IS-Terroristen ergeben sich massenhaft Kurden
Britische Studie untersucht Anziehungswirkung der Dschihadisten auf Triebtäter
Der New York Times zufolge haben sich letzte Woche mehr als tausend IS-Terroristen aus der knapp 60 Kilometer von Kirkuk entfernten Stadt Hawidscha den kurdischen Peschmerga ergeben. Im Vergleich zur Kapitulantenrate bei der Befreiung anderer Städte ist die Zahl bemerkenswert hoch: Als man neun Monate lang Mosul belagerte, ergab sich kaum ein IS-Kämpfer. Nachdem kurz darauf Tal Afar fiel, streckten etwa 500 Salafisten die Waffen. In Hawidscha gaben die über 1000 Terroristen nun bereits nach 12 Tagen Belagerung und weiteren drei Tagen schwerer Kämpfe auf.
Zahlreiche von ihnen geben an, ihre Vorgesetzten beim IS hätten ihnen gesagt, sie sollten sich nach Osten zu den Kurden flüchten. Die würden sie - anders als die mit der irakischen Armee verbündeten schiitischen al-Haschd asch-Schaʿbī-Milizen - nicht töten. Auf die Frage, warum er das glaube, antwortete einer der IS-Überläufer Reportern: "Sie sind zivilisierter als wir". Der nordirakisch-kurdische Geheimdienst Asayish will nun in seinem Verhörzentrum Dibis herausfinden, ob es sich bei den angeblichen oder tatsächlichen IS-Abtrünnigen um Deserteure handelt, die nicht mehr an einen Sieg des IS glauben - oder um Schläfer, die das Kurdengebiet durch Selbstmordanschläge destabilisieren sollen.
Auffällig einheitliche Antworten
Dem Asayish nach behaupten so auffällig viele Überläufer, dem IS (der in Hawidscha drei Jahre lang herrschte) lediglich für ein paar Monate angehört und nur als Bürokraft oder Koch tätig gewesen zu sein, dass ein "Briefing" für solche Befragungen wahrscheinlich ist. Um herauszufinden, wer individuell für Verbrechen verantwortlich ist, vergleicht man unter anderem die Gesichter mit Videoaufnahmen des IS, in denen kurdische Gefangene durch die Straßen gefahren, gesteinigt, enthauptet oder verbrannt werden.
Ein Mann, der sich Maytham Muhammed M. nennt, behauptete in Anwesenheit von Reportern erst, nie einer Enthauptung beigewohnt zu haben, korrigierte sich auf Nachfragen dann jedoch, er sei dort hin beordert worden. Seine Aussage, er haben nie jemanden getötet und sei nicht an der Front gewesen, muss er später ebenso korrigieren wie die, er habe nie gegen Kurden gekämpft. Dem verhörführenden Leutnant Pisthiwan Salahi nach war M. kein einfacher Soldat, wie er selbst behauptet, sondern Mitglied einer für Selbstmordanschläge ausgebildeten Eliteeinheit, der "Sucher des Märtyrertums". Das habe man von Informanten erfahren.
Britische Studie: IS hatte potenzielle Anziehungswirkung auf Triebtäter
In Großbritannien veröffentlichte derweilen die Henry Jackson Society einen Bericht, in dem sie die Bedeutung der Sexualität für den IS untersucht hat. Dabei kam sie zum Ergebnis, dass die Dschihadisten eine potenzielle Anziehungswirkung auf Triebtäter ausübten, die sich unter anderem wegen der Erlaubnis zur Vergewaltigung von "Ungläubigen", die man sich als Sklavinnen nehmen konnte, rekrutieren ließen.
Als Beispiel dafür nennt der Bericht unter anderem Ondogo Ahmed, einen Londoner Triebtäter, der nach der Vergewaltigung einer 16-Jährigen eine achtjährige Haftstrafe absitzen sollte einen Hafturlaub nutzte, um sich in das IS-Kalifat abzusetzen, wo auch Sex mit Kindern vor der Pubertät erlaubt war (Kalifat erlaubt Sex mit Kindern vor der Pubertät). In einer IS-Broschüre, die auf dschihadistischen Websites gepostet und nach dem Freitagsgebet in Mosul verteilt wurde, hieß es dazu mit Bezug auf salafistische Koran- und Haditheninterpretationen wörtlich:
Frage: Ist es erlaubt, Geschlechtsverkehr mit einer Sklavin zu haben, die die Pubertät noch nicht erreicht hat?
Antwort: Man darf Geschlechtsverkehr mit einer Sklavin haben, die die Pubertät noch nicht erreicht hat, wenn sie zum Geschlechtsverkehr geeignet ist. Ist sie jedoch nicht zum Geschlechtsverkehr geeignet, ist es genug, sich ohne diesen mit ihr zu vergnügen.
Um herauszufinden, ob sie sich "zum Geschlechtsverkehr eignen", wurden dem Bericht nach bei Jesidenmädchen alle drei Monate die Brüste überprüft. Das jüngste Vergewaltigungsopfer soll erst zehn Jahre alt gewesen sein. Eine zentrale Rolle bei der sexuellen Versklavung von Jesidenmädchen spielte den Aussagen eines 18-jährigen Opfers nach Siddhartha Dhar, ein ehemaliger Hüpfburghändler aus dem Ostlondoner Walthamstow.
Darauf, dass Sexualität bei der IS-Rekrutierung eine zentrale Rolle spielte, deutet auch das hin, was bei eine Prozess in Paris an die Öffentlichkeit kam, der letzte Woche mit zehn Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung mit terroristischen Zielen für so genannte "Puffmutter des Dschihad" zu Ende ging. Die 51-jährige Konvertitin hatte nicht nur ihren Sohn, der im Kalifat den Rang eines "Emirs" innehatte, Geld und Frauen aus Frankreich mitgebracht, sondern auch anderen IS-Terroristen.