Geld für Ihre Stimme
Ein kleiner Preis für mehr Demokratie?
Die PDS steht seit einigen Wochen im Mittelpunkt der Diskussionen. Dabei geht es um die Frage, ob sie an einer möglichen Regierung in Berlin beteiligt werden sollte. Diverse Meinungsforschungsinstitute veranstalten dazu Befragungen. Eine Umfragebeteiligung der European Poll Commission der IRC International Research Corporation - mehr gibt es noch nicht - wird per Fax an Haushalte verschickt, mit der Bitte, über den vorliegenden Wahlschein an der Abstimmung teilzunehmen. Die gesammelten Meinungen würden aufgenommen und später verschiedenen Entscheidungsträgern mitgeteilt.
So stellt man sich einen Teil von Basisdemokratie vor, wenn man zu allen wichtigen Fragen angesprochen wird und politischen Entscheidungsträgern seine Meinung in Form von klaren Aussagen bekannt geben kann.
Auf der zugefaxten DIN-A4-Seite gibt die "European Poll Commission" der "IRC International Research Corporation" die Wahlmöglichkeit, sich zur möglichen PDS-Regierungsbeteiligung in Berlin zu äußern:
Sind Sie für eine Beteiligung der PDS an einer Regierung in der deutschen Hauptstadt Berlin?
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Die Positionen von SPD und der CDU werden zur Entscheidungsfindung angeführt. So soll die Bundes-SPD eine Koalition mit der PDS in Berlin nicht ausschließen: "Die PDS sei koalitionsfähig". Für die CDU ist eine derartige Koalition 12 Jahre nach dem Mauerfall politisch verwerflich: "Rechtsradikale sind in Deutschland auch nicht koalitionsfähig".
Dann folgen wie bei einem "echten" Wahlschein zwei Ankreuzmöglichkeiten:
JA: Zwölf Jahre nach dem Fall der Mauer muss mit der Ausgrenzung der PDS Schluss sein. NEIN: weder Links- noch Rechts-Radikale dürfen über das Schicksal unseres Volkes bestimmen.
Zwar hat diese Formulierung wenig mit einer Koalitionsbeteiligung in Berlin zu tun, wenn vom "Schicksal unseres Volkes" gesprochen wird, aber so - oder zumindest ähnlich - wird diese Wahl empfunden und sicher auch im Wahlkampf propagiert. Das Ergebnis "Ihrer Entscheidung" soll dann Bundespräsident Rau, Bundeskanzler Schröder, den Generalsekretären der Bundesparteien sowie Fernsehen, Tageszeitungen und weiteren Medien vorgelegt werden. Der PDS will man das Ergebnis offensichtlich vorenthalten.
In der Regel werden Meinungsbilder entweder per Telefon oder über Straßenbefragung erstellt, was recht schnell ein entsprechendes Stimmungsbild liefert. Nur selten erhält man für eine Meinungsäußerung Geld, sondern investiert lediglich ein wenig Zeit. Bei dieser Umfragebeteiligung kehrt sich alles um, denn die Empfangsstation des FAX-Wahlzettels ist mit einer 0190-Nummer versehen: 3,63 DM bzw. 1,85 Euro pro Minute soll der Absender für seine gute Stimme zahlen. Frecherweise schreiben die Veranstalter sogar: "Wenn Sie an diesen Wahlen nicht teilnehmen wollen, dann kreuzen Sie bitte hier O an und faxen sie den Wahlschein an uns zurück." Neben der Preisangabe heißt es noch aufmunternd: "Ein kleiner Preis für mehr Demokratie."
Die meisten Bürger werden wohl darauf nicht hereinfallen. Dennoch nehmen manche Bürger diese Aufforderung zur Meinungsäußerung sehr ernst und zahlen sogar 50 DM extra, um auch noch ihre persönliche Meinung zu veröffentlichen.