Gibt es einen Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und der Sterblichkeit?

Manche Kritiker der Coronamaßnahmen machen die Impfungen für eine Übersterblichkeit verantwortlich. Experten haben der "Unstatistik des Monats" auf den Zahn gefühlt. Was fanden sie heraus?

Wussten Sie schon, dass es in den USA einen Zusammenhang zwischen dem Käsekonsum und der Anzahl der Personen gibt, die sterben, weil sie sich in einem Bettlaken verheddert haben? Oder in Deutschland einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Störche und der geborenen Menschenkinder?

Je mehr Daten man analysiert, desto mehr Zusammenhänge lassen sich prinzipiell finden. Um Zufälle auszuschließen, haben sich Statistiker verschiedene Kontrollmaßnahmen ausgedacht.

Ein grundlegendes Problem bleibt aber, dass zwei Variablen – wie die Anzahl der Störche und der Geburten – auch nach einer statistischen Kontrolle den Eindruck eines Zusammenhangs erwecken können, der in Wirklichkeit aber durch eine dritte Variable erklärt werden kann.

In vielen wissenschaftlichen Disziplinen wird es daher schon im Grundstudium vermittelt, dass eine Korrelation, ein gefundener Zusammenhang beim Eintreten bestimmter Ereignisse, nicht automatisch eine Kausalität beweist. Das lässt sich an der "Theorie des Storchs" verdeutlichen.

Dass es hier einen Zusammenhang gibt, ist nämlich kein Witz, sondern ein Fakt. Die Auflösung ist aber nicht, dass Störche doch die Babys bringen. Vielmehr haben Menschen in ländlichen Umgebungen im Schnitt etwas mehr Nachwuchs – und in just diesen ländlichen Gegenden fühlen sich die langbeinigen Vögel auch wohler.

Das sind unterhaltsame Beispiele für den Statistikunterricht. In der Diskussion der Coronamaßnahmen sind die Fronten inzwischen aber so verhärtet, dass vielen schnell das Lachen vergeht. Davon abgesehen wäre es natürlich von außerordentlicher Bedeutung, würden Menschen tatsächlich durch die Impfungen sterben.

Unstatistik des Monats

Seit inzwischen zehn Jahren küren die Professoren Thomas Bauer (Ruhr-Universität Bochum), Gerd Gigerenzer (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung) und Walter Krämer (TU Dortmund) mit der Statistikerin Katharina Schüller (Stat-Up GmbH) die "Unstatistik des Monats". In der jüngeren Vergangenheit haben sie sich schon mehrmals mit Beispielen der Coronapandemie beschäftigt.

Für die Unstatistik des Januar 2022 haben sie sich jetzt eine Studie angeschaut, die der Psychologieprofessor Christoph Kuhbandner (Universität Regensburg) ins Internet gestellt hat. Darin bringt der Psychologe den Anstieg der Übersterblichkeit im Jahr 2021 mit den Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen gegen Covid in Zusammenhang. (Kuhbandner hat sich vom April 2020 bis März 2021 auch auf Telepolis kritisch mit der wissenschaftlichen Begründung der Coronamaßnahmen auseinandergesetzt.)

Thomas Bauer und Katharina Schüller werfen nun Kuhbandner vor, nicht gründlich genug nach alternativen Erklärungen gesucht zu haben. Eine Möglichkeit sei beispielsweise, dass es erst zu einem Anstieg der Infektionen komme, sich darum mehr Menschen impfen lassen und es anschließend zu mehr schweren Covid-Erkrankungen und schließlich auch Todesfällen kommt.

Aus dem zeitlichen Zusammenhang allein kann man also nicht schließen, dass die Impfungen für die Todesfälle verantwortlich sind. Eine alternative psychologische Erklärung hat eine gewisse Plausibilität:

Die Infektionszahlen wurden (und werden) uns natürlich Tag für Tag auffällig in den Medien präsentiert, oft genug mit großer Dringlichkeit. Darum dürften sich in solchen Zeiten auch mehr Menschen für eine Impfung entschieden haben, um sich gegen schwere Covid-Verläufe zu schützen.

Wenn es viele Infektionen gibt, sind aber gleichzeitig auch Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus wahrscheinlicher. Das war bei der Delta-Variante mit Sicherheit so und ändert sich jetzt dem Anschein nach etwas bei Omikron.

Bauer und Schüller haben zur Kontrolle die Daten verschiedener Regionen und für verschiedene Altersgruppen miteinander verglichen und kommen zum Ergebnis:

Der korrelative Zusammenhang zwischen Impfungen und Todesfällen ist teilweise positiv, teilweise liegt er bei Null, teilweise ist er sogar negativ. Mit solchen Daten lässt sich jedoch die Frage, ob sich Impfungen positiv oder negativ auf die Todesfälle auswirken, nicht beantworten. Hierzu würde man Individualdaten benötigen.

Unstatistik des Monats Januar 2022

Demnach kann man also keinen pauschalen kausalen Zusammenhang zwischen den Impfungen und der Sterblichkeit behaupten. Die Statistiker bemängeln aber auch die Aussagekraft der vorliegenden Daten.

Neue Ergebnisse

Sie verweisen allerdings auf die Ausnahmen in einigen Ländern, in denen Impfregister geführt werden und darum bessere Daten verfügbar sind. Ein Beispiel hierfür ist Österreich, wo gerade erst zum 25. Januar Statistik Austria die Ergebnisse einer genaueren Analyse vorstellte:

Ungeimpfte haben ein signifikant höheres Sterberisiko als jene, die zumindest eine Impfdosis gegen Covid-19 erhalten haben – das ist in beinahe allen Altersgruppen und unabhängig vom Geschlecht der Fall. Die deutlichsten Unterschiede sehen wir allerdings bei Personen höheren Alters: Im Zeitraum September bis Dezember 2021 starben rund 2.884 von 100.000 zumindest einmal Geimpften über 80 Jahre. Bei den Ungeimpften in der gleichen Altersgruppe war die Sterberate mit 6.676 je 100.000 mehr als doppelt so hoch.

Statistik Austria-Generaldirektor Tobias Thomas

Die Experten der Unstatistik des Monats merken aber auch hierbei an, dass es neben dem Alter weitere Einflussfaktoren geben dürfte: beispielsweise einen Migrationshintergrund, ein niedrigeres Bildungsniveau oder eine höhere soziale Benachteiligung. Personen aus diesen Gruppen würden sich seltener impfen lassen – hätten aber auch allgemein ein höheres Sterberisiko.

Man sieht, wie komplex die Wirklichkeit ist, wenn man Ursache-Wirkung-Beziehungen nachweisen will. Wenn zu viele Daten erhoben werden, kommen außerdem Kritiker auf den Plan, die vorm "gläsernen Menschen" warnen und auf Datenschutz pochen. Denn natürlich können Datensammlungen auch gegen Bürgerinnen und Bürger missbraucht werden.

Daten des Paul-Ehrlich-Instituts

Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn man auf die Zahl der gemeldeten Todesfälle nach einer Impfung verweist. Diese erhebt das Paul-Ehrlich-Institut. Berichte über leichte und schwere Nebenwirkungen können auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite abgegeben werden.

Nun ist es erst einmal ein Fakt, dass das Institut in seinem Bericht über die Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen 1.919 Todesfälle nach einer Impfung nennt. Nach einer Impfung ist aber nicht automatisch durch eine Impfung.

In einem Land wie Deutschland mit über 80.000.000 Einwohnern sterben tagtäglich Menschen. Laut offiziellen Zahlen wurden dort inzwischen über 165.000.000 Impfdosen verabreicht. Allein darum ist schon davon auszugehen, dass nach den Impfungen einige Menschen sterben, ohne dass es hier einen Kausalzusammenhang gibt.

Aus wissenschaftlicher Perspektive muss man darum die Todesfälle nach einer Impfung damit vergleichen, was in einem Land – zudem in einer Pandemie – normal ist. Das Paul-Ehrlich-Institut hat das getan und kommt zum folgenden Ergebnis:

Ein Vergleich der Anzahl der gemeldeten Todesfälle im Abstand von einem Tag bis sechs Wochen nach einer COVID-19-Impfung mit der im gleichen Zeitraum statistisch zufällig zu erwartenden Anzahl der Todesfälle (Daten des Statistischen Bundesamtes) ergab für keinen der vier bisher in Deutschland eingesetzten COVID-19-Impfstoffe ein Risikosignal.

Sicherheitsbericht 27.12.2020 bis 30.11.2021, S. 10