Hoffnungsschimmer auf der EXPO

Tarifabschluss - Initiativen zur Rettung vor der Pavillonschließung - Die neue Werbekampagne - EXPO: Wirklichkeit und Medienwahrnehmung

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es vergeht wirklich kein EXPO-Tag mehr, der nicht gleichzeitig mit Negativschlagzeilen endet. Die EXPO GmbH versucht, mit einer neuen Werbekampagne der Besucherflaute entgegenzuwirken. Doch für 2.600 Mitarbeiter kommt diese Initiative zu spät. Ihnen wurde bereits gekündigt bzw. sie konnten ihren Dienst erst gar nicht antreten. Die Tänzer im Themenpark "Zukunft der Arbeit" können nach Abschluss eines Tarifvertrages aufatmen. Nun wurde sogar die Schließung des ersten Pavillon aus Geldmangel angekündigt.

Tarifabschluss

Nach zähen Verhandlungen ist es der IG-Medien gelungen, einen Tarifvertrag für die Tänzer aus dem Themenpark "Zukunft der Arbeit" abzuschließen. Morgens um 2 Uhr wurde endlich eine Einigung für die 95 Tänzer erreicht. Die wichtigsten Eckpunkte des Tarifvertrages:

  1. Eine Höchstgrenze von 3 Auftritten am Tag (je Loop ca. 50 Min.) pro Tänzer/Tänzerin
  2. Regelungen zum Arbeitsschutz (Tanzteppich, ausreichende Probeflächen und professionelles Training, qualifizierte Physiotherapie und während der Auftritte Bereitstellung eines Sanitäters in unmittelbarer Auftrittsnähe)
  3. Anspruch auf einen zusammenhängenden Freizeitblock von 3 Tagen pro Woche
  4. Eine Anhebung der Vergütungen auf mindestens 4.600,- DM für Tänzer und 5.100,- DM für Dance Captains zum 1. Juli 2000 (für die im Juli eingestellten 10 Tänzerinnen zum 1. August 2000)
  5. Einrichtung einer Spartenvertretung (Sprecherrat / 1 Sprecher/in pro Cast), mit Rechten nach dem BetrVG und den entsprechenden Kündigungsschutzbestimmungen für den Sprecherrat
  6. Tariflicher Ausschluss bzw. Korrektur von Klauseln in den Einzelarbeitsverträgen (z. B. Aufhebung einer zusätzlich vereinbarten Probezeit während der Befristung, Aufhebung von Haftungsregelungen und/oder Vertragsstrafeversprechen, Aufhebung der Verschärfung der Kündigungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber)
  7. Eine Maßregelungsklausel für alle an der Tarifauseinandersetzung Beteiligten und der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen Damit hat sich die IG-Medien in wesentlichen Teilen ihrer Forderungen durchgesetzt. Maßgeblich für die Verhandlungen war es, die Gesundheit der Tänzer durch Arbeitsschutzmaßnahmen und einer Höchstzahl von Auftritten zu schützen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund als EXPO-Partner wird nun wohl die bislang zurückgehaltenen Beiträge in sechsstelligem Bereich überweisen. Doch noch immer stehen der EXPO Warnstreiks aus dem Gastronomiegewerbe bevor, denn die Nahrungsgewerkschaft konnte noch keinen Abschluss aushandeln.

Initiativen zur Rettung vor der Pavillonschließung

"Erster Pavillon von Schließung bedroht", so lauteten die Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass der Bambus-Pavillon der Umweltorganisation ZERI bedingt durch die bisherigen Einnahmenverluste auf der EXPO innerhalb der nächsten zehn Tage schließen müsste.

Auch ZERI hatte sich auf mehr Besucher eingestellt, doch durch den Verkauf ihrer Produkte wurden nur ca. 20 Prozent der Erwartungen erfüllt. Zudem ist der Pavillon durch zusätzliche Bauauflagen deutlich teurer geworden, so dass jetzt Geld zur weiteren Aufrechterhaltung des Pavillonbetriebes fehlt. Die 63 Mitarbeiter gehen allerdings engagiert in die Offensive und planen auf dem Westgelände der EXPO im Bambus-Pavillon eine Party. "Das Motto der Party ist die Farbe Grün - das Symbol für Hoffnung", verkündet der ZERI-Sprecher Ardin.

Bei der geplanten Riesenfete erhalten die Umweltschützer Unterstützung durch viele Nationen aus benachbarten Pavillons. So werden am Freitag, den 21. Juli, ab Mittag Musikgruppen aus Mexiko und Kolumbien ebenso aufspielen wie Trommler aus Korea. Auch weitere Nationen wie Sri Lanka, Deutschland, Rumänien, Bolivien, Indien, Argentinien, Ghana oder Vertreter der Südpazifischen Inseln haben zugesagt. Am Abend ab 21.30 Uhr sind weitere Attraktionen geplant. Doch dabei wollen es die ZERI-Mitarbeiter nicht belassen. Sie sind noch verstärkt auf der Suche nach Firmen- und Privat-Sponsoren, die die Aktion "Save the pavillon" unterstützen. Selbst wenn es den Mitarbeitern nicht gelingt, genügend Geld zusammen zu bekommen, wird der Pavillon nicht geschlossen. Denn der Bambusbau kann auch ohne große Betreuung weiterhin stehen bleiben. Schließlich handelt es sich um einen offenen Rundbau. Abgesichert werden müsste lediglich die obere Etage und abends müsste eine Beleuchtung sichergestellt sein. Doch es wäre eine halbherzige Präsentation, denn man könnte keinerlei Erläuterungen über den schnell nachwachsenden Bausstoff Bambus erhalten und die EXPO würde ein interessantes Beispiel ökologischer Projekte verlieren.

Gastwirt erwirkt Urteil

Zwar haben sich inzwischen die ersten reuigen Schuldner bei den hannoverschen Stadtwerken gemeldet, doch es geht den Gastwirten bei ihrer Zahlungsunwilligkeit nicht ausschließlich nur um den Strom. Vielmehr wird auch Geld zurückgehalten, weil man mit den hohen Konzessionsgebühren angesichts der Besucherflaute nicht mehr einverstanden ist. Ein erster Gastwirt hat gerade vor Gericht durchgesetzt, fast eine Millionen Mark für eine Konzession nicht zahlen zu müssen. In diesem Fall konnte das Gericht kaum anderes entscheiden. Der Gastronom hatte in der Beatbox auf dem EXPO-Gelände ein Bistro. Doch die Beatbox blieb immer dann abgeschlossen, wenn gerade keine Konzerte stattfanden. Für rund 970.000 DM sollte er das Recht haben, in der Zeit von 9 bis 23 Uhr den Bistro-Betrieb aufrecht zu erhalten. Die EXPO war sich ihrer Schuld wohl bewusst und hatte nicht einmal einen Anwalt zum Verfahren geschickt. So muss sie auch noch die Prozesskosten von 27.000 DM zahlen.

Doch auch andere Gastronomen sind jetzt zu juristischen Schritten bereit. Sie verlangen eine Anpassung der Konzessionshöhe an die tatsächlichen Besucherzahlen. Doch sie fordern auch eine weitere Reduzierung des Eintrittspreises und ein besseres Marketing. Wenn sich nicht etwas Wesentliches in den nächsten zwei Wochen ändere, wollen sie den Klageweg beschreiten. Doch die EXPO ist bislang nicht zu Zugeständnissen bereit.

70-Millionen-Werbekampagne

Für die meisten kommt die neue EXPO-Werbekampagne viel zu spät. Sie sind der Meinung, dass man schon längst hätte auf das mangelnde Besucherinteresse reagieren müssen. Andere wiederum entgegnen, die 70-Millonen-Kampagne mir Peter Ustinov und Verona Feldbuch werde gerade noch rechtzeitig gestartet. Abzuwarten bleibt, ob die neue EXPO-Werbung angesichts der Gag-Schreiber aus der Harald-Schmidt-Show zwar als ganz lustig empfunden wird, aber letztlich dadurch doch nicht deutlich mehr Besucher auf die Weltausstellung gelockt werden. Doch vielleicht reicht den EXPO-Machern auch ein Imagegewinn.

EXPO-Wirklichkeit und Medienwahrnehmung

In einer öffentlichen Diskussionsrunde fragten sich am Donnerstag die Teilnehmer, ob es einen Widerspruch zwischen der EXPO-Wirklichkeit und der Medienwirklichkeit gäbe. Ebenso wollte man sich der Frage stellen, wieso der Eindruck entsteht, dass in vielen Medien vorwiegend negativ über die Weltausstellung berichtet wird. Geladen waren neben der EXPO-Sprecherin Wibke Bruhns ein Vertreter von dpa, eine Redakteurin der Frankfurter Rundschau und ein Wissenschaftler, der sich mit der Image-Wirkung von Weltausstellungen beschäftigt.

Wie Untersuchungen zeigen, sind die Besucher der EXPO insgesamt zufrieden. 94 Prozent wollen die Weltausstellung sogar noch einmal besuchen, doch wenn potentielle Besucher die Zeitungen aufschlagen, lesen sie hauptsächlich etwas von der Besucherflaute oder den Finanzproblemen der EXPO GmbH. Der fröhliche Alltag der EXPO kommt in den Schlagzeilen kaum vor. Für Wibke Bruhns klafft hier ein Loch zwischen der inneren und äußeren Wahrnehmung. Doch wie die EXPO-Gesellschaft aus diesem Dilemma herauskommt, konnte sie den Teilnehmern dann auch nicht mitteilen.

Gleichzeitig setzte sie sich fast in die Nesseln, denn sie berichtete von einem täglichen Krisenmanagement, dem aber teilweise die Hände durch die Vorgaben ihrer "politischen Eltern" gebunden sei. Damit meinte sie eindeutig den Bund und das Land Niedersachen. Sie präzisierte ihre Aussage: "Und die haben versäumt zu sagen, dass ein nationales Großereignis eben nicht ohne öffentliche Förderung auskommt und so getan, als könne man das aus der Portokasse bezahlen". Im Konjunktiv fügte sie an: "Es hätte eine Ausstellung aller Deutschen sein können und nicht eine durch eine GmbH veranstaltete EXPO im regionalen Hannover". Es klang fast so, als ob die Weltausstellung in Hannover nun schon aufgegeben worden sei. Bei den EXPO-Gesellschaftern sorgte diese Aussage inzwischen für Verärgerung. Nun scheint bereits die Phase des "Schwarzen-Peter-Zuschiebens" begonnen zu haben, statt sich um die Kommunikationsprobleme zu kümmern.

Die Teilnehmer bemängelten, dass die EXPO scheinbar überhaupt kein Krisenmanagement habe, denn oft sei auf hausgemachte Probleme erst überhaupt nicht reagiert worden oder erst viel zu spät. Ein Pressesprecher soll es sogar fertig bebracht haben, sich ein neues Handy nebst Nummer zu besorgen, weil zu viele Journalisten seine Telefonnummer hatten. Das ist dann eher die Methode "Abtauchen". Der Medienwissenschaftler sprach vom Phänomen der Verselbstständigung. Medienwirklichkeit ist immer eine konstruierte Wirklichkeit, bei der die schlechteste Nachricht immer noch die größte Verbreitung findet. Doch es liegt wohl auch am Stimmungsbild von Journalisten, so erscheint vielen eine Weltausstellung eine nicht mehr zeitgemäße Darstellungsform zu sein.

Mit solchen kaum zu überbrückenden gegensätzlichen Einstellungen müssen sich die EXPO-Macher auch abplagen. Mitentscheidend zur hannoverschen EXPO-Stimmung hat aber auch die EXPO GmbH beigetragen. Sie hat immer an den 40 Millionen Besuchern festgehalten und viel zu spät mit der Werbung angefangen. In Sevilla hatte man drei Jahre vor Eröffnung damit begonnen, in Hannover erst vor einem Jahr. Vielen erschien auch die Art der Werbung als zu intellektuell abgehoben und wenig volksnah. An der Zahl der im Ausland veröffentlichten Artikel könne man allerdings ein hohes Interesse an der Weltausstellung in Hannover absehen. Nur scheint sich hier auch kein positives Bild abzuzeichnen und wenn es den Verantwortlichen nicht gelingt, die Stimmung auf dem Gelände in die Welt hinauszuposaunen, dann stellt sich auch die Bundesrepublik ein Bein. Dann wird die EXPO in Hannover wirklich als "regionales" Ereignis in Erinnerung bleiben. Schlechte Nachrichten bleiben bekanntlich länger haften, doch im Verlauf der Jahre verblasst die Erinnerung und vieles wird dann doch im Rückblick geschönt erscheinen.