Generation Z: Ein profitables Märchen unserer Zeit

- Generation Z: Ein profitables Märchen unserer Zeit
- Plakative Sprüchen und steile Thesen
- Auf einer Seite lesen
Ständig warten die Medien mit Erkenntnissen über die Generation Z und die Generation Alpha auf. Bei näherem Hinsehen bleibt davon nichts übrig.
Über die "Jugend von heute" wurde schon immer gerne geschimpft. Heute wird über die "Generation Z" alias "Gen Z" oder "Zoomer" hergezogen – vor allem in den Medien. Magazine wie Focus und Stern, aber auch Regionalzeitungen und öffentlich-rechtliche Sender veröffentlichen unablässig angeblich neue Erkenntnisse über die jungen Leute.
Zur Generation Z werden die zwischen 1995 und 2010 oder auch 2012 Geborenen gerechnet. Die allermeisten Berichte über diese Alterskohorte drehen sich um ein und dasselbe Thema: Die Zoomer tun nicht das, was die Arbeitgeber von ihnen erwarten.
Angeblich schieben sie lieber eine ruhige Kugel statt Überstunden. Oft hätten sie wenig Ahnung, aber wollten ihren Vorgesetzten die Welt erklären. Außerdem forderten sie zu viel Gehalt und die Work-Life-Balance sei ihnen wichtiger als Karriere.
Klagelied der Arbeitgeber
Ihre Überzeugungskraft beziehen solche Berichte meist aus den Aussagen sogenannter Experten. Wenn gerade keiner zur Hand ist, übernimmt man einfach amerikanische Medienbeiträge. So berichtete kürzlich der Focus, unter Berufung auf eine Studie des Datenanalyse-Portals Intelligent.com, "Gen-Z-Arbeiter" – wohl eine Eins-zu-eins-Übersetzung von "Gen Z workers" – würden in den USA oft nur wenige Monate nach ihrer Einstellung schon wieder gefeuert.
Tatsächlich ging es in dieser Studie, wie fast immer, wenn von der Generation Z die Rede ist, nur um Akademiker. So zitiert der Focus einen von Intelligent.com befragten Karriereberater:
Viele neue Hochschulabsolventen tun sich schwer, wenn sie neu auf den Arbeitsmarkt kommen. […] Sie mögen sich beim Studium vielleicht ein gewisses theoretisches Wissen angeeignet haben, aber es fehlt ihnen an praktischer Erfahrung …
Man kennt dieses Klagelied auch von deutschen Arbeitgebern, nur will es nicht so recht zum viel beschworenen Fachkräftemangel passen.
Die Frankfurter Rundschau ließ ihre Leser kürzlich wissen, dass junge Menschen in den USA wenig vom Sparen hielten. 47 Prozent von ihnen verfügten über keine finanziellen Rücklagen. Viele betrieben "Doomspending". Das bedeute, sie gäben exzessiv Geld aus, da sie glaubten, "dass Sparen angesichts einer unsicheren Zukunft sinnlos" sei.
Generationenkonzept wissenschaftlich nicht haltbar
Nun ist Sparen in den USA allgemein nicht so populär wie in Deutschland. Und da junge Menschen meist weniger verdienen als ältere, aber höhere Mieten zahlen, können viele wohl gar nichts zurücklegen.
Erstaunlicherweise erwähnt die Autorin des Artikels, dass dieser auf den Ergebnissen einer nicht repräsentativen Umfrage beruht. Am Rande bemerkt sie sogar, dass die Einteilung der Bevölkerung in Generationen "keinen wissenschaftlichen Standards" entspreche und häufig zu "Stereotypisierungen" führe.
Das führt uns zu der Frage, warum solche nichtssagenden Berichte trotzdem täglich im Dutzend erscheinen. Offensichtlich verkaufen sie sich gut und erfordern nur wenig Recherche. Der Saarbrücker Soziologe Martin Schröder schreibt auf seiner Website, er bekomme "tagtäglich" Anfragen zur Generation X. Meist sei der Anlass, "dass wieder ein TikTok-Video, Managementguru, Entertainerin, Aktivistin oder Twitteruserin ein entsprechendes Gerücht in die Welt gesetzt hat".
Eher ein Horoskop als Wissenschaft
Wie schon der Generation Y würden der Generation Z bestimmte Eigenschaften und zugleich deren Gegenteil angedichtet, etwa der Wunsch nach Sicherheit und Zugehörigkeit wie auch der Drang nach individueller Entfaltung und Abwechslung. Solche Aussagen hätten mehr mit Horoskopen als mit Wissenschaft gemein.
Metastudien zeigten, dass definierte Eigenschaften einzelner "Generationen" empirisch nicht nachweisbar seien. Die Aussage, dass es Generationen gebe, die sich in ihren Einstellungen grundlegend voneinander unterschieden, sei nicht haltbar. Schröder hat selbst dazu geforscht und statt Generationeneffekten nur Alters- und Periodeneffekte festgestellt.
Es ist nichts Neues, dass Berufseinsteiger eine andere Einstellung zur Arbeit haben als 40- oder 50-Jährige. Wenn die Angehörigen der Gen Z älter werden, ändern sie sehr wahrscheinlich ihre Einstellung.
Keine grundlegenden Unterschiede in den Einstellungen
Als Periodeneffekte werden durch politische, wirtschaftliche oder technologische Veränderungen – beispielsweise die Einführung des Internets, die "Zeitenwende" oder die Corona-Pandemie – ausgelöste Einstellungsänderungen bezeichnet. Sie betreffen die gesamte Bevölkerung und beeinflussen über kurz oder lang die Einstellungen aller Altersgruppen. Schröder erklärt es wie folgt:
Junge denken […] durchaus anders als Alte. Und wir alle denken heute durchaus anders als früher. Doch bestimmte Generationen denken nur selten systematisch anders, wenn man sie im gleichen Alter und zum gleichen Zeitpunkt befragt.
Aus den Ergebnissen seiner 2018 veröffentlichten Studie schließt der Soziologe, dass "Umfragen wie die Shell Jugendstudie wenig sinnvoll" seien, "ebenso wie eine Managementliteratur, die Ratschläge zum Umgang mit Generationenunterschieden gibt, welche empirisch nicht feststellbar sind".
Alters- und Periodeneffekte betreffen die gesamte Bevölkerung
Schröder vertritt damit keineswegs eine Minderheitenposition. In der Forschung herrscht weitgehend Konsens darüber, dass das Generationenkonzept wissenschaftlich nicht haltbar ist. Wie wir gesehen haben, hat diese Erkenntnis auch schon den einen oder anderen Journalisten erreicht.
Dass die Medien dennoch unverdrossen am Generationen-Mythos festhalten, dürfte indes nicht nur auf die Popularität des Themas zurückzuführen sein. Zahlreiche Pseudo-Experten verdienen ihr Geld damit und werden sich daher kaum einer Presseanfrage verweigern. Für die Gratiswerbung revanchieren sie sich mit plakativen Sprüchen und steilen Thesen.