Hohe Preise fordern Tribut: Deutschland schlittert in Rezession

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Oft genannter Grund: Die Teuerung lässt die Kauflaune der Verbraucher ermatten. Hat es nicht auch etwas Gutes, wenn die hitzigen Konsumjahre vorbei sind? Ein Kommentar.

Am Supermarkt-Regal sterben Träume der Mittelklasse. Konsum-Träume. In der Schicht, die bevorzugtes Ziel der Politik und der Wirtschaft ist, reifen nüchterne Überlegungen. Seit Wochen zeigt man sich erschreckt über das, was man für Lebensmittel an der Kasse blecht, und stellt fest, dass es außerhalb des Nötigen eine Menge Dinge gibt, die man nicht unbedingt braucht.

Braucht es ein E-Auto, ein Lastenfahrrad, eine neue Waschmaschine, ein neues Mobiltelefon? Muss der Urlaub unbedingt so teuer sein?

Heute gab es "Schockzahlen aus der Wirtschaft" (Bild). Das statistische Bundesamt meldet ein Sinken des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im 1. Quartal 2023 gegenüber dem 4. Quartal 2022 um 0,3 Prozent. Wo ist der Schock?

Da das BIP bereits zum Jahresende 2022 ins Minus gerutscht war, "verzeichnete die deutsche Wirtschaft damit zwei negative Quartale in Folge", erklärt Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamtes. Das dazugehörige Schreckenswort "Rezession" spricht sie in der Meldung nicht aus.

Das übernehmen Medienberichte, wie auch die Erklärungen zu den Ursachen des Schrumpfens der Wirtschaft und weshalb die Entwicklung so dramatisch für Deutschland ist. Der Spiegel schreibt:

Ausgebremst wurde die Konjunktur vom schrumpfenden privaten Konsum. Dieser sank im ersten Quartal um 1,2 Prozent. Ein Grund dafür dürften die Kaufkraftverluste der Verbraucher infolge der hohen Inflation sein.

Spiegel

Verunsicherung durch hohe Preise

"Hohe Preise für die Lebenshaltung verunsichern die deutschen Verbraucher", zitiert das Hamburger Nachrichtenmagazin am Ende des Beitrags die Fachleute für das Konsumklima, die Marktforscher der GFK. Dort hatte der Konsum-Experte Ende April festgestellt, dass die Verbraucherstimmung momentan "keinen klaren Aufwärtstrend" zeige

Zwar beobachte man eine verbesserte Einkommenserwartung, ein optimistischeres Stimmungsbild als zuvor, erklärt wird das mit "signifikant höheren, tariflichen Einkommenszuwächsen", aber wirklich ins Gewicht fällt das nicht.

Das nach wie vor sehr niedrige Niveau des Konsumklimas führt die GFK-Expertise zum Schluss, "dass der private Konsum in diesem Jahr keinen wesentlichen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland leisten wird."

Die Kaufkraftverluste seien zu hoch. Daher die Verunsicherung bei den Verbrauchern.

Somit bleiben sie weiter überaus zurückhaltend bei ihren Anschaffungen. Hinzu kommt, dass die gegenwärtigen Diskussionen um das neue Heizungsgesetz der Regierung vor allem den Immobilienbesitzern Sorgen bereitet. Bei einem notwendigen Wechsel der Heizung würden zusätzliche Kosten durch energetische Sanierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Wärmedämmung, entstehen. Dies dürfte die Konsumneigung zusätzlich belasten. (…)

Offenbar sind sich die Konsumenten unsicher, wie sich die deutsche Wirtschaft in den kommenden Monaten entwickeln wird.

Gfk

Gesundschrumpfen des Konsums?

"Die Deutschen halten ihr Geld zusammen", kommentiert die FAZ den Weckruf Rezession und erklärt ihn zweidimensional. Akut und strukturell.

Wenn "belegte Brötchen" inzwischen mehr als drei Euro kosten und die Preise auch sonst durch die Decke schießen, passen Verbraucher mehr auf ihre Ausgaben auf. Dazu kommen steigende Zinsen, die Wachstumshoffnungen "auffressen": Akut belastete der "Cocktail aus hoher Inflation und steigenden Zinsen die Konjunktur".

Strukturell habe die Industrie mit einem Bündel an Problemen zu tun: "Energie bleibt dauerhaft teuer, die Weltwirtschaft ist schwach, Investitionen sind anderswo rentabler, die grüne Transformation erzeugt nur in den Träumen des Bundeskanzlers ein Wirtschaftswunder und der Fachkräftemangel ist omnipräsent."

Was aber, wenn es noch eine dritte Dimension gibt, die schwer zu kalkulieren ist, die mittelfristig wirkt: Eine sich allmählich bahnbrechende, aber länger wirksame Neuorientierung beim Konsum. Ein Gesundschrumpfen bei den Ausgaben?

Dass Konsumenten bei ihren Ausgaben nicht mehr dem Bedürfnis nach "instant gratification" folgen und sich damit für lange Arbeitstage in Jobs unter Erfolgsdruck belohnen wollen. Dass Verbraucher nicht mehr den letzten "heißen Sch…" kaufen wollen, sondern sich mehr als in den hitzigen Konsumjahren zuvor genauer überlegen, wofür sie ihr Geld ausgeben?