Griechenland wieder vor der Pleite?

Seite 2: Die Folgen der Überbesteuerung und die Grenze des Sparwahns

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Wie am Montag bekannt wurde, schulden die Griechen ihrem Staat nach offizieller Rechnung 62,5 Milliarden Euro. Eine Lesart der Meldung wäre, den 2,6 Millionen Schuldnern das Klischee des notorischen Steuersünders anzuhaften. Jedoch müsste dabei erst einmal erklärt werden, wieso die Zahl der säumigen Zahler am 31.12.2012 nur bei exakt 1.274.481 Bürgern lag. Viele der alten Schuldner sind Karteileichen, manche sogar reale, deren Schuld aufgrund hoher Verzinsung und exorbitanten Strafgeldern immer weiter steigt.

Polizeischutz für den Seiteneingang

Für viele Beobachter ist die faktische Verdopplung der Schuldner schlicht ein Zeichen dafür, dass die aufgebrummten Steuerrechnungen schlicht nicht mehr zu bezahlen sind. Zumal auch Bußgelder als Steuerschuld gelten. Selbst die Regierung überlegt bereits, die teilweise vollkommen überzogenen Strafen nach unten zu korrigieren.

Ein Tag Verzögerung der Abgabe der Umsatzsteuererklärung bringt nämlich bereits einen Tausender Strafe ein. Wird eine Umsatzsteuererklärung korrigiert, dann sind zunächst einmal 2.500 Euro fällig. Danach wird berechnet, um wie viele Prozentpunkte die korrigierte Erklärung von der ursprünglichen nach unten oder oben abweicht. Auch das wird dann mit einer Strafe von zehn bis hundert Prozent belegt. Die gesamte Schuld wird verzinst.

Strafen gibt es seit 2013 auch für Menschen, die gar nicht in Griechenland wohnen und bis dato keine Steuererklärung abgeben mussten. Haben sie die kurzfristige Gesetzesänderung zur Verpflichtung einer Erklärung auch bei fehlendem Einkommen nicht beachtet, kostet dies zunächst einmal 100 Euro. Dazu muss dem griechischen Staat jedoch für abwesende Personen noch ein steuerlich verantwortlicher Vertreter präsentiert werden. Hat man auch dies vergessen, sind noch einmal 100 Euro fällig. Solche und ähnliche Summen läppern sich und können von einigen Bürgern schlicht nicht bezahlt werden. Ab wenigen hundert Euro Steuerschuld droht jedoch die sofortige Verhaftung.

Kommen nur noch durch Seiteneingänge in Ministerien - hier Vizefinanzminister Staikouras

Im realen Leben fernab der ministeriellen Büros bekommen diese drakonische Regel auch Greise zu spüren. So scheute die Polizei nicht, eine über neunzigjährige, schwer an Alzheimer erkrankte Dame wegen einer rechnerischen Steuerschuld von knapp 5000 Euro zu verhaften. Erst nachdem die Beamten nach tagelanger Odyssee der Greisin einsehen mussten, dass sie die Frau weder im Knast noch anderswo sinnvoll bestrafen konnten, kam die Frau frei. Der Fall erregte außerordentliches Aufsehen und war der Politik sichtlich peinlich. Wenige Tage später erwischte es eine Seniorin der jüngeren Generation. Die ebenfalls nicht mehr ganz fitte, herzkranke Dame strebt auf die Achtziger zu. Das Finanzministerium lässt seine Beamten deshalb nun schulen. Es geht jedoch nicht um eine Belehrung in gesundem Menschenverstand, sondern um Wutkontrolle. Die Beamten müssen lernen, wie sie mit Bürgern umgehen, die ob des steuerlichen Wahnsinns ausrasten.

Horrorhaft für Steuersünder

Vielleicht sollte der Staat das Geld besser in menschenwürdigere Haftanstalten stecken. Denn im Gefängnis Korydallos, der größten Haftanstalt des Landes stapeln sich die Häftlinge förmlich. Wer an Diabetes erkrankt, mit Tuberkulose, Hepatitis oder mit HIV infiziert ist, muss die Haftzeit im "Gefängniskrankenhaus" verbringen. Über die dort herrschenden katastrophalen Bedingungen berichtete ein schwer an Leukämie erkrankter Häftling mit Kassibern an die Außenwelt und über Twitter.

Direkt auf ein ausländisches Publikum ausgerichtet, erstellte der Mann auch Videos in englischer Sprache. Dort tritt ein an Diabetes erkrankter "Steuersünder" auf. Im Gefängnis gibt es kein Geld für Medikamente. Der Mann bekommt nun beide Beine amputiert und ist leider kein Einzelfall.

Der Staat reagierte prompt. Der Mann wurde angeklagt. Wie am späten Dienstagabend bekannt wurde, fand sich jedoch niemand, der ihn verurteilen wollte. Nachdem er die Mängel im Gefängnis mit 32 Eingaben an das oberste Gericht angeprangert hatte, sah er keine andere Wahl mehr als den Gang an die Öffentlichkeit. Nun müssen die Staatsanwälte des Areopags selbst mit Anklagen rechnen.

Tatsächlich beginnen die griechischen Gerichte in den letzten Wochen damit, die Troika-Vorgaben unter die Lupe der Verfassung zu nehmen. Sie kippten die erste Welle der Beamtenentlassungen von 2011 mit einem am Dienstag bekannt gewordenen Urteil. Und auch für die neue Entlassungswelle gibt es bereits seitens der wissenschaftlichen Abteilung des Parlaments ein Urteil, nach dem dies nicht vereinbar mit der Verfassung istr. Auch deshalb nimmt selbst der bisher treue Erfüller der Memoranden, Premierminister Samaras, immer mehr Abstand zu den Vorgaben der Troika.