben in der westlichen Welt bedeuten, nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU und dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA".

Le Pen habe im Wahlkampf für eine Kehrtwende in der Europapolitik plädiert und wolle unter anderem die gemeinsame Verteidigung aufkündigen, schrieb die AFP weiter: "Die wegen des Ukraine-Kriegs geschmiedete Allianz westlicher Staaten gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wäre gefährdet."

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag lag die Wahlbeteiligung niedriger als 2017. Auch im Vergleich zu den Urnengängen davor nimmt die Teilnahme an Wahlprozess in Frankreich stetig ab.

Nach Agenturangaben blieben 26,2 und 29,1 Prozent der Wähler den Wahllokalen fern. Sie sei deutlich mehr als vor fünf Jahren, als diese Quote bei 22,2 Prozent lag, und "ein Zeichen der wachsenden Unzufriedenheit vieler Franzosen mit ihrer politischen Führung".

Nach Angaben der Seite europeelects.eu, lag die Beteiligung im europäischen Teil Frankreichs noch einmal deutlich niedriger und ist noch 73,9 Prozent im Jahr 2007 auf 65 Prozent an diesem Sonntag zurückgegangen (2012: 70,6 Prozent; 2017: 69,4 Prozent).

Macron zeigt sich am Wahlabend davon überzeugt, dass die Debatte der kommenden zwei Wochen "entscheidend für unser Land und für Europa" sein. "Noch ist nichts gewonnen", fügte er an. Er wolle ein Frankreich, "das Muslimen oder Juden nicht verbietet, zu essen, was ihre Religion ihnen vorschreibt", sagte Macron weiter, der damit auf ausländerfeindliche Positionen Le Pens anspielte.

Ihren Rassismus hatte die rechtspopulistische Kandidatin im Wahlkampf sichtlich in den Hintergrund gestellt. Stattdessen hatte Le Pen die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme vieler Franzosen den Mittelpunkt ihrer Kampagne gerückt.

Zunehmende wirtschaftliche Probleme im Fokus

"Was am 24. April auf dem Spiel steht, ist keine Wahl der Umstände, sondern eine Entscheidung für die Gesellschaft, eine Entscheidung für die Zivilisation", kommentierte le Pen das bisherige Ergebnis: "Von Ihrer Stimme hängt ab, welchen Platz wir den Menschen gegenüber der Macht des Geldes einräumen wollen."

Macron konterte: "Das einzige Projekt, das sich um Kaufkraft kümmert, das ist unseres". Und während Le Pen nun das heterogene Lager der Macron-Gegner umwirbt, plädierte der Linke Jean-Luc Mélenchon für Stimmen gegen le Pen in zwei Wochen: "Ich kenne Eure Wut, gebt Euch nicht der Gefahr hin, dass sie Euch Fehler begehen lässt, die nicht mehr rückgängig zu machen sind."

Mélenchon war in der ersten Runde der Wahl auf dem dritten Platz gelandet und hatte den Einzug in die Stichwahl verpasst.

Bei der Stichwahl vor fünf Jahren hatte sich Macron gegen Le Pen mit 66 Prozent deutlich durchgesetzt. Mit Blick auf die Abstimmung in zwei Wochen gegen Demoskopen von einem deutlich knapperen Ergebnis aus. Nach AFP-Angaben rechneten erste Umfragen am Sonntagabend mit Ergebnissen von 51 zu 49 beziehungsweise 54 zu 46 Prozent.

Olivier Faure, der der sozialdemokratischen "Sozialistische Partei" (SP) vorsteht, musste am Sonntag indes eine heftige Niederlage seiner Genossen einräumen. "Die Linke" müsse sich neu erfinden, sagte Faure unter Bezug auf seine Gruppierung und gestand ein, dies gelte vorrangig für seine Sozialistische Partei.

Sie sei am Sonntag Zeugin davon geworden, "wie ein Kapitel ihrer Geschichte endet". Die SP-Kandidatin Anne Hidalgo erreichte Hochrechnungen zufolge wohl nur 1,8 Prozent der Stimmen.