Hungerkur für die Gesundheit?

Über die Tücken der gängigen Diäten

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Nach der Weihnachtsgans, den vielen Plätzchentellern und Marzipankartoffeln, gefolgt vom systematischen Alkoholexzess an Silvester, steigt der Deutsche im Januar erschreckt von der Waage und beginnt sofort eine Diät. Rund vierzig Prozent der Leute hierzulande versuchen gerade mithilfe irgendeines Programms abzuspecken. Viele sind bereit, dafür große Risiken einzugehen oder viel Geld auszugeben – obwohl die langfristigen Erfolge der Diät-Angebote fragwürdig sind.

Übergewicht ist nicht nur ein ästhetischer Makel in unserer körperfetischistischen werdenden Gesellschaft, sondern gilt auch als zunehmendes gesundheitliches Problem.

Peter Paul Rubens, Bacchus (Bild: Universität Marburg)

Fast 50 Millionen haben zu viel auf den Rippen, rund 15 Millionen leiden an diagnostizierter Fettleibigkeit. Wer stark übergewichtig ist, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken und wer zuckerkrank ist, hat ein erhöhtes Risiko, Arteriosklerose oder sogar einen Herzinfarkt zu bekommen. Die Kosten, die aus der Fettsucht, der so genannten Adipositas und der daraus entstehenden Krankheiten entstehen, werden in der Bundesrepublik auf deutlich mehr als zehn Milliarden Euro geschätzt.

Männer sind fetter

In allen Altersgruppen waren Männer häufiger übergewichtig als Frauen. Insgesamt waren 58% der Männer und 41% der Frauen zu dick. Starkes Übergewicht brachten 14% der Männer und 12% der Frauen auf die Waage (Statistisches Bundesamt: Fast jede(r) Zweite in Deutschland hat Übergewicht).

Nach einer Umfrage der Zeitschrift Brigitte haben dennoch mehr Frauen für dieses Jahr den Vorsatz gefasst abzunehmen. 40% der weiblichen Deutschen wollen ihr Gewicht deutlich reduzieren und gesünder leben, fast genau so viele wollen das mit mehr Sport erreichen und immerhin 25% haben vor, weniger Süßes zu verspeisen.

Die berühmte Diät der Frauenzeitschrift mit 1200 Kalorien pro Tag gibt es seit neuestem auch mit Unterstützung der Barmer-Krankenkasse, in Gruppenkursen sollen Diätwillige ab Mitte Februar geschult werden, außerdem beteiligen sich rund 260 Kantinen und Betriebsrestaurants an der vereinten Hungerkur (Brigitte und Barmer kooperieren).

Großer Leidensdruck

Tatsächlich ist der Leidensdruck der Dicken mächtig. Eine Studie der Harvard Medical School, die kürzlich im Journal of General Internal Medicine erschien, ergab, dass viele sogar ein tödliches Risiko in Kauf nehmen würden, um schlank zu werden.

Befragt wurden 366 Patienten des Harvard Beth Israel Deaconess Medical Center. Ein Drittel von ihnen war übergewichtig, rund ein Viertel davon sehr stark. Es stellte sich heraus, dass je dicker eine Person ist und je größer der Gewichtsverlust ist, den sie sich von einem Diätprogramm verspricht, desto eher sie bereit ist, Risiken einzugehen. Fast ein Fünftel der Übergewichtigen und ein Drittel der Fettsüchtigen wäre bereit, selbst den Tod zu riskieren, um zehn Prozent ihrer Kilos los zu werden.

Tatsächlich erfreut sich die Magenoperation, bei der zum Beispiel mit einem Band das Volumen des Magens verringert wird, immer größerer Beliebtheit (Verstellbares Magenband).

Langfristige Veränderung der Lebensgewohnheiten

Tatsächlich weiß eigentlich jeder, dass die beste und nachhaltigste Art abzunehmen, eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten in Verbindung mit einem kontinuierlichen Bewegungsprogramm ist. Die sechs goldenen Tipps der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätik sind im Grund sehr einfach (Übergewicht):

  1. Essen Sie mehr Kohlenhydrate
  2. Essen Sie reichlich Ballaststoffe
  3. Essen Sie viel Obst und Gemüse
  4. Essen Sie weniger Fett
  5. Genießen Sie das Essen
  6. Bewegung Sie sich regelmäßig

Dennoch erfreuen sich Diäten großer Beliebtheit, obwohl die meisten Menschen sie nicht durchhalten, bzw. spätestens nach Abschluss des Programms und Rückkehr in die alten Lebensgewohnheiten den berühmten Jojo-Effekt erleben, der dazu führt, dass sie oft letztlich mehr wiegen als vor der Diät. Radikal weniger zu essen führt oft zu Mangelernährung und bei einer plötzlichen Reduktion der zugeführten Kalorien schaltet der Körper auf das Programm "magere Zeiten": Er senkt den Grundumsatz und behält das auch bei, wenn wieder "normal" gegessen wird. Ganz schnell wird wieder zugenommen, die Fettdepots aufgefüllt.

Welche Diät hilft wirklich?

In einer breit angelegten Studie konnten Michael Dansinger und Kollegen vom Tufts-New England Medical Center in Boston jetzt nachweisen, dass im Grunde alle populären Diät-Programme gleich schlecht sind. 160 übergewichtige Frauen und Männer mit hohen Cholesterin-Werten, hohem Blutzucker oder Blutdruck nahmen ein Jahr lang an dem Versuch teil. Nach dem Zufallsprinzip machten sie die Atkins-Diät (wenig Kohlenhydrate), die Ornish-Diät (vegetarisch, wenig Fett), die Weight-Watchers-Diät (wenig Kalorien) oder die Zone-Diät (ungesättigte Fettsäuren, komplexe Kohlenhydrate). Die kürzlich im Journal of the American Medical Association (JAMA) erschienenen Ergebnisse sind ernüchternd: eine beträchtliche Zahl der Teilnehmer hielt nicht durch, stieg vorzeitig aus oder "sündigte" immer wieder. Die kleine Gruppe, die wirklich durchhielt und sich streng an die Diätpläne hielt, verlor im Durchschnitt zwischen fünf bis zehn Kilos Gewicht, berücksichtigt man aber die Abbrecher, dann reduziert sich der durchschnittliche Erfolg auf 2,5 bis 3,5 Kilo.

Das Potenzial der hungerwilligen Deutschen lässt sich das Fernsehen natürlich nicht entgehen. Ende Januar beginnt bei RTL die magere Doku-Soap namens Diät-Duell, in der 24 fette Mitbürger gegeneinander antreten, um mithilfe der Brigitte-Diät, der Weight-Watchers, der Atkins-Diät sowie des Forever Young Diät-Programm des stets grinsenden Joggingpapstes Dr. Strunz in vier Monaten möglichst viel abzuspecken. Mal sehen, ob das wirklich jemand sehen möchte.