Französische Truppen im Ukraine-Krieg: Können sie das Blatt noch wenden?

Zerstörter russischer Panzer im Ukraine-Krieg

Ein zerstörter russischer Kampfpanzer zeugt von den intensiven Kämpfen im Ukraine-Krieg.

(Bild: kibri_ho / Shutterstock.com)

Die ukrainische Verteidigung steht vor erheblichen Problem und Frankreich erwägt, ihnen Truppen zur Hilfe zu schicken. Was sind die aktuellen Probleme und Aussichten?

Es gibt Anzeichen, die auf Herausforderungen in der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine hinweisen. Die russischen Truppen bewegen sich seit Oktober in aufreibenden Kämpfen mit minimalen Geländegewinnen weiter westwärts. Daran zeigen sich auch Folgen einer Politik der ukrainischen Führung, die den Bau von adäquaten Verteidigungsstellungen nicht früh genug forciert hat.

Die New York Times ist denn auch überrascht, wie schwach die Verteidigungsstellungen ausgebaut sind. Die ukrainischen Verteidigungsanlagen außerhalb von Awdijiwka weisen demnach "nur rudimentäre Erdwälle auf, oft mit einem Verbindungsgraben für Infanterietruppen, um die dem Feind am nächsten gelegenen Feuerstellungen zu erreichen, aber sonst gibt es kaum etwas".

Mangel an robusten ukrainischen Befestigungen

Das Fehlen robuster ukrainischer Befestigungen in diesem Gebiet sei besonders eklatant, wenn man es mit den gewaltigen russischen Verteidigungsanlagen vergleiche, die Kiews Vorstöße im letzten Sommer während der ukrainischen Gegenoffensive, die letztlich scheiterte, vereitelten.

Zwar bemühen sich ukrainische Ingenieure und Pioniere rund um die Uhr, die verlorene Zeit aufzuholen und weitere Verteidigungsanlagen zu errichten, doch das Problem ist das Wetter: In den vergangenen Wochen und Monaten war die Erde gefroren und dadurch nur mühsam durch schweres Gerät zu bearbeiten.

Jetzt setzt die Schlammperiode ein, die systematische Arbeit an der Errichtung von Verteidigungsstellungen massiv behindern wird.

Verluste und Strategische Kommunikation im Ukraine-Krieg

Die Situation der ukrainischen Armee wird durch westliche Kommentatoren, wie es den Anschein hat, nach in besserem Licht dargestellt, als es die Wirklichkeit hergibt. Dazu gehört, dass die Verluste der russischen Armee betont werden. Sie sollen gleich um ein Vielfaches höher sein als die der ukrainischen Armee.

Das ist mit Vorsicht zu behandeln. Aufgrund der vorsichtigen Angriffstaktiken der russischen Armee in Kombination mit einer drückenden Feuer-Überlegenheit gibt es da auch Gründe für Zweifel, zumal "Strategische Kommunikation" im Krieg von großer Bedeutung ist.

Aktuell ist im Zusammenhang mit Verlusten eine neue Zahl aufgetaucht, die ebenfalls im Rahmen der "Strategische Kommunikation" zu lesen ist. Diesmal die Ukraine betreffend. Sie ist hochspekulativ und durch keinerlei solide Basis abgedeckt. Interessant ist, dass sie aus einem Land der Unterstützer der Ukraine kommt.

Die Verluste der Ukraine im Krieg mit Russland dürften "in die Millionen gehen", behauptet der ehemalige Chef des polnischen Generalstabs, Rajmund Andrzejczak, im Gespräch mit dem privaten polnischen Fernsehsender Polsat

Er nannte die Defizite bei der Ausstattung der Truppen, die Herausforderungen bei der Mobilisierung und der Versorgung mit Ausrüstung. Andrzejczak wies auch auf die Bedeutung der bereits erlittenen Verluste hin.

Es fehlen mehr als 10 Millionen Menschen. Ich schätze, dass die Verluste in Millionen und nicht in Hunderttausenden zu beziffern sind. Das Land hat keine Ressourcen und niemanden zum Kämpfen", fügte er hinzu.

Rajmund Andrzejczak

Probleme bei der Truppenverstärkung in der Ukraine

Allerdings wird damit ein wirkliches Problem angesprochen. Dass die Mobilisierungsbemühungen der Ukraine immer verzweifelter werden, berichtet nämlich auch ein aktueller Artikel der Washington Post vom 16. März.

Zivilisten hier sagen, dass das zur Folge hat, dass Militärrekrutierer sich jeden schnappen, den sie kriegen können. Im Westen hat die Mobilisierungskampagne in kleinen Landwirtschaftsstädten und Dörfern wie Makiw stetig Panik und Abneigung hervorgerufen.

Die Einwohner berichten, dass Soldaten, die für die Einberufungsbehörden arbeiten, durch die fast leeren Straßen streifen und nach verbliebenen Männern suchen. Diese Taktik hat einige zu der Annahme veranlasst, dass ihre Männer im Vergleich zu anderen Regionen oder größeren Städten wie Kiew, wo es einfacher ist, sich zu verstecken, unverhältnismäßig häufig ins Visier genommen werden.

Einheimische warnen über Telegram-Kanäle vor Soldaten, die gesichtet wurden, und teilen Videos von Truppen, die Männer in ihre Fahrzeuge zwingen, was Gerüchte über Entführungen schürt. Einige Männer sitzen jetzt im Gefängnis, weil sie sich geweigert haben, sich zu melden.

"Die Menschen werden wie Hunde auf der Straße gefangen", sagte Olha Kametyuk, 35, deren Ehemann Valentin, 36, im Juni von Soldaten eingezogen wurde, die ihn ansprachen und nach seinen Papieren fragten, nachdem er an der Hauptstraße außerhalb von Makiv einen Kaffee getrunken hatte. Trotz der Diagnose einer Osteochondrose, einer Gelenkerkrankung, bestand er die ärztliche Untersuchung innerhalb von 10 Minuten, sagte sie, und wurde an die Front geschickt, wo er verwundet wurde.

Washington Post

Hohe Verluste an der Front, verzweifelte Mobilisierungsbemühungen im Hinterland

Mögliche hohe Verluste an der Front, verzweifelte Mobilisierungsbemühungen im Hinterland: Wenn diese Information zutreffen sollten, dann sieht es auch bei der "Manpower" nicht gut aus für die ukrainische Verteidigung.

Dann schafft es die ukrainische Führung zurzeit nicht, ihre Truppen in der Kampfzone zu verstärken, es gibt sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es der ukrainischen Führung seit einigen Wochen oder gar Monaten nicht gelingt, auch nur die Verluste auszugleichen – die Kampfkraft schwindet. Zudem gibt es Hinweise auf eine nur rudimentäre Ausbildung neu eingezogener Soldaten.

So fordert dann auch der US-Senator Lindsey Olin Graham die ukrainischen Parlamentarier auf, doch endlich das Mobilisierungsgesetz zu verabschieden und ein letztes Aufgebot an die Front zu zwingen. Implizit fordert er die Senkung des Mobilisierungsalters auf weit unter 25 Jahre. So sagt er, zitiert nach Responsible Statecraft:

Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die für den Dienst im ukrainischen Militär in Frage kommen, sich melden. Ich kann nicht glauben, dass es bei 27 ist. Du kämpfst um dein Leben, also solltest du dienen - nicht mit 25 oder 27.

US-Senator Lindsey Olin Graham

Nachschub an Panzer-Fahrzeugen im Ukraine-Krieg

Ebenfalls schwer wiegen die Verluste an gepanzerten Fahrzeugen. Die brasilianische Militäranalystin Patricia Marins geht davon aus, dass die ukrainischen Streitkräfte nur noch etwa 700 einsatzfähige Kampfpanzer und Schützenpanzer zur Verfügung haben:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ukraine in dieser Phase des Krieges wahrscheinlich über insgesamt weniger als 700 einsatzfähige Panzer und Schützenpanzer verfügt. Wenn meine Zahlen korrekt sind, entspräche dies weniger als 15-18 % der russischen Panzer und Schützenpanzer, die tatsächlich in der Ukraine stationiert sind.

Patricia Marins

Die russischen Streitkräfte haben hingegen weder die Gesamtheit ihrer Streitkräfte in der Ukraine stationiert, noch ihre Lagerbestände an dekommissionierten Panzer-Fahrzeugen ausgeschöpft – die Reserven der russischen Streitkräfte sind beträchtlich: Russland besitzt laut Global Firepower mit knapp 15.000 Panzern die mit Abstand größte Kampfpanzerflotte der Welt.

Mit 700 einsatzfähigen Kampf- und Schützenpanzern wird man den russischen Vormarsch nicht aufhalten können. Das wissen auch die europäischen Nato-Staaten. Und so kündigten erst am Montag Deutschland und Polen an, eine Koalition für gepanzerte Gefechtsfahrzeuge anführen zu wollen. Diese soll hauptsächlich darauf ausgerichtet sein, der Ukraine Kampfpanzer zur Verfügung stellen.

Andere Länder hätten bereits zugesagt, der Koalition beizutreten, namentlich wurden Großbritannien, Schweden und Italien erwähnt.

Unter den genannten Ländern unterhält allerdings nur Polen eine nennenswerte Panzertruppe mit rund 600 Kampfpanzern. Wo also die für die Fortführung des Krieges nötigen Panzerkräfte herkommen sollen, ist noch ein Rätsel. Weitere Informationen zur Panzerkoalition gibt es dementsprechend nicht.

Die Washington Post spricht denn auch unverblümt von einem möglichen militärischen Kollaps der Streitkräfte der Ukraine.

"Das ist für die Ukraine auf Dauer nicht gut, wenn es keine Unterstützung gibt, und es könnte zu einem möglichen Zusammenbruch führen", sagte ein hoher US-Beamter. (…) CIA-Direktor William J. Burns warnte in dieser Woche vor Abgeordneten, dass die Gebietsverluste in diesem Jahr ohne US-Hilfe "erheblich" sein werden und dass die Zeit knapp wird.

Washington Post

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