Geheimer Streit über geheime Streitereien

Sorgt auch 2021 für Disput: Altnazi Reinhard Gehlen, hier Fotos als Kriegsgefangener. Bild: US Army, Signal Corps; gemeinfrei

Historikerkommission des Bundesnachrichtendienstes fällt auseinander

Als man in der Nachkriegszeit die westdeutsche Geheimdienstlandschaft aufbaute, wurde hinter den Kulissen um die Chefsessel eifrig gestritten und intrigiert. General Reinhard Gehlen, der für die USA zur Bespitzelung der Sowjets und der politischen Landschaft im Inland einen informellen Geheimdienst mit deutschem Personal leitete, rivalisierte erst mit Otto John um die Leitung des deutschen Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz (Gründung: 1950) und dann mit Friedrich Wilhelm Heinz, der für Adenauer bereits einen kleinen, aber effizienten "Bundesnachrichtendienst" aufgebaut hatte, um die Führung des Auslandsgeheimdienstes.

Die Methoden, mit denen die Schlapphüte ihre internen Machkämpfe ausfochten, waren unfein. Gehlen, der die Kunst der Intrige wohl am besten beherrschte, unterlag zwar John, bekam jedoch den Zuschlag, um 1956 seine obskure Organisation zum bundesdeutschen Auslandsgeheimdienst BND umzufirmieren. Gehlen gilt als Hochstapler, der den USA und der Bundesregierung wohlfeile Verschwörungstheorien über Kommunisten im In- und Ausland lieferte.

Von den damaligen Grabenkämpfen in der im Aufbau befindlichen Geheimdienstlandschaft bekam die Öffentlichkeit naturgemäß nur wenig mit. Wie vor ihm etliche Bundesbehörden öffnete auch der Bundesnachrichtendienst 2011 seine Archive ausgesuchten Historikern, die Akten von 1945 bis 1968 auswerten durften.

In die Unabhängige Historikerkommission berief man Prof. Dr. Jost Dülffer (Universität zu Köln), Prof. Dr. Klaus-Dietmar Henke (Technische Universität Dresden), Prof. Dr. Wolfgang Krieger (Universität Marburg) und Prof. Dr. Rolf-Dieter Müller (Militärgeschichtliches Forschungsamt Potsdam/Humboldt-Universität zu Berlin), die als Herausgeber bislang elf Bände sowie fünf Studien realisierten.

Geheimdienstnaher Historiker Krieger publiziert nicht

Während die Professoren Dülffer, Henke und Müller sowie Mitarbeiter eifrig publizierten, fehlte bislang ein Werk aus der Feder von Prof. Krieger.

Krieger fiel immer mal wieder durch seine Nähe zu den westlichen Geheimdiensten auf, denen er eifrig das konservative Wort redet. Kritik an BND und seinen Schriften tut Krieger gerne mal als ideologisch ab. Doch wenn nunmehr Kriegers Buch über Partnerdienste des BND erscheint, dann nur mit einer einleitenden Fußnote, dass sich seine Herausgeberkollegen "mit diesem Band nicht voll identifizieren" könnten.

Bereits 2017 hatten die drei Professoren intern die ersten Kapitel erheblich kritisiert. Als Krieger im Februar 2020 dann das fertige Manuskript vorlegte, soll der Historiker die Kritik kaum beherzigt haben. Die Professoren werfen Krieger grobe Fehlgewichtungen vor, er liefere viel Altbekanntes und - was sie offenbar besonders fuchst - ignoriere durchweg den durch die Historikerkommission geschaffenen neuen Forschungsstand.

Diese Nachlässigkeiten manifestierten sich nicht nur in lückenhaften Literaturverweisen und subjektiven Bewertungen, sondern auch in einem Bericht über ein angebliches Treffen Gehlens mit Adenauer, das es offenbar nie gegeben hat. Da Krieger die detailliert aufgeführten Mängel offenbar auch ein Jahr später nicht beseitigt hatte, erklärten die Herausgeber Dülffer, Henke und Müller, dass sie sich mit diesem Band nicht voll identifizieren könnten.

Streit droht Abschlusskonferenz der Historikergruppe zu überschatten

Krieger eiferte offenbar General Gehlen nach, der gerne an den SPIEGEL kolportierte (Im SPIEGEL des BND). So sprach Krieger von "ideologischen Differenzen" und warf den anderen Professoren vor, sie deuteten die Geschichte des BND zu einseitig negativ und zu wenig im internationalen Kontext. Das wiederum empfanden die Kollegen als ehrenrührig und veröffentlichten daraufhin ihr vernichtendes Memorandum vom 28.02.2021 auf ihrer Homepage.

Darin bezeichnen sie Kriegers Werk als "peinlich", "dilettantisch" und "schlichtweg skandalös". Durch diesen Schritt wollten sie deutlich machen, dass es in dem Disput keineswegs um "ideologische Differenzen" oder unterschiedliche wissenschaftliche Einschätzungen, sondern um die Beachtung wissenschaftlicher Standards gehe, also um eine gründliche Auswertung der hier erstmal zugänglichen Quellen, die Auseinandersetzung mit der Forschungsliteratur sowie die Abdeckung des behaupteten Rahmens in inhaltlicher wie zeitlicher Dimension.

In der vergangenen Woche nun kündigte das Bundeskanzleramt einen Vermittlungsversuch an, dem Experten allerdings keine Chance einräumen. Die für Juni vorgesehene Abschlusskonferenz der Historikerkommission wird daher vermutlich ähnlich unharmonisch verlaufen, wie die Kleinkriege zwischen den Geheimdienstrivalen in den 1950er Jahren.

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