Gott würfelt nicht!

Aber würfeln die Quantenphysiker?

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Die Debatte um die Interpretation der Quantentheorie geht weiter. In der aktuellen Ausgabe der Physical Review Letters melden sich die Quantenfeldtheoretiker zu Wort, um den Beobachter endgültig aus der Welt der Quantenwelt zu vertreiben.

Seit Jahren stehen sich die Anhänger der verschiedenen Interpretationen der Quantenphysik unversöhnlich gegenüber. Nach der Entdeckung der verwirrenden Eigenschaften der Quantenwelt, geriet die Physik aus den Fugen. "Diejenigen, die nicht schockiert sind, wenn sie zum ersten Mal mit Quantenmechanik zu tun haben, haben sie nicht verstanden", sagte Niels Bohr, und Richard Feynman ging noch weiter, als er meinte: "Ich glaube mit Sicherheit sagen zu können, dass niemand die Quantenmechanik versteht!".

Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt seit 1927, dass nicht gleichzeitig der Ort und der Impuls eines Teilchens erkannt werden kann. Die Unschärfe ist somit ein echtes Element von Unbestimmbarkeit der Welt in ihren kleinsten Teilen. Der Physiker Erwin Schrödinger verdeutlichte mit dem als "Schrödingers Katze" bekannt gewordenen Paradoxon 1935 die exotischen Qualitäten der Quantenwelt, bzw. seine eigenen Zweifel an der Richtigkeit dieser Annahmen. Es geht um die Überlagerungen makroskopischer verschiedener Zustände, anders gesagt die gleichzeitigen verschiedenen Eigenschaften von Teilchen. Im Beispiel wird das mit der Wahrscheinlichkeit des Zerfalls eines Atoms verdeutlicht. Schrödinger formulierte seine berühmte Katzentheorie folgendermaßen:

Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muss): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, dass im Lauf einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, dass die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Y-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, dass in ihr die lebende und die tote Katze zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind.

Albert Einstein formulierte sein Unbehagen an den Konsequenzen der Quantentheorie mit den Worten: "Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist er nicht!" und dem bekannteste aller Zitate: "Gott würfelt nicht!"

Die Folgen des theoretischen Ansatzes der Quantenmechanik sind erschreckend, sie revolutionieren unser Weltbild und es tun sich Abgründe zur herkömmlichen, deterministischen Physik auf (Die Welt hinter Einsteins Schleier).

Zwischen Kopenhagen und Paralleluniversen

Die Kopenhagener Deutung geht auf Werner Heisenberg und Niels Bohr zurück (Kopenhagener Deutung). Wesentlicher Bestandteil dieser Interpretation ist die Rolle des Beobachters, der durch seine Messung das Ergebnis mitbestimmt. Die Natur an sich lässt sich ohne Beobachter nicht beschreiben, oder wie Anton Zeilinger es beschreibt:

Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist. Wir müssen uns wohl von dem naiven Realismus, nach dem die Welt an sich existiert, ohne unser Zutun und unabhängig von unserer Beobachtung, irgendwann verabschieden

"Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist"

Die Welt ist Möglichkeit und der Zufall ist von grundlegender Bedeutung.

Die Kopenhagener Schule wird bis heute nicht von allen Physikern unterstützt (Angriff auf Kopenhagen?). Es gibt auch andere Ansätze, um mit den Fakten der verwirrenden Welt aus Teilchen und Wellen zurecht zu kommen. Einer davon ist die Viele-Welten-Theorie, die das Problem löst, in dem sie die Universen multipliziert, also ständig Paralleluniversen schafft (Unendlich viele Weltenblasen und Doppelgänger).

Eine andere Theorie ist die Bohmsche Mechanik, deren Anhänger in ihr die Möglichkeit zur Rückkehr in die klassische Physik sehen:

Die Bohmsche Theorie ist eine Theorie, die dieselben experimentellen Voraussagen macht wie die Quantenmechanik, andererseits jedoch eine konzeptionell einfache, klassische, realistische und sogar deterministische Theorie ist. (...) Ihr Hauptverdienst ist es, dass sie ein explizites Beispiel für die Existenz einer klassisch-realistischen, deterministischen Theorie ist und damit Thesen von der Unmöglichkeit solcher Theorien ad absurdum führt. Damit ist erwiesen, dass die Ablehnung des klassischen Determinismus und Realismus eine metaphysische Entscheidung ist und keinerlei Notwendigkeit.

Ilja Schmelzer, Bohmsche Mechanik

Quantentheorie ohne Beobachter

Schon 1995 lud der Münchner Physiker Detlef Dürr seine Kollegen zu einem Symposium ein, das den provokanten Titel "Quantentheorie ohne Beobachter" trug. Eine Fortsetzung davon gab es im Februar 2004 (Quantum Theory Without Observers II).

Bohmsche Bahnen im Doppelspalt-Versuch (Bild: Uni München)

Dürr versucht seit Jahren die Fachwelt von der Bohmschen Theorie zu überzeugen, unter anderem auch mit der Veröffentlichung eines Buches (Bohmsche Mechanik als Grundlage der Quantenmechanik), bisher allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. In der August-Ausgabe von Bild der Wissenschaft erklärte er das überall wirkende Führungsfeld, das die Bohmsche Theorie voraussetzt:

Die Teilchen laufen entlang von Bahnen, wobei ihre Bewegung von der Führungswelle bestimmt wird, ähnlich wie Wellenreiter auf einer Wasserwelle. Das Führungsfeld sagt allen Teilchen zugleich, wie sie sich bewegen müssen.

Nun veröffentlicht er zusammen mit seinen Kollegen Sheldon Goldstein, Roderich Tumulka und Nino Zanghi einen Artikel zur Erweiterung der Bohmschen Mechanik in das Feld der Quantenfeldtheorie in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Physical Review Letters. Der Artikel "Bohmian Mechanics and Quantum Field Theory" steht auch bei Arxiv online.

Die Quantenfeldtheorie versucht über die Mathematik und unter Einbeziehung der Entstehung und Vernichtung von Teilchen zu einer umfassenden Vereinigung von klassischer Physik und Quantentheorie zu kommen (Grundlagen der Quantenfeldtheorie). Die Forscher vertreten die Meinung, dass Einstein doch Recht hatte und es ihnen nun endlich gelungen ist, die Kopenhagener Deutung zu widerlegen. Die Gruppe um Dürr führt ein mathematisches Modell für das Verhalten von Teilchen vor, das alle Gesetze der Quantenfeldtheorie korrekt wiedergibt, wobei sie Gleichungen zur Erschaffung, Bewegung und Auslöschung von Teilchen vorschlagen und analysieren. Die Partikel werden dabei als real angenommen – so die Wissenschaftler.