Gefährliche Doktorspiele
Kinder und Teenager werden in den USA wegen sexueller Vergehen einer Behandlung unterzogen, die an "Clockwork Orange" erinnert. Die Folgen der sexuellen Unterdrückung sind fatal.
Der "Fall Raoul" sorgte im letzten Jahr in ganz Europa für Aufsehen. Am 30. August 1999 wurde der Elfjährige Raoul Wüthrich, wohnhaft in der Kleinstadt Golden, Colorado, USA, um 22:30 im Schlafanzug in Handschellen abgeführt und verblieb dann für mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Er soll seine Halbschwester absichtlich an der Scheide berührt haben. Damit setzte er sich dem Verdacht der "schweren Blutschande" aus.
Das Kind wurde im Jugendgefängnis behandelt wie ein erwachsener Schwerverbrecher. Dort hatte Raoul mit Straftätern zu tun, die im Durchschnitt vier Jahre älter waren als er. In Hand- und Fußfesseln wurde er mehrfach dem Gericht vorgeführt. Nach jedem Besuch seines Anwalts wurde er von männlichen Aufsehern nackt ausgezogen. Anschließend suchten die Gefängnismitarbeiter in allen Körperöffnungen des Elfjährigen nach versteckten Gegenständen.1
Ursprünglich sollte Raoul im "Colorado Christian Home", einer seit 1904 existierenden Therapieeinrichtung für "Sexualstraftäter" im Alter von 5-13 Jahren, für sein "krankhaftes Sexualverhalten" behandelt werden. Dort hätte er biblische Werte und den Widerstand gegen die Versuchungen des Fleisches lernen sollen. Auf den Druck ausländischer Medien (darunter auch viele "Free Raoul" Webseiten) wurde der Junge jedoch freigelassen und durfte in die Schweiz ausreisen, wo seine Familie aus Angst um die anderen Kinder auf ihn wartete. Wie ergeht es anderen Kindern und Jugendlichen in den USA, die diese Möglichkeit nicht haben? Und was sind die Folgen der amerikanischen Prüderie für die US-Gesellschaft?
1948 enthüllten die berühmten Studien Alfred C. Kinseys2, dass Sexualspiele unter Kindern völlig normal sind: Unter den 10jährigen (so alt war Raoul zum Zeitpunkt der Tat) beteiligten sich demnach 36,6 % der Kinder an hetero- und homosexuellen "Doktorspielen". Von Anschauen und Streicheln, ein- und gegenseitiger Masturbation bis hin zu Geschlechtsverkehr in allen Stellungen und Körperöffnungen kannten diese Kids selbst damals keine Grenzen, frei nach dem Motto: Erlaubt ist, was Spaß macht.
Auf der anderen Seite menschlichen Verhaltens stand jedoch schon immer die Gewalt, die in den 60er und 70er Jahren Ziel empirischer Forschungen in den USA wurde. Erstaunliche Untersuchungen der Gehirnforschung (vor allem durch den im September 1999 verstorbenen Neurologen Robert G. Heath3) erbrachten die Erkenntnis, dass es im Gehirn zwei getrennte Gemütssysteme gibt. Das eine steuert Aggression und Schmerzempfinden, das andere körperlichen Genuss, Sex, Sozialempfinden und Lebensfreude. Diese beiden Gehirnsysteme können nie gemeinsam aktiv sein. Erlebnisse in Kindheit und Jugend entscheiden, welcher Gehirnteil eher aktiviert wird oder völlig dominiert.
Etwa zur gleichen Zeit hatten die Völkerkundler begonnen, ihren Wissensschatz über existierende und vergangene Kulturen mit einem IBM-Großrechner aufzubereiten. Hunderte Bücher über das Verhalten einzelner Völker wurden per Fragenkatalog ausgewertet und auf Lochkarten übertragen. Berichte aus völlig unterschiedlichen Epochen, von der Antike bis zur Gegenwart, wurden vom Großrechner auf statistische Zusammenhänge hin durchsucht. Der Computerausdruck wurde zu einem der dicksten Bücher, das je verlegt wurde.4
So wurden durch den Rechner Relationen gefunden, die in allen menschlichen Kulturen mit differenzierender Wahrscheinlichkeit auftreten. Seit 33 Jahren bemüht man sich nun, die passenden Fragen zu diesen Antworten zu finden. Vielleicht schafft man es in 42.
Für das Aggressionspotential einer Kultur sind nach den bisherigen Untersuchungen zwei Merkmale entscheidend. Zum einen der frühkindliche Körperkontakt, zum anderen der elterliche Umgang mit Kinder- und Jugendsexualität. Kulturen, die nicht nur ihre Kinder verwöhnen, sondern auch deren sexuelles Verhalten nicht beschränken, sind zu 100 % frei von schwerer körperlicher Gewalt (außerdem reich an künstlerischer Entfaltung und frei von einer moralisch dominanten Religion).5
Als Beispiel mag die von dem Ethnologen Malinowski6 beobachtete Kultur der Trobriander dienen. Bei ihr durften auch kleine Kinder ein freizügiges, von den Erwachsenen wohlwollend geduldetes Sexualleben führen. In ihren Spielen und Zeitvertreiben befriedigten sie ungehemmt ihre sexuellen Bedürfnisse.
Doch man muss keine fernen Inseln besuchen, um Kindersexualität zu entdecken: Selbst in den USA können sich abgeschiedene Nischen für Kindersex entwickeln. So im kleinen Kaff York Haven in Pennsylvania, wo eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 17 Jahren ihr sexuelles Wissen austauschte und ohne Kenntnis der Eltern auslebte.7 Die Gruppe wuchs von 1997 bis 1999 von wenigen Kindern auf am Ende 25. Ohne Hemmungen probierten die Kids untereinander verschiedene sexuelle Spielarten aus.
Sexuelle Unterdrückung erzeugt Gewalt
In den USA wurde in den 1960er Jahren, zeitgleich mit den interkulturellen Vergleichen das Phänomen der schweren Kindesmisshandlung untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass die Täter in ihrer Kindheit meist sexuelle Unterdrückung oder Vernachlässigung erfuhren. Sie hatten das Fühlen körperlicher Zuneigung nie lernen können. Auch Sexualstraftäter, so einige Studien Anfang der 70er Jahre8, entstammten nicht etwa besonders "sexualisierten" Elternhäusern, sondern im Gegenteil sehr konservativen und sexuell repressiven, in denen zum Beispiel der Umgang mit Pornographie streng verboten war.
Für die Gesellschaft ist sexuelle Freiheit damit von essentieller Bedeutung: Sozialverhalten wird über liebevolle Erziehung in der Kindheit und eben über frühe sexuelle Betätigung gefühlsmäßig erlernt. Körperliche Bestrafung und sexuelle Unterdrückung führen dagegen dazu, dass die betreffende Person zu Wut- und Gewaltausbrüchen sowie zu Sadismus neigt und geringen Genuss beim Sex empfindet.
All dies fasste 1975 der Leiter der diesbezüglichen Forschungen am US-Gesundheitsamt, James W. Prescott, in einem bedeutenden Artikel zusammen. Kurz nach seinem Erscheinen wurde er im renommierten "Bulletin of the Atomic Scientists" nachgedruckt, weil man ihn als so bedeutsam für das Schicksal der Menschheit einstufte. Sowohl die interkulturellen Untersuchungen als auch die Ergebnisse der Gehirnforschung wurden hier erstmals anschaulich und leicht verständlich präsentiert.
Ähnlich den Untersuchungen zur Pornographiewirkung Anfang der 70er wurden diese Forschungsergebnisse politisch nie umgesetzt: Eine liberale Forschung traf auf eine erzkonservative Politik in einem Land, in dem in einigen Bundesländern "widernatürliche" sexuelle Praktiken Anal- und Oralsex per Gesetz verboten waren (und es bis heute sind). Prescott wurde 1980 entlassen, weil er weitere Untersuchungen über Kindesmisshandlung und Vernachlässigung durchführen wollte. Die US-Medien stellten zunehmend den sexuellen Kindesmissbrauch als das dominierende gesellschaftliche Übel und als die Ursache nahezu aller denkbaren Fehlverhalten dar.
Der Missbrauch wurde allgegenwärtig. Prominente erzählten, wie sie durch Therapiesitzungen herausgefunden hatten, in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden zu sein. In diesem Klima, das bis heute anhält, trauen sich Erwachsene kaum noch, Kinder zärtlich zu berühren oder mit ihnen über Sexualität zu sprechen. Die Medien erwähnen Kindersexualität nur noch im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch. 1984 definierte der "Child Protection Act" jeden unter dem Alter von 18 Jahren als Kind (jedoch keineswegs als strafunmündig). Sexuell explizite Fotografien von 17 Jahre alten "Kindern" oder jüngeren waren demnach Kinderpornographie.
In Colorado, in der Gegend des Schulmassakers von Littleton, gab es 1986 eine bedeutende Weiterentwicklung des Missbrauchsgedankens. In der Therapieeinrichtung "Redirecting Sexual Aggression" in Lakewood untersuchte man 7-8jährige Opfer sexuellen Missbrauchs. Die Therapeuten wollten verhindern, dass die Kinder eines Tages selbst zu Missbrauchern werden. Dabei stießen sie auf etwas, was nicht sein konnte, weil es nicht sein durfte: Die Kinder besaßen eine eigene Sexualität, oder, um es mit den Worten der Therapeuten zu sagen: "In den ersten zwei bis drei Wochen der Behandlung teilte jedes einzelne der Kinder mit, dass es bereits sexuell straffällig geworden war."9
So wurde das erste Therapiezentrum im Umfeld Denvers gegründet, das sich ausschließlich mit präpubertären "Sexualstraftätern" befasst. Die Therapeuten "entdeckten, dass die Kinder eine breite Palette sexueller Verhaltensweisen einsetzten - Zärtlichkeiten, Oralsex, simulierter Geschlechtsverkehr -, um Stress und Angst abzubauen, um sich gut zu fühlen", so die Tageszeitung Denver Rocky Mountain News 1992. Dazu Connie Isaac, Mitbegründerin des Zentrums: "Das war wirklich enttäuschend und ziemlich furchterregend. Ich dachte 'Oh mein Gott, wenn wir jetzt nichts tun, um hier eine Veränderung zu bewirken, haben wir keine Chance mehr, wenn sie 17 sind.'" Heute leitet sie die "Association for the Treatment of Sexual Abusers", eine renommierte Dachorganisation der therapeutischen Einrichtungen. Die Zahl der Einrichtungen, die nur Kinder und Jugendliche behandeln, ist in den 80ern rasant gestiegen (1992 waren es bereits 755), und Ende der 80er tauchten im ganzen Land Einrichtungen zur Behandlung von "Tätern" unter 12 auf.10
Raufen und Kitzeln verboten
In einer Anleitung für Pflegeeltern aus dem Internet, die auf den "Forschungen" solcher Kinder-Therapeuten beruht, wird den angehenden Kinderbetreuern der richtige Umgang mit den "cleveren, teuflischen Kindern" (Denver Rcky. Mtn. News) beigebracht. Eines der Situationsbeispiele:
"Ihre 14 Jahre alte Pflegetochter und Ihr 12jähriger Pflegesohn raufen und kitzeln sich gegenseitig auf dem Wohnzimmerboden. -- Gegenmaßnahme des Pflegeelternteils:
- Schritt 1: Beenden Sie die Handlung. Befehlen Sie den Kindern, aufzuhören und bitten Sie sie, aufzustehen. - Schritt 2: Benennen Sie das Verhalten. 'Ihr Kinder rauft im Wohnzimmer.' - Schritt 3: Nennen Sie die Regel. 'In diesem Haus sind Raufen und Kitzeln nicht erlaubt. Es mag wie Spaß erscheinen, aber es kann zu schädlichen Berührungen oder sogar sexuellen Berührungen führen, die im Haus nicht erlaubt sind.' - Schritt 4: Ablenken der Kinder oder Anwendung von Konsequenzen. 'Da Ihr die Regeln kennt und sie gebrochen habt, gibt es eine Konsequenz. Geht beide auf Eure Zimmer und räumt sie diese Woche besonders gründlich auf.'"11
Sexuelle Handlungen, abgesehen von gelegentlicher Masturbation und Betrachtung fremder Genitalien ohne Berührung, sind natürlich ebenso streng verboten. Schlimmstenfalls kommt das Kind in eine Therapieanstalt.
Wie sieht eine Therapie aus, bei der die zu heilende Krankheit Sexualität per se ist? Besonders grausam werden homosexuelle Teenager behandelt. So wie der junge Chad: Seine Eltern hatten bei ihm eine Schwulenzeitschrift gefunden und die Polizei gerufen. Daraufhin kam er in eine geschlossene Therapieanstalt. Man befestigte ein Erektionsmessgerät an seinem Penis und zeigte ihm Bilder von nackten Männern. Bekam er dabei eine Erektion, wurde er mit Elektroschocks traktiert. "Aversionstherapie" heißt das im Fachjargon. Chad entkam und flüchtete in ein illegales "Safe House", wo er 1998 interviewt wurde. Nach Einschätzung von Shannon Minter vom San Francisco National Center for Lesbian Rights werden jedes Jahr 50.000 Teenager in solche "Therapieeinrichtungen" eingewiesen.12
Ein unglaublicher Vorgang, der sich ohne Kenntnis der Öffentlichkeit abspielt. Schwulenrechtsorganisationen werden nur selten aktiv. "Die Schwulen-Community hat hysterische Angst davor, mit jungen Leuten umzugehen, wegen dieses verfluchten Pädophilen-Images, das man uns verpasst hat", so Radiomoderator Ken McPherson, der über einen skandalösen Fall berichten wollte.13 Wer über Kindersexualität diskutiert, setzt sich auch in Deutschland schnell dem Vorwurf der Pädophilen-Verteidigung aus: ein Skandal für sich.
Jugendschützer bei der Arbeit
Doch die Lage ist noch weitaus schlimmer. 1992 kam das Phoenix Memorial Hospital in Arizona in die Kritik der Regionalpresse, weil es fünf Jahre lang jedes Jahr 100 Teenager von 10-13 Jahren einer Aversionstherapie mit Ammoniak ausgesetzt hatte. Dabei mussten die Jungen wiederum Erektionsmessgeräte tragen. Doch auch Mädchen wurden nicht verschont. So zum Beispiel eine 12jährige, die einvernehmliche, aber illegale Zärtlichkeiten mit ihrer kleinen Schwester ausgetauscht hatte. Die Therapeuten sagten ihr immer wieder, sie sei eine Vergewaltigerin, und nur wenn sie kooperiere, würde sie gesund. Sie musste ein Audioband mit einer Gewaltfantasie wieder und wieder anhören, und jedesmal danach den tränentreibenden Ammoniak inhalieren, das Ganze dreimal täglich. Eines Tages fand man sie mit einer Plastiktüte über dem Kopf, sie hatte versucht, sich umzubringen.14
Weil er an den Genitalien eins Hundes gespielt hatte und bereits ein Jahr zuvor beim Sexualspiel mit einem Gleichaltrigen erwischt worden war, wies man einen Elfjährigen in die Sexklinik ein. Bei der Einweisung wurde er als nicht gefährlich eingestuft. Zwei Monate später diagnostizierte ihn der Krankenhausstab als gewalttätig. Er habe Mordfantasien und sei eine Bedrohung für die Gesellschaft. Vergangene Straftaten gab es nicht. Die Großmutter des Jungen machte die Therapeuten für die Gewalttätigkeit des Kindes verantwortlich.15
Überregional wurde das Thema kaum aufgegriffen. Aber es gibt ähnliche Berichte aus dem ganzen Land. Manchmal verlieren die Therapeuten die Kontrolle, und dann bricht die ganze angestaute Gewalt offen heraus. So im Therapiezentrum "The Pines" (Sexualstraftäter im Alter von 11-17), ebenfalls in Arizona, in dem Jugendliche zuletzt die halbe Einrichtung demolierten und den Ärzten mit Mord drohten. Notrufe des Klinikpersonals an die Polizei wurden routinemäßig nicht weitergeleitet, weil man die Dinge "intern" handhaben wollte.16 Kommt es einmal zu einem solchen Skandal, werden PR-Agenturen angeheuert, um Berichte glücklicher, weil sexuell erlöster Kinder und Jugendlicher zu verbreiten.
Die Therapieformen sind mannigfaltig. Man traktiert die Täter, die oft keine sind, mit Elektroschocks, Drogen, Chemikalien wie Ammoniak, negativen Bildern oder auch mit einer "Schamtherapie", in der die Kinder gezielt gedemütigt werden, um ihr falsches Verhalten zu bestrafen.
Der junge Robert D. wurde 1992 im Alter von 15 Jahren in der Sexual Behavior Clinic in New York mit einem Erektionsmeßgerät auf sexuelle Perversion getestet, weil er die Brüste seiner damals 12jährigen Schwester berührt hatte, ohne dass diese das je gestört hätte. Dabei wurden ihm - bunt gemischt - Audiokassetten von normalen sexuellen Handlungen und von Vergewaltigungen Minderjähriger vorgespielt. Er ging mit einem Anwalt gegen die Klinik vor, erfolglos. Behandelt wurde er jedoch nicht.
Der Fall Robert
Deshalb wurde er in dieser Klinik in New York (513 West 166th Street) auf sexuelle Abartigkeit getestet.
Dazu wurden ihm Audio-Kassetten mit Porno-Szenarien vorgespielt, die normalen Sex zwischen Jugendlichen (MP3-Datei) schildern, und anderen, die z.B. detailliert die Vergewaltigung von Kindern darstellen.
Ist der Junge sexuell erregt, zeigt der Oszillograph einen Ausschlag.
Bei einer Erektion von größer als 30 % wird eine Behandlung empfohlen. Dies - wie man hier sieht - geschah in 99 % aller Fälle (unter den Patienten sind auch 12jährige, rote Markierung im Dokument). Erregt werden die Kids schon durch die mechanische Behandlung des Penis. "Alles Bullshit", so auch Professor Henry Adams, Georgia University.
Von den in der Klinik getesteten Jugendlichen, vorwiegend Schwarze und Hispanics, mussten jedoch 99% auch eine Therapie über sich ergehen lassen: Der Test fiel so gut wie immer positiv aus. Das ist angesichts der verschiedenen eingesetzten Porno-Kassetten nicht verwunderlich, und schon eine gemessene Erektion von 30 % gilt als pervers. Zu den eingesetzten Behandlungsmethoden gehört die Sättigungstherapie, d.h. der Junge soll durch ununterbrochene Masturbation (auch nach dem Orgasmus) übersättigt werden und so das Interesse an sexueller Betätigung verlieren, sowie die "verborgene Sensibilisierung" ("covert sensitization"), d.h., der Jugendliche soll im Detail negative Szenarien schildern (z.B. eine Befragung im Gericht) und diese beim Gedanken an seine sexuellen Fantasien visualisieren, um sie mit negativen Gefühlen zu verknüpfen.17
Sadomaso-Videos für Kinder
Das letztgenannte Konzept wurde in den letzten Jahren mit High-Tech verfeinert. Eine Firma namens Northwest Media bietet im Internet eine komplette Therapie-Ausrüstung auf EDV-Basis für Kinder und Jugendliche an. Zuerst werden die jungen Straftäter einer sexuell anregenden Audiofantasie ausgesetzt, dann müssen sie mit einem Virtual Reality Headset, das an einen Laserdisc-Player angeschlossen ist, ein Video sehen, das ein Szenario wiedergibt, welches die Jugendlichen in Befragungen als besonders demütigend bezeichnet hatten.
Therapie multimedial - das System von Northwest Media
Kann in Deutschland ähnliches passieren? 1998 waren 5,7 % der angezeigten Fälle sexuellen Missbrauchs solche, in denen die Täter und die Opfer jünger als 14 Jahre alt waren: Kinder "missbrauchen" Kinder.18 Insgesamt rund 500 Kinder wurden wegen Doktorspielen und ähnlicher "Vergehen" angezeigt. In der Regel kommt es aber nicht zu einer Therapie im Sinne der Jugendhilfe (die Strafmündigkeit beginnt mit 14 Jahren). Es besteht allerdings die Gefahr, dass der amerikanische Trend nach Deutschland kommt. Denn in den USA haben sich Therapieeinrichtungen für erwachsene Sexualstraftäter völlig unbemerkt zu brutalen Unterdrückern kindlicher Sexualität gewandelt. Sicherlich nur mit den besten Absichten.
Die Seuche breitet sich aus - Therapieeinrichtungen für "Kinder, die missbrauchen"
Und die Kinder von York Haven? Sie sorgten Mitte des letzten Jahres für Schlagzeilen. Ihr "Sex-Ring" flog bei einer Geburtstagsparty auf. Sechs von ihnen wurden wegen diverser Sexualverbrechen angeklagt, mindestens einer oder zwei kamen in Jugendhaft (das Strafmaß wurde unter Verschluss gehalten). Eine zum Zeitpunkt der Tat 16jährige gab zu, mit einem 11jährigen geschlafen zu haben. Die beiden hatten nicht gewusst, dass sie etwas Strafbares getan hatten. Das Mädchen wurde wegen Vergewaltigung verurteilt und ins Jugendgefängnis geschickt.
Erik Möller
Freier Journalist, Mitarbeiter beim Online-Magazin Der Humanist
Danksagungen:
Mein Dank gilt Ralph Paladino, Shannon Minter, Henry Adams, Jerry Boswell, Bruce Mirken, Ralph Underwager und allen anderen, die mir bei der Recherche geholfen haben.