"Gerechtigkeit für Deutschland"
Die Äußerungen des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann zum Nationalfeiertag
Vor gut einem Jahr berichtete das ARD-Magazin Panorama über Rechtsradikale in der CDU. Die Sendung führte zahlreiche Beispiele von CDU-Mitgliedern an, die in rechtsradikalen Vereinen sprechen, in rechten Verlagen publizieren, kurzum, CDU-Mitgliedern, die sich in Kreisen bewegen, die vom Verfassungsschutz eindeutig als rechtradikal eingestuft und entsprechend beobachtet werden. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer wusste damals von nichts, bat aber um die Übermittlung von Fakten, damit man gegebenenfalls handeln könne. Die genannten Personen sind weiterhin CDU-Mitglieder.
In der Sendung fiel auch der Name Martin Hohmann. Der 55jährige Major der Reserve sitzt seit 1998 für den Wahlkreis Fulda im Bundestag. Zuvor war er 14 Jahre lang Bürgermeister in Neuhof bei Fulda. Nach einem Abschluss in Rechtswissenschaften arbeitete Hohmann zunächst als Jurist im Bundeskriminalamt, zuletzt als Kriminaloberrat in der Abteilung "Terrorismus" in Wiesbaden.
Martin Hohmann sieht sich selbst in guter konservativer Tradition. Konservativ heißt für ihn "zukunftszugewandt sein", wie er in einem Interview mit dem Magazin der Deutschland-Stiftung einmal sagte. Im Grunde seien die meisten Menschen konservativ, solche Aussagen fänden jedoch in der veröffentlichten Meinung so gut wie keinen Niederschlag mehr:
Der Zeitgeist und die eher linksliberal beherrschten Medien sorgen dafür, dass jeder, der eine Meinung äußert, die nicht so ganz auf der Hauptlinie des Zeitgeistes liegt, es schon nicht mehr wagt, sich zu äußern.
Herr Hohmann scheut sich nie, das zu sagen, was er im Sinne hat, und zu zeigen, wo er steht. Beispielsweise im November letzten Jahres, als er die Entscheidung des britischen Oberhauses, homosexuellen Paaren das Adoptionsrecht zu gewähren, als "Denaturierung des Leitbildes der Familie" bezeichnete. Dieser Entwicklung müsse mit "aktiver Zivilcourage" entgegen getreten werden. Darüber hinaus machte er die Tolerierung von Homosexualität für das "größte Problem der deutschen Gesellschaft, ihrem Bevölkerungsrückgang" verantwortlich. Oder zu Paul Spiegels Rede zum 9. November 2000, als Hohmann dem Zentralratsvorsitzenden riet, sich zu überlegen, ob er "das Klima zwischen den Juden und Nichtjuden in Deutschland nicht nachhaltig schädige".
"Ist es etwa deutsche Leitkultur, Fremde zu jagen, Synagogen anzuzünden, Obdachlose zu töten?" hatte Spiegel in seiner Rede gefragt, für Martin Hohmann eine "schlimme Entgleisung", und eine falsche Unterstellung, genauso falsch "wie Spiegel zu unterstellen, er sei mitverantwortlich, dass beim letzten Racheakt der israelischen Armee zwei unschuldige Frauen getötet wurden".
In bester antisemitischer Tradition
So richtig ausgeteilt hat Martin Hohmann erst wieder vor Kurzem, in einer Rede zum deutschen Nationalfeiertag, also am 3. Oktober 2003, bei der Neuhofer CDU. Eine Rede in bester antisemitischer Tradition, die zunächst ganz unbescholten auf der Seite der Neuhofer CDU verlinkt war, mittlerweile aber von dieser entfernt wurde (Der Wortlaut der Rede von MdB Martin Hohmann zum Nationalfeiertag). Der ehemalige Bürgermeister darf offensichtlich sagen, was er möchte, entweder traut man sich in Neuhof nicht zu kritisieren oder aber man ist voll und ganz einverstanden mit Hohmanns Gedankengängen.
Worum geht es also in Hohmanns Rede? Es geht um die Krise in Deutschland, die für Hohmann daher kommt, dass man "als Deutscher in Deutschland keine Vorzugsbehandlung" erhält. Er habe drei Anfragen an den Bundestag gestellt.
Ist die Bundesregierung angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Staatseinnahmen bereit, ihre Zahlungen an die Europäische Union zu verringern?
Ist die Bundesregierung bereit, sich auch für deutsche Zwangsarbeiter einzusetzen, nachdem für ausländische und jüdische Zwangsarbeiter 10 Milliarden DM zur Verfügung gestellt worden sind?
Ist die Bundesregierung angesichts der Wirtschaftsentwicklung und des Rückgangs der Steuereinnahmen bereit, ihre Entschädigungszahlungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (also an - vor allem jüdische - Opfer des Nationalsozialismus) der gesunkenen Leistungsfähigkeit des deutschen Staates anzupassen?
Die Antworten hätten Hohmann klar gemacht, dass es sich genau so verhalte, wie er es vermute:
Hauptsache, die deutschen Zahlungen gehen auf Auslandskonten pünktlich und ungeschmälert ein. Dafür müssen die Deutschen den Gürtel halt noch ein wenig enger schnallen.
Grund dafür ist natürlich die deutsche Geschichte. Niemand könne ernsthaft den Versuch unternehmen, die deutsche Geschichte vergessen zu machen, "wir alle kennen", so Hohmann, "die verheerenden und einzigartigen Untaten, die auf Hitlers Geheiß begangen wurden." Aber - es gibt natürlich ein aber, je weiter die Nazi-Zeit zurückliege, desto stärker werde sie in der deutschen Gegenwart präsent.
Damit meint Hohmann nicht etwa die Horden von Neonazis, die durch das demokratische Deutschland ziehen. Von diesen Leuten würde keine Gefahr ausgehen, schließlich erteilen die deutschen Wählern an der Wahlurne "diesen Dumpfbacken jeweils eine klarere Abfuhr, als das in vergleichbaren Nachbarländern geschieht". Nein, Hohmann sorgt sich wegen der "allgegenwärtige(n) Mut-Zerstörung im nationalen Selbstbewußtsein", die aus dem ständig präsenten Vorwurf, die Deutschen seien das "Tätervolk", herrühre.
Martin Hohmann ist ein Mensch, der für Klarheit und Wahrheit ist, "es soll, darf nicht verschwiegen und beschönigt werden". Die Frage sei jedoch, ob "das Übermaß der Wahrheiten über die verbrecherischen und verhängnisvollen 12 Jahre der NS-Diktatur nicht a) instrumentalisiert wird und b) entgegen der volkspädagogischen Erwartung in eine innere Abwehrhaltung umschlagen könnte". Die immer gleiche Wahrheit müsse geradezu psychische Schäden bewirken.
Um das bisher Gesagte zusammenzufassen: Die Deutschen sind also davon geschädigt, dass sie immer wieder mit der eigenen Schuld konfrontiert werden, deswegen geben sie ihr Geld ins Ausland anstatt in die eigene marode Wirtschaft zu investieren.
So weit so gut, mag sich der Leser denken, mit diesen Ansichten steht der Abgeordnete ja nicht alleine da, Herr Walser hat bereits vor fünf Jahren Entsprechendes verlauten lassen. Wer bisher versucht haben sollte, Herrn Hohmann in gutem Licht zu sehen, dem werden bald die Haare zu Berge stehen. Denn der CDUler stellt darauf die provozierende Frage:
Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden?
Die Juden und der Bolschewismus
Hohmann findet denn auch so einiges, bei dem die Juden Dreck am Stecken haben. Es geht einmal wieder in die Ecke von Ernst Nolte, die Verbrechen des Nationalsozialismus werden mit den Verbrechen des Bolschewismus aufgerechnet und die Einzigartigkeit des NS-Genozids an den Juden verschleiert.
Ausgerechnet Henry Fords Der internationale Jude muss für Hohmanns Argumentation herhalten. Die Juden, so die Kernaussage von Fords gesammelten Aufsätzen, hätten sich in verschwörerischer, geheimbündlerischer Absicht zusammengetan, um die Weltmacht mittels wirtschaftlicher Macht, insbesondere durch die Kontrolle der Geldwährung an sich zu reißen. Fords Schriften basieren auf den "Protokollen der Weisen von Zion", die er auszugsweise in seiner Wochenzeitung "The Dearborn Independent" publizierte. 1927 kam es zu einer offiziellen Entschuldigung Fords für seine antisemitischen Publikationen, der einzige Ausweg für den Industriellen aus einem langwierigen image-schädigenden Prozess. Ford blieb selbstverständlich der alte und wurde schließlich zu einem großen Bewunderer Hitlers. 1938 nahm er einen hohen Orden, das "Adlerschild des Deutschen Reiches", entgegen.
Auch jüdische Kronzeugen führt Martin Hohmann für seine Argumentation ins Feld. So habe der "Jude Felix Teilhaber" 1919 gesagt: "Der Sozialismus ist eine jüdische Idee... Jahrtausende predigten unsere Weisen den Sozialismus." Auch die Begründer von Kommunismus und Sozialismus, alle voran Karl Marx, seien Juden gewesen.
Es folgt in Hohmanns Rede eine detaillierte Auflistung, wie viele Juden in revolutionären Gremien vertreten waren. Vier Juden im siebenköpfigen Politbüro der Bolschewisten von 1917. 28,6% des revolutionären Zentralkomitees in Russland von 1917. Ferdinand Lassalle, Eduard Bernstein, Rosa Luxemburg, vier von sechs KP-Führern in Deutschland waren 1924 Juden, von 48 Volkskommissaren in Ungarn waren 30 jüdisch, die Münchner Räterepublik und so weiter. Und natürlich nicht zu vergessen, der Mord an Zar Nikolaus II. und seiner Familie wurde von Jacob Sverdlov, einem Juden "eigenhändig vollzogen".
Woher hat nur der Abgeordnete Hohmann sein Detailwissen, mag man sich fragen, weiß er doch zu berichten, dass "nach einer von Churchill 1930 vorgetragenen statistischen Untersuchung eines Professors den Sowjets bis 1924 folgende Menschen zum Opfer gefallen sein (sollen): 28 orthodoxe Bischöfe, 1.219 orthodoxe Geistliche, 6.000 Professoren und Lehrer, 9.000 Doktoren, 12.950 Grundbesitzer, 54.000 Offiziere, 70.000 Polizisten, 193.000 Arbeiter, 260.000 Soldaten, 355.000 Intellektuelle und Gewerbetreibende sowie 815.000 Bauern." Hohmann bezieht sich, wie in einer Anmerkung festgehalten ist, auf das Buch "Jüdischer Bolschewismus. Mythos und Realität" von Johannes Rogalla von Bieberstein. Ernst Nolte steuerte hierzu ein begeistertes Vorwort bei.
Obwohl sich der Autor im Vorwort ausdrücklich von jeglichen antisemitischen Tendenzen zu distanzieren versucht, kann sich der Leser nur wundern, wie gründlich von Bieberstein Juden aufspürt wurden. Was genau Trotzki gemacht oder nicht gemacht hat, erfährt der Leser nicht, wohl aber, dass er Jude war. Juden im rassischen Sinne sind also die Hauptfiguren in von Biebersteins Buch. Es geht darum, die jüdische "Schuld" am Kommunismus zu erarbeiten und damit letztendlich zu den Thesen Ernst Noltes beizutragen, wonach der Nazismus eine Art "Notwehr" gegen die Gefahren des Bolschewismus war, der ja von Juden angeführt wurde. Herr Rogalla von Bieberstein ließ die Redaktion von haGalil onLine in anderem Zusammenhang wissen, dass er international, "insbesondere auch von jüdischen Wissenschaftlern", anerkannter Historiker sei. Tatsächlich sei es so, "daß die kleine, aber welthistorisch nach 1917 massiv in Erscheinung getretene kommunistisch-extremistische Minderheit von Juden der Judenheit unendlich geschadet hat!" Ganz im Sinne von Martin Hohmann ließ uns von Bieberstein damals wissen, dass die Einsicht, die man aus seinem Buch erhält, "durch ein medial verordnetes kollektivistisch-moralistischen "Geschichtsbild" vorenthalten" wird.
Martin Hohmann schlussfolgerte in seiner Rede zum 3. Oktober, man könnte "im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der "Täterschaft" der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als "Tätervolk" bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet."
Die (christliche) Gottlosigkeit als Problem
Genau wie Rogalla von Bieberstein thematisierte Hohmann noch die Religion. Die Juden, "die sich dem Bolschewismus und der Revolution verschrieben hatten, hatten zuvor ihre religiösen Bindungen gekappt". Ähnliches stellen die Herren auch bei den Nazis fest. Um es vorweg zu nehmen, die Gottlosigkeit sei also das verbindende Element von Bolschewismus und Nationalsozialismus. Eine interessante Wende in Hohmanns Rede ist seine Feststellung, weder "die Deutschen" noch "die Juden" seien ein Tätervolk. Die Gottlosen mit ihren gottlosen Ideologien sind die Täter. Fast macht es den Eindruck als habe sich Hohmann in seiner eigenen Argumentation verfangen. Die Lösung ist natürlich einfach, Hohmann plädiert für "eine Rückbesinnung auf unsere religiösen Wurzeln und Bindungen. Nur sie werden ähnliche Katastrophen verhindern, wie sie uns Gottlose bereitet haben". Allerdings spricht er lediglich von der christlichen Religion als einer Religion des Lebens, deren Gottesbezug seiner Meinung nach in die europäische Verfassung aufzunehmen sei.
Martin Hohmann sagt in seiner Rede nichts Verbotenes, er hetzt nicht mit verfassungsfeindlichen Parolen. Seine Argumentation ist wesentlich raffinierter und perfider. Bestreitet er letztendlich, dass die "Juden" als Kollektiv ein "Tätervolk" seien, so zählt er doch zuvor genau dafür "Beweise" auf. Durch die Gegenüberstellung von Nationalsozialismus und Bolschewismus bzw. von Deutschen und Juden als "Tätervolk" wird der Holocaust verharmlost, die "Schuld" des nationalsozialistischen Deutschlands relativiert und schließlich antisemitische Argumentationen der übelsten Sorte aufgewärmt und neu serviert.
Juden sind wahlweise die Drahtzieher von Bolschewismus, Kommunismus, Sozialismus, Kapitalismus, je nachdem, wie es der Sprecher eben braucht. Herr Hohmann sucht die Juden im Bolschewismus, selbstverständlich wird er welche finden. Und das Ganze mit einem Historiker, der "insbesondere" auch von jüdischen Wissenschaftlern anerkannt ist, als Rückendeckung, da kann ja nichts falsch sein. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass es offenbar reichen soll, ein paar Juden aufzählen zu können, um sich von jeglichen Vorwürfen rechter und antisemitischer Argumentation freisprechen zu können.
Mit einem Abgeordneten wie Martin Hohmann muss sich die CDU tatsächlich keine Sorgen um Wahlerfolge erklärt rechter Parteien wie der NPD machen. Die CDU kann mit Herrn Hohmann das gesamte rechte Wählerspektrum abdecken. Wer braucht da noch die NPD?
Der Beitrag von Andrea Livnat ist zu erst in haGalil onLineerschienen.