Globalisierung: Wie sich Deutschland beim Klimaschutz sauber rechnen kann
Die Bundesrepublik glänzt beim Klimaschutz, während China als Dreckschleuder gilt. Diese Sicht ist populär, doch sie greift zu kurz. Was das mit der Globalisierung zu tun hat.
Die Globalisierung ging mit dem Versprechen von Wohlstand für alle Menschen der Erde einher. Jedes Land sollte sich auf die Produkte konzentrieren, die es am günstigen herstellen konnte. Ein globaler Handel sollte für alle gewinnbringend sein.
Das Versprechen wurde nicht eingelöst. Während der Wohlstand weitgehend in den Industrieländern blieb, wurde die Umweltverschmutzung in andere Länder verlagert. Das Beispiel Deutschland zeigt, wie es dazu kommen konnte.
Schon in den 1980er-Jahren wurden viele schadstoffreiche und CO₂-intensive Produktionen nach Asien verlagert, weil dort die Umweltstandards niedriger waren. Ganze Kokereien wurden in Deutschland abgebaut und nach China verlagert.
Damit wurden auch die produktionsbedingten Umweltbelastungen verlagert, sodass Deutschland seine Umweltbelastungen reduzieren konnte. Es wurden die gleichen Produkte konsumiert wie vorher, nur ohne Umweltbelastung in Deutschland.
Alle Versuche, diese produktionsbedingten Umweltbelastungen den Ländern anzulasten, die die Produkte der verlagerten Produktion konsumieren, sind bisher am Widerstand der Industrieländer gescheitert.
Steigende Umweltschutz- und Arbeitsrechtsstandards in China reduzieren zwar inzwischen die Kostenvorteile der Produktion, die auf ehemals niedrigeren Standards beruhten. Die aktuellen Kostenvorteile chinesischer Hersteller beruhen nun auf großen Stückzahlen, einer ausgefeilten Produktionslogistik und hoch spezialisierten Zulieferern.
Ausgelagerte Produktionen führen zu ausgelagerten Emissionen
So wie Unternehmen in der Vergangenheit Teile ihrer Produktionsketten und Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben, so haben sie dies auch mit der Klimabelastung durch die Produktion getan.
Während in der Europäischen Union 2019 rund ein Viertel weniger Treibhausgase produziert wurden als 1990, steigen die CO₂-Emissionen in den meisten Teilen der Welt weiter an, allen voran in China. Es ist kein Geheimnis, dass dort Smartphones oder Stahl für Europa produziert werden, aber die Emissionen, die bei der Produktion entstehen, werden China und nicht der EU zugerechnet.
Das Global Carbon Project versucht, die Zuordnung von CO₂-Emissionen anhand öffentlich verfügbarer Daten darzustellen. Auch die EU will über den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) zumindest einen finanziellen Ausgleich für den CO₂-Ausstoß von Waren erreichen, die außerhalb der EU produziert werden.
Letztlich sollen die Produzentenländer dazu gebracht werden, ihren CO₂-Ausstoß mit vergleichbaren Zertifikaten zu bepreisen. Wenn China dann dem EU-Vorbild für in die EU exportierte Produkte folgt, geht Brüssel beim CBAM leer aus, denn eine solche Abgabe darf nach WTO-Regeln im internationalen Handel nur einmal erhoben werden.
Weltweite Klimabuchhaltung ist schwierig
Das CO₂-Outsourcing durch Produktionsverlagerung verschlechtert die Klimabilanz vieler Staaten erheblich. Da es für das Weltklima unerheblich ist, wo Kohlendioxid entsteht, stellt sich die Frage, ob nicht eine neue Form der Klimabilanzierung notwendig ist.
Die Frage nach der "richtigen" Berechnung von Treibhausgasemissionen ist nach wie vor eines der großen Streitthemen in der Klimadiplomatie. Angenommen, man würde nun auch die ausgelagerten Emissionen einbeziehen, dann stellt sich die nächste Frage: Wo fängt man an, wo hört man auf? Ist Europa dann auch für die Regenwälder verantwortlich, die für importiertes Sojafutter gerodet werden? Oder für die Sümpfe, die in Indonesien trockengelegt werden, um Palmöl für deutsche Lebensmittel zu produzieren?
Bisher ist es in internationalen Abkommen üblich, dass jemand nur für die Produktionsschritte Verantwortung übernehmen kann, die er auch kontrollieren kann. Und hier beginnt das Problem in der globalisierten Welt. Was in einem chinesischen Stahlwerk oder bei einem Elektronikhersteller passiert, kann kein Marktteilnehmer in Europa so einfach bestimmen.
Ob der Versuch der EU, über CBAM beim Import von Waren in die EU den CO₂-Ausstoß der Produktion außerhalb der EU auszugleichen, gelingen kann, ist derzeit ungewiss. Nicht zuletzt besteht das Risiko, dass diese Abgaben von der Welthandelsorganisation (WTO) wegen unzulässigem Protektionismus verhindert werden.
Auch die Berechnung des CO₂-Fußabdrucks steht oft auf unsicheren Füßen. Während es bei homogenen Gütern wie Zement, Papier oder Düngemitteln noch relativ einfach ist, den CO₂-Fußabdruck zu bestimmen, wird es bei Smartphones, Autos oder Dienstleistungen schon komplizierter.
Aber auch bei Stahl, dessen Herstellung viel Kohlendioxid verursacht, ist es nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Neuer Stahl, der aus Eisenerz gewonnen wird, wird in Mexiko im Schnitt fast halb so klimafreundlich hergestellt wie in Polen. Beim sogenannten EAF-Stahl, der aus Schrott gewonnen wird, soll Spanien derzeit deutlich besser abschneiden.
De-Globalisierung würde CO₂-Fußabdruck hierzulande wieder vergrößern
Wie hoch der Anteil der CO₂-Emissionen im Detail ist, der auf die Verlagerung der Produktion zurückzuführen ist, kann, wie oben dargestellt, mit den heute verfügbaren Methoden nicht mit ausreichender Sicherheit bestimmt werden.
Eine konsequente De-Globalisierung würde die Berechnung des produktionsbedingten CO₂-Fußabdrucks aber sicherlich vereinfachen. Ob die globalen Lieferketten jedoch vollständig durch regionale Rohstoffgewinnung und Produktion ersetzt werden können, ist äußerst unsicher, da viele Arbeitsschritte längst nicht mehr hierzulande stattfinden und daher keine entsprechend qualifizierten Arbeitskräfte mehr vorhanden sind.
Wenn diese Produkte dann nicht mehr in Europa verkauft würden, wäre dies zumindest für die globale Klimabilanz von Vorteil.
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