General Motors propagiert Gesetzentwurf, der Neueinsteiger bei Autonomen Autos benachteiligt
ADAC kritisiert Rechtsrahmen des deutschen Bundesverkehrsministeriums
Im Dezember verabschiedete das Parlament im US-Autoindustriestaat Michigan den so genannten SAVE Act, der vorgeblich den Boden für Autonome Automobile bereiten soll. Das Gesetz bevorzugt jedoch etablierte Automobilhersteller wie General Motors gegenüber neuen Unternehmen und Firmen, die bisher in anderen Bereichen wirtschafteten, aber in das Geschäft mit Autonomen Automobilen einsteigen wollen. Reason-Autor Ronald Bailey vergleicht diese Bevorzugung mit der "Grandfather Clause", mit der US-Südstaaten Schwarzen das Wählen über den Umweg verboten, das nur derjenige das Wahlrecht bekam, dessen Großvater wahlberechtigt war.
Google gelang es mit Verweis auf seine bereits jahrelang laufenden Tests mit Autonomen Autos, als etablierter Hersteller eingestuft zu werden. Andere Firmen, die erst jetzt einsteigen wollen, dürften es schwer haben, sich auf diesen Präzedenzfall zu berufen.
Dem Wall Street Journal zufolge bemüht sich General Motors derzeit um Abgeordnete in anderen US-Bundesstaaten, um sie dazu zu bewegen, dem Beispiel von Michigan zu folgen. Im benachbarten Illinois hat der demokratische Abgeordnete Michael Zalewski (der offen zugab, dass GM in dieser Sache auf ihn zuging) bereits einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, dass nur Autohersteller Autonome Automobile auf öffentlichen Straßen testen dürfen. Damit wäre beispielsweise der Fahrdienst Uber ausgeschlossen.
GM, der nach Absatzzahlen größte Automobilhersteller der USA, hat lange Erfahrung mit dem Einsatz von Politikern gegen Konkurrenten: Im letzten Jahr konnte er damit beispielsweise in Indiana verhindern, dass Tesla eigene Elektroautoläden eröffnen darf. Auch bei der Entwicklung Autonome Automobile scheint GM etwas ins Hintertreffen geraten zu sein und versucht nun möglicherweise, einen technischen Rückstand nicht nur über den Zukauf von Start-Ups wie Cruise Automation, sondern auch über politische Regeländerungen auszugleichen (vgl. Geht Opel an Frankreich?).
Autonome Autos (6 Bilder)
Bundesverkehrsministerium lässt Anfrage unbeantwortet
Beim deutschen Bundesverkehrsministerium ließ man heute eine Telepolis-Anfrage zu entsprechenden Lobbybemühungen unbeantwortet. Rückschlüsse auf mögliche Positionen europäischer Hersteller lassen sich allerdings anhand von Stellungnahmen treffen, mit denen die Automobilfirmen im letzten Jahr auf den Vorstoß des Volvo-CEOs Hakan Samuelsson zur Übernahme der Verantwortung bei Unfällen reagierten. Bei Audi hieß es dazu, man sehe diese Haftung als "Grundlage für alle Firmen, die sich mit dem pilotierten Fahren beschäftigen", und glaube, dass das auch gesetzlich so geregelt wird, weil die Datenrecorder in Roboterautos eine sehr viel einfachere Klärung von Schuldfragen erlauben als heute.
Bei Daimler meinte man dagegen, das bisherige System mit Halter-, Fahrer- und Herstellerhaftung habe sich "bewährt" - und man gehe davon aus, dass es auch für die "nächsten Entwicklungsschritte des automatisierten Fahrens bestehen bleibt". Erst dann, wenn "der Fahrer zum bloßen Passagier wird", müsse "die Haftungsfrage neu bewertet werden". Aus Sicht des Unternehmens ist "das derzeitige Haftungsmodell [aber] auch für diese Fälle grundsätzlich geeignet". BMW sah eine "dringende Notwendigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen für teil- bzw. autonomes Fahren zu definieren" (vgl. "Weg frei für das automatisierte Fahren").
ADAC kritisiert "Verbot aller fahrerfremden Tätigkeit"
Der von Verkehrsminister Dobrindt entworfene deutsche Rechtsrahmen wird (ebenso wie der SAVE Act) als Förderung des automatisierten Fahrens verkauft, dürfte nach Meinung des ADAC-Rechtsanwalts Jost Henning Kärger jedoch nicht dafür sorgen, dass dieses "automatisierte Fahren […] in Schwung kommt, weil er "von den Fahrern jederzeit die unverzügliche Übernahme von den hoch- und vollautomatisierten Fahrsystemen verlang[t]". "Bleibt es beim Verbot aller fahrerfremden Tätigkeit wie beim Fahren ohne hoch- oder vollautomatisierten Systeme", stellt sich Kärger zufolge "die Frage, ob diese dann gekauft werden".
Dem Verkehrsrechtler nach bringt diese Regelung keine Verbesserung der Verkehrssicherheit, weil "psychologische Studien zeigen, dass die Aufmerksamkeit bei reinen Kontrollfunktionen irgendwann abnimmt". Außerdem kritisiert er, dass die Haftungsgrenzen mit zehn Millionen Euro für Personen- und zwei Millionen Euro für Sachschäden sehr viel höher sind als bei herkömmlichen Automobilen, ohne dass ein sachlicher Ungleichbehandlungsgrund vorliegt.
Sollten Vertreter von Automobilkonzernen Einfluss auf diese Regelungen genommen haben, wäre das nichts Neues, sondern ein Hinweis darauf, wie sehr sich korporatistische Strukturen verfestigt haben, in denen Unternehmens- und Politikvertreter gemeinsam Wettbewerb ausschalten. Anders als der "Kapitalismus" steht dieser Korporatismus Michael Schulte zufolge nicht im Fokus der Medienkritik, weil "alles was mit 'runden Tischen' zu tun hat, [..] für Otto Normalbürger halt irgendwie immer gut [aussieht], weil damit das warme Gefühl von Konsens und 'Händchenhalten' verbreitet wird."
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