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Für Deutsche ist überall in England "Freiburg"

Man wollte wohl einer Verwechslung irgendwelcher Debiler zwischen Australien und Österreich vorbeugen. Auf dem Postamt konnte man verschließbare Versandtaschen kaufen, die man wiederverwenden konnte. Die österreichische Post verkaufte sie offiziell unter dem aufgedruckten Namen "Cumbag". Schönes Wort, aber nicht ganz passend. Google hat dafür eine ganze Latte von Definitionen. An sich ist ein Cumbag einfach eine Tüte, in der man sein Sperma ablagern kann. Ein Pariser.

Wie geht es weiter mit Englisch in der EU nach dem Brexit? - Teil 2

Zu Teil 1: Wie geht es weiter mit Englisch in der EU - nach dem Brexit? [1]

Worin unterscheidet sich eigentlich das Amerikanische vom Englischen? Beides sind, wie man das heute in England nennt, verschiedene Formen des Englischen - Englishes. Eh schon kein schönes Wort. Aber das Amerikanische ist heutzutage die international verständlichere Version.

Ich selber begegnete meinem ersten Engländer in Deutschland mit 16 Jahren, einem Mann aus Manchester. Ich konnte buchstäblich kein Wort von dem verstehen, was er mir da eine halbe Stunde lang erzählte. Und obwohl ich den Song "Money" von Pink Floyd mittlerweile seit 50 Jahren kenne, verstehe ich bis heute den Text nicht, selbst wenn ich ihn abgedruckt auf einem Blatt Papier vor mir sehe.

Ähnlich geht es mir bei Texten von"BAP", der Kölner Popgruppe. Es hat mich immer geärgert, dass der Sänger dieser Truppe, Wolfgang Niedecken, völlig verständliches Hochdeutsch spricht, in Interviews, aber dann Songs singt im massiven Dialekt. Umgekehrt, lieber Niedecken, möchte ich ihm zurufen. Singen auf Deutsch, Interviews auf Kölsch.

Wenn der DAAD eine neuseeländische Doktorandin für etliche Semester nach München oder Freiburg schickt, ist das verpulvertes Geld. Der einzige Ort, wo jemand aus Neuseeland Deutsch lernen könnte, wäre Hamburg. Die deutsche Bestseller-Autorin Charlotte Roche spricht Deutsch und Englisch gewissermaßen gleich gut. Aber ihr Deutsch neigt sich, egal aus welchen Gründen, hinüber zum Englischen. Wie zwei Chausseebäume, die zu dicht nebeneinanderstehen. Ihr Deutsch klingt dementsprechend ein wenig Hamburgisch.

Das Hamburgische ist jene Form des Deutschen, die dem Englischen phonetisch am nächsten kommt. Will man einer neuseeländischen Studentin etwas Gutes tun, muss man sie nach Hamburg schicken, nicht nach Freiburg. Das Problem beim britischen Englischen ist, umgekehrt, genau das Gleiche, nämlich, dass man dort, nach England, überallhin eine deutsche Sprachschülerin hinschicken könnte. Für Deutsche ist überall in England - "Freiburg".

Noch schlimmer ist es natürlich, wenn man die Schülerin nach Schottland schickt, denn erstens versteht sie kein Wort von dem, was man ihr dort sagt - und hat sie es aber doch gelernt, versteht kein Mensch mehr, was sie sagt, wenn sie nach Deutschland zurück gekehrt ist. Für deutsche und österreichische Sprachschüler gibt es in Europa nur die Option Dublin oder Belfast.

Ich selber spreche nach Jahrzehnten in Neuseeland und Österreich ein "rock-washed", ein ausgewaschenes Amerikanisch, wie jene zerschlissenen Blue Jeans - und erst kürzlich bestätigte mir eine Engländerin aus Southhampton mal wieder, dass ich ganz bestimmt aus Belfast kommen müsste. Eine Amerikanerin aus Neuengland meinte dagegen, Maine - der Bundesstaat Maine, nördlich von New York - müsste meine Heimat sein.

Das Amerikanische unterscheidet sich vom britischen Englisch also zunächst einmal in der Redegeschwindigkeit. Es läuft bei halbem Tempo. Es ist eine Sprache, die von Ausländern erlernt wurde. Die mit Bewusstsein am Anfang eines Satzes noch nicht sein Ende kennen.

Das Wichtigste ist die amerikanische Sprachmelodie. Man hat sie mit einem Ketchup verglichen, der über alles drübergeschüttet wird. Danach schmeckt alles gleich - oder es klingt eben alles "Amerikanisch". Ich sah mir kürzlich einen Naturfilm über Balkanflüsse an - und der Kommentator, ein deutscher Wissenschaftler, sprach "perfektes Amerikanisch". Das darunter liegende Deutsch war nicht mehr lokalisierbar.

Uwe Boll, ein großartiger deutscher Filmemacher, verwechselt in einem amerikanisch intendierten Text die Wörter "draught" und "drought". Man erkennt daran, dass er in der Schule einem Englisch-Unterricht, bzw. keinem Amerikanisch-Unterricht beigewohnt hat. Und das falsch Gelernte bis in seine Erwachsenenjahre nicht mehr korrigiert hat. Dass er seit seiner Schulzeit also nichts dazu gelernt hat. Das ist ohnehin die deutlichste Erkenntnis, die ich aus der Beobachtung deutscher und österreichischer Englischsprechender - gleichermaßen auch bei Lehrern und Schülern - gewonnen habe. Sie alle glauben, drei Jahre Englischlernen sei auf Lebenszeit genug.

Das gilt genauso für Akademiker, die zeitlebens nie wieder eine Grammatik aufschlagen werden, ein Grammatik-Lehrbuch, um nachzusehen, ob es "it's" oder "its" heißen soll, ebenso wie für Lehrer, die trotz Studienaufenthalten in London oder im tiefsten Amerikanien nie den Unterschied zwischen "V" und "W" geschnallt haben, und deshalb die deutschen Elementarfehler über Generationen hinweg perpetuieren.

Nachdem ich einigen Sitzungen der lachhaft genug benamten TEA-Vereinigung beigewohnt hatte - das sind die Teachers of English in Austria - wurde mir klar, dass sie geradezu mit Absicht Schulversager heranzüchteten. Sie verwendeten Unterrichtsmaterialien, die zu absolut Nichts nütze waren. Sie hatten den Kindern nicht einmal nach fünf Jahren das Buchstabieren auf Englisch - zum Beispiel ihres eigenen Namens -oder das Nachschlagen unbekannter Wörter in einem Wörterbuch beigebracht.

Ich erfand, als Lehrmetapher, die Geschichte der Touristen, die in Florida am Flughafen gekidnappt und irgendwo im Keller festgehalten werden. Nach Tagen gelingt es einem von ihnen, die Fesseln zu durchtrennen. Der entführte Tourist findet ein Telefon und ruft die Polizei an. "Okay, what's your name?" fragt die Polizei. "Feuchtwanger." - "Right. Can you spell that?" Er kann es nicht. "What's your phone number?" Er kann die Zahlen nicht auf Englisch sagen. Also Lebensgefahr.

Etliche Jahre später flog ein ostdeutsches Ehepaar nach Miami und wurde tatsächlich von einheimischen Gangstern gefangen genommen. Als Ex-DDR-Bürger sprachen sie natürlich kein Wort Englisch. Den Gangstern riss der Geduldfaden und sie erschossen die Touristen aus Germany. Ich zeigte meinen Schülern den Zeitungsausschnitt. "Wenn diese Leute das gelernt hätten, was ich euch hier beizubringen versuche, wären sie heute noch am Leben," sagte ich.

"Get the Abo"

Lachhafterweise erstreckten sich die Unkenntnisse des Englischen in Österreich bis in die höchsten Ebenen der Politik. "Get the Abo" verkündete ein Plakat, das ein Abonnement für die Oper anpries. Für jeden Besucher aus Australien klang es dagegen wie die Aufforderung, einen australischen Ureinwohner mit dem Messer oder Gewehr kalt zu machen. Aber, weiter auf dem Australientrip, verkündeten Posterwände in Wien, völlig sinnentleert: "There are no Kangaroos in Austria."

Übrigens finde ich die britischen Englisch-Lehrbücher durchaus spaßig gemacht. Aber für wen sind sie gemacht? Sicher nicht für Schulkinder in Deutschland oder Österreich, denn "spaßig" verstehen dort weder die Lehrer noch die Schüler. Sie wollen auch absolut nicht wissen, wie irgendwelche Dinge in England ablaufen, oder wie das Leben so in England eben ist. Sie wissen, dass Mobbing und Messerstechereien in England ebenso zum Alltag gehören wie in Deutschland und Österreich. Was sie aber real benötigen im Unterricht, ist, zu lernen, wie man beim Nachbarn abschreibt, wie man bei Tests betrügt, und wie man die Versetzung oder den Nachzipf am Ende des Sommers schafft, ohne irgendeine Leistung zu erbringen.

Als ich ein Interview mit Jörg Haider hörte, das der australische Staatssender ABC aufgenommen hatte, wurde mir zweierlei klar. Erstens, dass "cheating", also "Betrügen", in der Schule, in der Politik, im Bett zu den Kardinalqualifikationen eines Österreichers gehören. Man lässt ein Nazi-Sprüchlein ab, wie einen kleinen Furz, dann wird man von den Menschen seiner Umwelt darauf aufmerksam gemacht, dass das ein Fehler war, dann sagt man "sorry", und alles ist wieder gut. Das ist kein Zitat, sondern eine verkürzt zusammengefasste Version dieser Maxime. Dass Nazi-Wiederbetätigung in Österreich als Straftat gilt, die mit Gefängnis geahndet wird, war ihm, dem Mann, der demnächst Bundeskanzler werden wollte, entweder unbekannt oder entfallen.

Der zweite Punkt war dieser. Obwohl Haiders Englisch grottenschlecht war, war er doch der einzige Politiker Österreichs, der sich auf Englisch halbwegs passabel ausdrücken konnte. Haider war so etwas wie der Klassenkomiker in der österreichischen Politik - und der damalige Kanzler Franz Vranitzky war der Klassenlehrer der ihm regelmäßige Einträge mit roter Tinte ins Klassenbuch schrieb. Haider war ein Polit-Kabarettist im österreichischen Parlament, lange bevor der Berufskabarettist in der Politik heimisch wurde.

Allerdings mimte Haider den Nazi für die Alteingesessenen, und den James Dean für die Jugend. "Der Falter", die Wiener Stadtzeitung, nannte ihn den "Feschist". Einen Bungee-Jumper im Armani Anzug, dem es in der Politik nur um sich selber ging. Natürlich konnte er besser Englisch als Vranitzky, aber der Kanzler frischte seine Sprachkenntnisse genauso regelmäßig auf wie er alle drei Wochen zum Frisör ging. Das hatte Haider nicht nötig, denn außer dem greisen Außenminister Alois Mock hatte sonst kaum jemand Fremdsprachen in petto. Mock sprach fließend Französisch, ein Dino aus vergangener Zeit.

Da nutzte es gar nichts, wenn Radio Liberty, ein amerikanischer Staatssender, in Wien dem altgvattrischen Sender ORF ein Ei in den Korb legte, unter dem nicht minder altgvattrischen Namen Radio Blaue Donau. Blue Danube Radio galt den Wienern nicht selten als "Feindsender", er schürte eher Ressentiments gegen das Englische als Sympathien - und schließlich gründete der ORF seinen eignen Jugendsender, FM 4, ausgesprochen FM Fear. Dort lernt die Wiener Jugend seit bald 20 Jahren in erster Linie schwarzamerikanisches Revolutionsvokabular, Mofo und Ho, etc.

An der Wiener Uni wird unterdessen ein eigenes Österreichisch-Englisch unterrichtet, das sich seit dem 19. Jahrhundert nicht verändert zu haben scheint. Selbst Muttersprachler aus England und Amerika werden dort gelegentlich nicht zum Studium zugelassen.

Natürlich gibt es so etwas wie ein "korrektes Englisch" - und gerade den Amerikanern möchte man gerne die Kompetenz dafür absprechen. Gibt es bei einer Präsentation wirklich ein Vorher und ein Nachher? Die Pree-sentation, die heutzutage überall auf Youtube zu hören ist, verlangt geradezu nach einer Post-sentation. Die langlebigen alten Menschen scheinen in Amerika ihre letzten Jahrzehnte auf der Couch herumzulungern, sie praktizieren die Lounge-Evity. Ihr Alter ist also, wie man im Deutschen sagt, total versofat.

"Misused English words and expressions in EU publications"

Um etliche Größeneinheiten schriller kommt da allerdings die Sprachenverwirrung aus Brüssel daher, die der britische Autor Jeremy Gardner in seinem Buch "Misused English words and expressions in EU publications" (2016) aufgespießt hat. Gardner hat jene nüchterne Kompetenz, die (nicht ohne trockenen Humor) den falschen oder fehlerhaften Gebrauch der englischen Sprache in der EU fixiert - aber daraus nicht auf die Minderwertigkeit der Benutzer schließt. Eher auf die miese Qualität des Englischunterrichts.

Ich fragte den Autor, ob es seit der Ausgabe von 2016 eine weitere Folge gegeben habe? Nein - und eine weiter stünde derzeit auch nicht in Aussicht. Das dürfte wohl die erste Folge des Brexit sein, dass es keine Kontrolle mehr über die richtige Verwendung des Englischen auf einer hohen Präzisionsebene geben wird. Vielleicht werden wichtige Verträge je nach individuellem Sprachverständnis einer Politschranze verfasst, gerade dann, wenn z.B. Deutsch zur dominanten innereuropäischen Sprache aufstiege, wie das der satirische Floh im EU Pelz, Martin Sonneborn, zu suggerieren scheint. Ich halte es nicht einmal für ausgeschlossen, nachdem sich überall in der EU die Begeisterung für die einstige Größe Hitler-Deutschlands wieder regt.

In England scheint man unterdessen einen Intelligenztransfer vorzunehmen, immer mehr politisch vive und schnellredende Engländer zieht es nach Amerika, und trotz aller Spelling Bees (Buchstabierwettbewerbe) und anderer Zaubertricks (▶Hip-Hop Schnellquasseler), scheinen die Amerikaner da doch kaum mithalten zu können. Möglich, dass die Briten sich aus Europa zurückziehen und dann wieder auf ihre dumpfbackigen Weggefährten von ehedem hernieder regnen - aus Nordamerika.


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