Grüne in der Zwickmühle – "Ampel" auf der Kippe

Wie viel vom Wahlprogramm der Grünen in einer "Ampel"-Koalition übrig bliebe, ist zweifelhaft. Symbolbild: bichnguyenvo auf Pixabay (Public Domain)

Hilferuf an NGOs und Spekulationen über Neuwahlen: Für die ehemalige Friedens- und Noch-Ökopartei läuft es nicht gut in den Koalitionsverhandlungen

Zu viele faule Kompromisse in einem Koalitionsvertrag mit SPD und FDP würden die Grünen vor eine Zerreißprobe stellen, denn ihre Jugendorganisation hat angekündigt, sich gegen ein "Ampel"-Bündnis zu stellen, das keine substanziellen Verbesserungen in der Klima- und Sozialpolitik vorsieht. Dass es vor allem mit der FDP schwierig wird, diesbezügliche Versprechungen aus dem Grünen-Wahlprogramm einzuhalten, war absehbar.

Auch die Jusos als Parteinachwuchs der SPD machen deshalb in einer gemeinsamen Video-Aktion mit der Grünen Jugend und der DGB-Jugend Druck auf die Verhandelnden, aber die SPD-Führung zeigt sich bisher weniger davon beeindruckt. Vergangene Woche häuften sich Berichte über stockende Koalitionsverhandlungen sowie Frust und Sorgen bei den Grünen.

Warnung aus dem "Ländle"

Bis Mittwoch - also bis übermorgen - sollen die 22 Arbeitsgruppen der "Ampel"-Gespräche ihre Positionen gefunden haben. Details aus den Verhandlungen sollen vorher nicht nach außen getragen werden, aber die Grundtendenz lässt sich nicht verheimlichen. "Was ich höre, klingt nicht so gut", sagte Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann, der nicht gerade zum Linksaußen-Flügel seiner Partei gehört, in einem am Montag veröffentlichten Interview der Süddeutschen Zeitung.

"Ich glaube, dass sich alle Seiten noch mal klarmachen müssen: Wenn wir in den nächsten Tagen beim Klimaschutz nicht zusammenkommen, drohen Neuwahlen", warnte Hermann, der im "Ländle" seit 2011 Kabinettsmitglied der bundesweit ersten "grün-schwarzen" Koalition ist.

Als Hauptknackpunkt der aktuellen Koalitionsverhandlungen im Bund gilt die Finanzierung ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen mit sozialem Ausgleich. Von einer besonders kostengünstigen Klimaschutznahme - nämlich vom Tempolimit auf 130 Stundenkilometer für Autobahnen - hatte die Grünen-Spitze gleich zu Beginn der FDP zuliebe Abstand genommen. Die Wirtschaftsliberalen blieben dann aber trotzdem hart, was mögliche Steuererhöhungen für Besserverdienende und Vermögende zur Finanzierung der Energie- und Verkehrswende anging.

Nichtregierungsorganisationen sollen Druck machen

Mit einer Art Hilferuf hatte sich der Bundesvorstand der Grünen vergangene Woche an mehrere Nichtregierungsorganisationen gewandt. "Es wäre dafür sehr hilfreich - und in Teilen seid ihr ja bereits dran - wenn Ihr darauf hinwirken könntet, dass SPD und FDP hier ambitionierte Vorschläge einbringen", hieß es in dem Schreiben an BUND, Campact, den Deutschen Naturschutzring, die Deutsche Umwelthilfe, Germanwatch, Greenpeace, den Naturschutzbund und den WWF. "Wenn wir das weiter alleine tun müssen, erschwert das die Verhandlungen enorm."

Ob Wortmeldungen dieser Organisationen den Wahlsieger SPD und den selbstbewussten kleineren "Königsmacher" FDP beeindrucken, ist allerdings zweifelhaft.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte bereits eines der stärksten Argumente geliefert, indem sie Jugendlichen zur Seite stand, als diese die scheidende Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht auf mehr Klimaschutz verklagt hatten. Die Klage war erfolgreich, das Urteil vom 24. März dieses Jahres harrt aber noch einer Umsetzung.

Laut einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sind die nationalen Klimaschutzziele der Industrie- und Schwellenländer nach wie vor unzureichend, um die menschengemachte Erderwärmung auf 1,5 oder zumindest deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Aktuell befände sich die Welt auf dem 2,7-Grad-Pfad, wenn die selbstgesteckten Ziele wenigstens eingehalten würden, im Fall der Nichteinhaltung sogar darüber.

Die Grüne Jugend weist aber auch darauf hin, dass Klimaschutz ohne sozialen Ausgleich nicht funktioniere. Sie will einen "grünen Kapitalismus" auf dem Rücken der ärmeren Schichten nicht mittragen.

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