Hamburg: Mann kennt sich, Mann hilft sich

Seite 2: Deckt der Finanzminister und SPD-Spitzenkandidat Steuersünder?

Mit diesem für Hamburg so wichtigen Mann telefoniert zu haben, wollte Scholz sich später nicht mehr erinnern können.

Das sagte er im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Cum-Ex-Skandal aus, immerhin einem Gremium der höchsten Kontrollinstanz der Bundesregierung.

Glücklicherweise traf Olearius Vorkehrungen und vermerkte die Telefonate sowie Treffen in Tagebüchern, die 2018 von der Staatsanwaltschaft Köln sichergestellt wurden und die unter anderem Kolleginnen und Kollegen der Wochenzeitung Zeit sowie des TV-Magazins Panorama einsehen konnten.

47 Millionen Euro sollte die Hamburger Warburg-Bank 2016 an das Finanzamt zurückzahlen. Die Summe soll von der Bank beim Finanzamt aufgrund von Tricksereien mit Kapitalertragssteuern geltend gemacht worden sein.

Dabei wurden Bescheinigungen über Dividenden zwischen Aktionären hin- und hergeschoben, sodass am Ende die Finanzbehörden den Überblick verloren und mehr Bescheinigungen ausstellten, sprich mehr Steuern zurückerstatteten als tatsächlich Kapitalertragssteuern gezahlt wurden. Dieses System wird als Cum-Ex bezeichnet.

Mit anderen Worten: Steuerbetrug. Die Warburg-Bank sah sich indes ihrerseits als Opfer und warf auch der Deutschen Bank grobe Versäumnisse vor. Das erläuterte Olearius in einem mehrseitigen Schreiben an die Finanzbehörde und bat auf Aufhebung des Zahlungsbescheids, da die Rückzahlung das Aus für die Bank bedeuten würde.

Zudem wandte er sich direkt an den damaligen Ersten Bürgermeister der Hansestadt, Olaf Scholz, wohl mit der Bitte um Fürsprache bei der Finanzbehörde. Am 26. Oktober trafen Olearius und Max Warburg dem Spiegel zufolge Scholz im Rathaus und übergaben dem Bürgermeister eine Kopie des Schreibens an die Finanzbehörde.

Dieser soll dem Banker in einem Telefonat am 9. November 2016 geraten haben, dieses Schreiben direkt dem damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Hamburgs, Peter Tschentscher (ebenfalls SPD), zukommen zu lassen.

Diesen Rat befolgte Olearius: Noch am 9. November 2016 erhielt Tschentscher eine weitere Kopie des Schreibens. Der Finanzsenator versah vermutlich dieses Schriftstück mit dem Vermerk "mit der Bitte um Informationen zum Sachstand", handschriftlich und mit grüner Tinte – ein Code, dass die Angelegenheit als "Chefsache" behandelt wird.

So ging das Schreiben an die Finanzbehörde. Am 17. November 2016 wurde der Bank die Steuerschuld erlassen.

Der Spiegel leakte das Papier Ende vergangener Woche im Vorfeld einer Sitzung des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft. Besagter Vermerk trägt dem Blatt zufolge "das Kürzel von Tschentscher und ist somit eindeutig ihm zuzuordnen".

In dem Schreiben sind einige Passagen mit einem Textmarker unterstrichen, ebenfalls in grüner Farbe. Dafür übernahm jedoch eine Mitarbeiterin der Behörde im Untersuchungsausschuss am vergangenen Freitag die Verantwortung.