Google räumt auf
Warum der Kampf der Suchmaschine gegen Suchmaschinen-Spam leicht zum Bumerang werden könnte
Angesichts der in Politik und Medien in regelmäßigen Abständen geäußerten Besorgnis über die Marktdominanz von Google verwundert es, dass von Juristen kartellrechtliche Konsequenzen bislang kaum untersucht wurden. Die aktuelle Berichterstattung über den Ausschluss prominenter Websites wie der von BMW aus dem Google Index könnte dies ändern und der weltweit populärsten Suchmaschine so manches Problem bereiten.
Auf den ersten Blick scheinen Suchmaschinen die perfekte Informationsquelle zu sein. In automatisierten Prozessen werden Unmengen von Daten erfasst und für Nutzer durchsuchbar gemacht, so dass sie einen vorurteilsfreien Zugang zu Informationen zu ermöglichen scheinen. Man gibt sich bei Google als „not evil“, lässt eine anderen Medien innewohnende Zensur oder Auswahl von Inhalten auf den ersten Blick nicht erkennen. Suchergebnisse würden ausschließlich von Computeralgorithmen bestimmt, so das Kredo der Anbieter.
Unglücklicherweise sind Suchmaschinen aber weit davon entfernt, perfekt zu sein und die Neutralität der Suchdienste ist schon längst lediglich ein Mythos. Webseiten werden aus vielerlei Gründen aus dem Index ausgeschlossen. Neben der Notwendigkeit, einer Verantwortlichkeit für verlinkte rechtswidrige Inhalte aus dem Weg zu gehen (Stichwort Suchmaschinenhaftung) streben Suchmaschinen - wie alle Medienanbieter - danach, die Qualität ihrer Leistung kontinuierlich zu verbessern und Nutzern relevante Suchergebnisse zu präsentieren. Ihr Ziel ist es, Algorithmen zu entwickeln, die einerseits die Inhalte der Webseiten zutreffend klassifizieren und in ihrer Bedeutung richtig einordnen, und andererseits dazu geeignet sind, sog. Spamming-Methoden zu identifizieren. Webseiten, auf denen Suchmaschinenoptimierungstechniken festgestellt werden, die gegen die Qualitätsrichtlinien verstoßen, werden aus dem Index ausgeschlossen.
Für 2006 hat sich Google nun vorgenommen, stärker gegen die Spam-Methoden von Suchmaschinenoptimierern vorzugehen und manipulierte Webseiten "bestrafen" zu wollen. Der Fokus soll dabei stärker als früher auf Webauftritten liegen, die aus Ländern außerhalb der USA stammen. Ab etwa Mitte Februar sollen dazu größere Änderungen am Algorithmus der Suchmaschine erfolgen. Das diesbezügliche Update soll den Namen „Big Daddy“ tragen.
Seit einigen Tagen ist der verstärkte Kampf gegen den Suchmaschinen-Spam nicht nur „eingeweihten Suchmaschinenoptimierern“ bekannt, sondern hat er durch einen öffentlichkeitswirksamen Ausschluss von bekannten Websites auch in der allgemeinen Presse für Aufmerksamkeit gesorgt. Süddeutsche Zeitung und Spiegel haben z.B. über den Ausschluss der BMW-Website aus dem Index von Google berichtet. Auslöser dafür war die Verwendung sog. Doorway-Pages. Dabei handelt es sich, stark vereinfacht dargestellt, um Webseiten, die nicht für Besucher gedacht, sondern für die Spider von Suchmaschinen mit Blick auf bestimmte Schlüsselwörter optimiert sind, um ein möglichst hohes Ranking einer Webseite zu erreichen. Suchmaschinen sollen andere Inhalte präsentiert werden als Nutzern. Oft wird diese Methode dazu missbraucht, dass Webseiten unter Suchbegriffen gefunden werden, die mit dem eigentlichen Inhalt nichts zu tun haben (vertieft zu Spamming-Methoden siehe z.B. den Kleinen Leitfaden zur Manipulation von Suchergebnissen). Google verbietet daher in seinen Qualitätsrichtlinien ganz generell die Verwendung von Doorway Pages.
So eindeutig wie der Fall BMW zu sein scheint, ist er aber keineswegs: BMW verstößt gegen die Richtlinie von Google und wird ausgeschlossen. Ein solches Verhalten ist solange rechtlich nicht zu beanstanden, als man davon ausgehen darf, Google sei nicht verpflichtet, überhaupt Websites in seinen Index aufzunehmen. Google fühlt sich selbst hier völlig frei, wie eine Aussage in einem Schriftsatz in dem Verfahren Search King v. Google belegt:
“Google is under no obligation to include every web page on the Internet, including any web pages from Search King’s site. Nor is Google obligated to maintain in its index any web pages that it once decides to include.”
Was aber, wenn dem hier in Deutschland nicht so ist? Vereinzelt wurde bereits – wenn auch ohne wissenschaftlich dogmatische Begründung – die Behauptung aufgestellt, Google sei aufgrund seiner Marktmacht aus kartellrechtlichen Gründen verpflichtet, Webseiten aufzunehmen. Dieses Ergebnis wird in einer in einer der nächsten Ausgaben der Fachzeitschrift MMR in einem Aufsatz von mir erstmals juristisch fundiert begründet.
Wollte man diesem Ergebnis folgen, hätte dies zur Konsequenz, dass eine marktbeherrschende Suchmaschine Webseiten nicht willkürlich diskriminieren darf, d.h. Webseiten nicht ohne sachlichen Grund nicht in den Index aufnehmen oder aus dem Index ausschließen darf. Unter diesem Blickwinkel bedürften dann auch die Qualitätsrichtlinien von marktbeherrschenden Suchmaschinen einer Bewertung: Ist es sachlich gerechtfertigt, wenn Webseiten nicht mehr gelistet werden, die Doorway Pages verwenden? Wenn dies auf Spam hinausläuft und Webseiten unter unzutreffenden Begriffen geführt werden, sicherlich. Man kann sich aber auch vorstellen, dass eine Webseite aus Flash-Animationen besteht, die von Suchmaschinen nicht ausgewertet werden können und der Betreiber mittels Doorway Pages nur dafür sorgt, dass eine Webseite überhaupt gefunden werden kann und dies zudem unter Begriffen, die die Animation zutreffend beschreiben. Auch in den aktuellen Fällen könnte man darüber streiten, ob die Doorway Pages nicht zutreffend die Inhalte der eigentlichen Seite widerspiegeln.
Im Fall BMW hat man sich gütlich geeinigt. Sollte Google aber demnächst mehreren Websites mit einem Ausschluss auf die Füße treten, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer ersten gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. BMW erhält eigenen Angaben zufolge nur einen Bruchteil seiner Besucher über Google. Weniger bekannte Online-Shops hingegen dürften auf die von Google vermittelten Besucher angewiesen sein, so dass sie bei einem Ausschluss aus dem Index rasch einen drastischen Umsatzrückgang verspüren dürften. Die mit einer Suchmaschinenoptimierung und dem Umgang einer Suchmaschine mit Spam-Methoden verbundenen juristischen Probleme sind noch nicht einmal ansatzweise untersucht. Auf die Rechtsabteilungen der Suchmaschinen könnte schon bald neue Arbeit zukommen und Suchmaschinenoptimierer, die sich in verschiedenen Foren schon lange über die schleppende oder auch gar nicht erfolgende Bearbeitung von Wiederaufnahmeersuchen in den Index einer Suchmaschine beklagen, dürften die derzeitige Entwicklung mit Spannung verfolgen.